Der Redaktion von Tichys Einblick ist mittels Zeitmaschine ein schon in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von der BBC aufgenommenes fiktives Gespräch zwischen einem unbekannten CDU-Wähler, zwei CDU-Wahlkampfmitarbeitern und einem fiktiven CDU-Chef zugespielt worden.

Es ist jedes Mal dasselbe unwürdige Schauspiel. Nach der Wahl werfen Wähler, also ehemalige Wählende, dem Gewähltwordendenseienden vor, sich nicht mehr an das zu halten, was er vorher, angeblich, tatsächlich, vermeintlich gesagt haben soll.
Das ist natürlich auch nach dieser Wahl nicht anders.
Der Redaktion von Tichys Einblick ist aber, mittels Zeitmaschine, ein schon in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von der BBC aufgenommenes fiktives Gespräch zwischen einem unbekannten CDU-Wähler, zwei Wahlkampfmitarbeitern der CDU und einem fiktiven CDU-Chef zugespielt worden. Die Darstellenden in diesem Gespräch sind selbstverständlich nur fiktive Gattungsdarstellende, die, auch wenn die Namen zufälligerweise mit Lebenden übereinstimmen sollten, keinerlei Ähnlichkeit und ganz besonders keinerlei Übereinstimmung mit diesen haben.
FM: Sie wollen mir sicherlich zu meiner Rede nach dem Wahlerfolg gratulieren?
Unbekannter CDU-Wähler: Ich habe sie leider nicht gehört, Ich denke aber, dass das, was sie sagten, nicht so schnell vergessen sein wird.
FM: Ich sagte zunächst, dass ich auf meine Rede vom 13. November letzten Jahres verweisen möchte.
Unbekannter CDU-Wähler: Wusste man noch, was Sie da gesagt hatten?
FM: Natürlich nicht. Ich wusste es ja selber nicht, aber meine Ausführungen zur Schuldenbremse und zur Migrationswende waren brillant. Klar, einfach und direkt.
Unbekannter CDU-Wähler: Unglücklicherweise, obwohl die Antwort in der Tat klar, einfach und direkt war, gibt es Schwierigkeiten, ihrer Antwort die Bedeutung der Epitheta zuzuordnen, die Sie auf die Aussage angewandt haben, insofern, als die genaue Korrelation zwischen den Informationen, die Sie mitgeteilt haben, und den Tatsachen, soweit sie bestimmt und bewiesen werden können, epistemologische Probleme hervorrufen, die so groß sind, dass sie den logischen und semantischen Ressourcen der deutschen Sprache eine schwerere Last aufbürden, als von ihr vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sie tragen könnte.
FM: Epistemologisch? Wovon reden Sie?
Unbekannter CDU-Wähler: Sie haben eine Lüge erzählt.
FM: Eine Lüge?
Unbekannter CDU-Wähler: Eine Lüge.
FM: Was meinen Sie mit: einer Lüge?
Unbekannter CDU-Wähler: Ich meine, Sie haben gelogen.
Oh, ich weiß, das ist ein Konzept, das man Politikern nur schwer vermitteln kann. Also, nun, sie haben nicht die Wahrheit gesagt.
FM: Was meinen Sie damit, ich hätte nicht die Wahrheit gesagt? Das kann man nicht als Lüge bezeichnen.
Unbekannter CDU-Wähler: Was ist das Gegenteil davon, die Wahrheit zu sagen?
FM: Ich meine, es lag keine Absicht vor. Ich hatte nicht die Absicht, meine Wähler wissentlich in die Irre zu führen.
Unbekannter CDU-Wähler: Und doch haben Sie es getan.
FM: Es war nicht meine Absicht. Ich habe nicht gewusst, dass wir mit dem alten Parlament die Schuldenbremse aushebeln wollen.
Unbekannter CDU-Wähler: Man geht davon aus, dass Sie es wussten.
FM: Warum hat man mich nicht informiert?
Wahlkampfmitarbeiter 1: Man hat es vielleicht nicht für nötig gehalten, Sie zu informieren.
FM: Aber warum?
Wahlkampfmitarbeiter 1: Vielleicht wusste man es auch nicht. Oder man war der Meinung, dass Sie es nicht zu wissen brauchen.
FM: Doch, ich muss es wissen.
Wahlkampfmitarbeiter 2: Die Tatsache, dass Sie es wissen mussten, war zu dem Zeitpunkt, als das jetzt bekannte Bedürfnis nach Wissen bekannt war, noch nicht bekannt. Diejenigen, die Sie zu beraten hatten, waren der Ansicht, dass die Informationen, die benötigt wurden, um Sie zu informieren, noch nicht bekannt waren, so dass es keine Befugnis für die Partei gab, zu informieren, weil die Notwendigkeit zu wissen, noch nicht bekannt oder notwendig war.
FM: Was?
Wahlkampfmitarbeiter 2: Wir konnten nicht wissen, dass Sie die Abschaffung der Schuldenbremse und die Migrationswende in Talkshows versprechen würden.
FM: Ich wusste nicht, dass ich es nicht sagen sollte, wenn ich danach gefragt werden würde.
Wahlkampfmitarbeiter 1: Wir konnten nicht wissen, dass man Sie nach etwas fragen würde, das Sie nicht wüssten.
FM: Ich müsste gefragt werden, ob ich etwas nicht weiß, das ich wissen müsste.
Wahlkampfmitarbeiter 1: Man dachte, es sei besser, Sie nicht zu informieren.
Wahlkampfmitarbeiter 2: Man dachte, es wäre besser, kein Misstrauen zu erregen.
Wahlkampfmitarbeiter 1: Wir sagen es Ihnen nur, wenn Sie etwas wissen sollten.
FM: Und wann ist das?
Wahlkampfmitarbeiter 2: Sie sollten es jetzt wissen, weil Sie es geleugnet haben.
FM: Es wäre hilfreich gewesen, wenn ich es gewusst hätte, bevor ich es geleugnet habe.
Wahlkampfmitarbeiter 1: Hätten Sie es gewusst, bevor Sie es geleugnet haben, hätten Sie es nicht geleugnet.
FM: Aber ich musste es wissen.
Wahlkampfmitarbeiter 1: Wir informieren Sie nicht immer über alles, was die Partei vorhat. Manchmal müssen Sie etwas nicht wissen.
FM: Warum haben Sie entschieden, dass ich es nicht wissen soll?
Wahlkampfmitarbeiter 2: Ich habe das nicht entschieden.
FM: Wer dann?
Wahlkampfmitarbeiter 1: Niemand. Es hat nur niemand beschlossen, es Ihnen zu sagen.
FM: Das ist doch das Gleiche.
Wahlkampfmitarbeiter 2: Ganz im Gegenteil. Die Entscheidung, Ihnen wissentlich Informationen vorzuenthalten, ist für jeden von uns eine schwere Last, aber die Entscheidung, Ihnen etwas nicht zu sagen, ist Routine.
Hier bricht die uns mit Zeitmaschine zugespielte und natürlich fiktive Aufnahme ab.
Schade, man hätte so gerne noch mehr erfahren.
Auch Goethe hatte schon darüber geschrieben:
Sind’s Menschenstimmen, die mein Ohr vernimmt?
Wie es mir gleich im tiefsten Herzen grimmt!
Gebilde, strebsam, Götter zu erreichen,
Und doch verdammt, sich ewig selbst zu gleichen.
Hier der Ausschnitt aus: Yes, Prime Minister
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„Nach der Wahl werfen Wähler, also ehemalige Wählende, dem Gewähltwordendenseienden vor, …“
Danke, das passt!!
Aber natürlich sind die Lügen – pardon: die ins Gegenteil gekehrten Versprechen – des Kandidaten eine toternste Angelegenheit, aus Sicht der ehemals Wählenden jedenfalls. Der Kandidat wird das eventuell anders sehen, weil er die Entwicklungen ja nicht „voraussehen“ konnte, der Zwang des Schicksals gewissermaßen, die „Alternativlosigkeit“ seiner Parteikollegin. Fest steht: ein „Kämpfer“ ist der nicht, und ob der überhaupt zu kämpfen beabsichtigte, wird man vielleicht auch bald wissen.
Für mich ist Friedrich Merz ein äußerst glaubwürdiger Falschspieler. Deshalb, aber nicht nur deshalb, habe ich die unaussprechliche Partei gewählt. Mir wurden von Friedrich Merz keine Versprechungen gemacht, die ich ohnehin nie geglaubt hätte. Ich wurde also nicht betrogen oder „verraten“. Ich bin nur wütend über diejenigen, welche Verrat beklagen. Das ist Heuchelei – welche ich verabscheue. Nebenbei, der „CDU-Wähler“ ist gut portraitiert. Denn der traut sich eigenlich nicht, eine Lüge eine Lüge zu nennen.