Majestätsbeleidigung gegen Merkel und die Pandemie

Merkels Chefberaterin Melanie Brinkmann echauffiert sich über einen Schaffner, der ihre Fahrkarte sehen will. Das Netz regt sich darüber auf. Dabei müssten wir darüber lachen - aber davon sind wir noch einen Schritt entfernt.

IMAGO/Pol. Moments, IPON, J. Hoff (Collage: TE)
"Ich telefoniere gerade mit Angela Merkel" - "Das ist mir egal, ich will Ihre Karte"

Karl Lauterbach. Ja. Der ist einfach. Können wir nicht den nehmen? Der ist witzig. Die lustige Fliege. Der verwirrte Blick. Dann kratzt er auf Geburtstagsfeiern das Salz vom Essen ab und redet mit vielen „Also’s“ kraus und quer vor sich hin. Karl Lauterbach ist einfach. Pures Comdeygold. Aber Melanie Brinkmann? Die Redaktion fragt, ob ich was Lustiges über Melanie Brinkmann schreibe.

Doch die ist nicht witzig. Lustig schon. Da sitzt sie im Interview und erzählt voller Unverständnis, wie ein Schaffner ihre Fahrkarte sehen will. Von ihr, der Chefberaterin der Kanzlerin in der Pandemie! Das ist an sich schon Majestätsbeleidigung! Und dann hat sie just in diesem Moment, als der Schaffner sie mit einer Banalität belästigt, die Kanzlerin am Handy. Persönlich! Doppelte Majestätsbeleidigung! Lustig ist’s schon, wie sie daran auch noch in der Nacherzählung verzweifelt. Aber nicht witzig. Dafür umso mehr arrogant.

— Liberalo (@LiberaloNo1) February 20, 2022

Das Fußvolk. Der Pöbel. Ja, der muss sich ausweisen können. Den Impfnachweis, wenn er einkaufen will oder ins Restaurant oder wenn er seinen Arbeitsplatz behalten will. Das ist alles zumutbar. Und wenn es denn sein muss, auch die Fahrkarte. Da kommt’s dann auch nicht mehr drauf an. Aber SIE? Melanie Brinkmann? Sie hat doch die Pandemie erfunden. Also die Maßnahmen dagegen. Wie kann da jemand von ihr die Fahrkarte verlangen?! Noch dazu einer, der nicht Chefberaterin ist – ja nicht mal Bundeskanzlerin.

Dabei, so erzählt Brinkmann, zeigt sie dem Pöbel, also dem Schaffner, auch noch das Handy. Da steht „Angela Merkel“ drauf. In welchem Land leben wir eigentlich, wenn das nicht mehr reicht, um überall durchgelassen zu werden?

Und dann spricht sie auch noch mit der Kanzlerin darüber, was in der Pandemie zu tun sei. Aber der Schaffner hält sie davon ab. Vermutlich ein Querdenker, ein Covidiot, kurz: ein Nazi. In welchem Land leben wir, in dem so eine sich vor so einem legitimieren muss? Der Rechtsstaat mit seiner Gleichheit steht der Pandemie mal wieder nur im Weg. Also den Maßnahmen dagegen.

Jetzt hätte es weniger Zeit gekostet, dem Mann schnell die Fahrkarte zu zeigen, als ihm zu erklären, dass da wirklich Angela Merkel am Telefon ist. Brinkmann hätte ihm auch kurz den Apparat reichen können und die Kanzlerin hätte dem Untertan erklären können, dass in jeder Sekunde tausende Menschen an Corona sterben oder wenigstens mit, wenn er hier die beiden Entscheiderinnen aufhält.

Aber gerade die Pandemie hat uns gelehrt, dass es nicht um Effektivität geht. Nicht um Effektivität gehen darf. Einer Melanie Brinkmann ist zu folgen. Punkt. Das steht für sich.

Naiv. Abgehoben. Selbstverliebt. Machttrunken. Von Doppelmoral besessen. Brinkmanns Auftritt ist vieles, nur nicht witzig. Wie soll ein Autor lustige Worte schreiben, wenn sich Mächtige so gebärden? Mächtige, denen wir seit zwei Jahren eine Blanko-Vollmacht ausgestellt haben, die diese nun nicht zurückgeben wollen.

Kann ich da nicht lieber über Karl Lauterbach schreiben? Weil das einfacher ist.
Nein. Natürlich nicht. Das ist zu bequem. Dafür sind wir zu weit gegangen. Wir haben die mit Vollmachten ausgestattet, die weit über das hinaus gehen, was einem demokratischen Rechtsstaat gut tut. Und mit diesen Vollmachten ausgestattet zeigen Persönlichkeiten wie Brinkmann nun, welch fragwürdiges Verständnis von gesellschaftlichem Zusammenleben sie haben. Zuerst müssen wir ihnen diese Vollmachten wieder abnehmen. Und dann können wir über eine Melanie Brinkmann wieder lachen – dann sollten wir das auch tun.

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