Was ist los mit der ZEIT? Schon länger wirkt sie etwas schrullig. Aber neuerdings muss man sich ernsthaft Gedanken machen um ihren Zustand. Echt.
Liebe Tante ZEIT, seit wir Dich kennen: So richtig witzig und spritzig warst Du nie. Das ist kein Vorwurf. Du warst seriös, hast Dir Mühe gegeben, die Zeit zu verstehen, die an die vorbeigerannt ist und sich wenig um Dich gekümmert hat. Klar, Du hast dann versucht, vorne dabei zu sein. Wir erinnern uns an die Deutschlandreise Deiner Redaktion in die DDR, unmittelbar vor der Wiedervereinigung. In einer langen Serie hast Du bewiesen, dass die DDR dem Westen so überlegen ist. Noch während Du deine Serie gefeiert hast, haben ein paar Millionen Ossis die Mauer eingerissen, die für Dich als Kulturleistung der besonderen Art wahrgenommen wurde. Aber das ist lange her. Irren kann sich jeder.
Und was haben wir gelacht über den Bericht des Stasi-Spitzels, der aus Deinen Redaktionskonferenzen berichtet hat. Du warst schon oft komisch drauf. Aber irgendwie: So bemüht. Stellenweise klug. Gerne erinnern wir uns an jene Story, in der Goethe den Frankfurter Hauptbahnhof besichtigt. Naja, mit der Zeit hast Du es nicht so, vermutlich trägst Du deshalb den Titel im Kopf: Es muss so eine Art Schatten-Phänomen sein.
Aber wir wollen Dir nicht Deine Fehler vorrechnen. Heute geht es um Deine Verdienste in der Gegenwart. Man kann ja immer alles korrigieren, besser machen. Etwa mit diesem Artikel über das „Alphabet rechter Kampfbegriffe“.
Klar, politisch korrekte Sprache hast nicht Du erfunden. Aus Astrid Lindgrens „Negerkönig“ wurde der Südseekönig, die scharfe „Zigeunersoße“ wird nur noch selten serviert. Es ist eine amerikanische Erfindung aus den 70er Jahren, und sie hat schon eine gewisse Berechtigung als Teil der Political Correctness. „Nigger“ etwa geht wirklich nicht. „Schwarze“: Sie wehrten sich gegen Diskriminierung, die auch über Sprache transportiert wird. Aus „negro“ wurde „black“, später der „african american“ oder die „person of color“. Deutsche Tradition ist älter. Victor Klemperer hat die Sprache der Nazis erforscht und Dolf Sternberger den Missbrauch der Sprache im Wörterbuch des Unmenschen analysiert.
Nun schreiben wir 2017 und, liebe Tante, Du beschäftigst Dich mit den Kampfbegriffen der „Rechten“. Schauen wir uns mal an, was Du da zu sagen hast, und welcher Sprachgebrauch wen auszeichnet. Fangen wir hinten an, Krimis sollte man nie von hinten lesen, weil die Spannung sonst aufhört, ZEIT-Artikel aber schon, um das Wortgeklingel vorher nicht nach Juwelen durchwühlen zu müssen.
Also da steht: „Volkswirtschaft“. Volkswirtschaft, ein „rechter Kampfbegriff“? Ehrlich gesagt, das macht Unzählige betroffen, sie fühlen sich vor sich selbst entlarvt. Denn sie haben Volkswirtschaft sogar studiert. Es steht auf ihren Visitenkarten! Ach, du gute Güte! Wir sehen schon die Studentenparlamente, wie sie die Abschaffung der Lehrstühle für Volkswirtschaft fordern: „Nazis raus aus unseren Unis“ – oder?
Ehrlich, liebe Tante, das kommt einem schon komisch vor, wenn Du als Leseanweisung schreibst:
„Da sich die Begriffe selbst kommentieren, kann man sich die üblichen Warnhinweise sparen. Denn klar ist: Das rechte Weltbild liefert Bausteine für einen neuen Faschismus.“
Klar, danke, begriffen: Da steckt „Volks“ drin, das ist doch total „nazi“! Dass man das auch nicht selbst gemerkt hat… Volkswirtschaft also als „Baustein des neuen Faschismus“ – man schämt sich zugleich für alle Volkswirtschaftler zutiefst. Wir haben Dich ja immer geachtet. Wir schämen uns. Für Dich. Denn Du bleibst nicht dabei stehen. Gehen wir an den Anfang, zu E wie „Evolution“. Auch das ist Dir zufolge ein „rechter Kampfbegriff“, ein sehr häufiger sogar.
Nun ist es mit der Evolution schwierig. In den USA gibt es welche, die bezweifeln die ansonsten in der Welt als Erklärmodell hochgeschätzte Evolutionslehre von Charles Darwin. Weil damit die Schöpfungsgeschichte der Bibel angezweifelt werde. Was haben wir uns auf die Schenkel geklopft aus Lachen über diese dumpfen Amis! HAHAHAHA. Bezweifeln Wissenschaft und verweisen auf die Bibel! Merken gar nicht, dass Gottes Schöpfung noch viel göttlicher ist, wenn sie die Evolution als Prinzip installiert hat.
Aber leider, liebe Tante ZEIT, jetzt kommst Du daher. Und schreibst doch tatsächlich auf Papier, dass „die Rechten“ den Begriff so lieben, weil die Evolution so grausam ist. Tja, die Entwicklungsgeschichte muss eben umgeschrieben werden. Es waren „die Rechten“ mit Geld von den Multis, die den Tiger und den lieben Panther so versaut haben, dass er statt Steppengemüse nur andere Tiere frisst, die zu langsam für ihn sind. Wie grausam das ist. Welche Evolution im Stuhlkreis der Redaktion der ZEIT.
Und so geht es weiter. „Rechte“ sagen gerne „Establishment”: „Dazu zählen sämtliche Angehörigen des Systems“. Nun gut, liebe Tante, früher hast Du noch fleißig mitgefeiert, wenn K1 mit Sätzen wie „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“ provozierte. Vermutlich müssen die jetzt alle doch in den Knast, nachträglich? Denn seltsamerweise haben sich Deine Journalisten geändert. Immer schon hatten sie Sendungsbewusstsein, siehe oben, indem sie die DDR als das bessere System bejubelten, in dem aber natürlich nur andere wohnen sollten, nicht die Schreiber in Hamburg. Aber jetzt werden ZEIT-Journalisten zunehmend zu Tätern. Sie entlarven im Auftrag der Staatsmacht „Verräter“, „Klassenfeinde“, „Merkelgegner“, „Systemfeinde“, stellen sie an den Pranger und vernichten ihre Existenz. Hast Du dir das immer schon gewünscht, mal richtig zuschlagen dürfen, nicht nur schreiben?
Gut, das ist jetzt übertrieben. Schließlich nennst Du ja auch „Ehre“ als „rechten Kampfbegriff“. Nun gut, „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von Böll haben wir, aber anders als Du, nie besonders gern gelesen, fanden das etwas konstruiert und dröge. Insofern freuen wir uns, dass wir Recht bekommen. Aber Heinrich Böll, und damit auch die gleichnamige Stiftung der Grünen, jetzt lauter „Rechte“? Come on.
Junge, Junge, wenn das nur gut geht. Und denk daran, viele (natürlich nicht alle) unserer Neubürger berufen sich auf „Ehre“, auf die eigene und insbesondere auf die ihrer Frauen. Willst Du sagen, da kommen lauter „Rechte“ ins Land? Das wäre ja nach Deiner eigenen, nach oben offenen Skala des „Rechtismus“ glatt „Rassismus“!
Ehrlich, liebe Tante, müssen wir uns Sorgen um Dich machen? Schrullig warst Du ja schon immer. Aber jetzt wird’s doch bedenklich. Hast Du jemanden, der Dir die Zeitung vorliest, Einkäufe erledigt, am Zebrastreifen des weltweiten Verkehrs über die Straße hilft?
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Wir können aber unsere Entscheidungen nicht von der Schönheit der daraus resultierenden Bilder abhängig machen. Niemand will unschöne Bilder. Deswegen gestaltet man ja sinnvollerweise seine Politik so, daß solche erst gar nicht entstehen. Das nennt man dann verantwortungsvolle Politik. Aber Dinge ohne Nachzudenken einfach loszutreten und dann sich einfach nur noch um das Vermeiden unschöner Bilder zu kümmern und alles noch weiter zu verschlimmern, ist totale Unfähigkeit. Leider geht es aber nicht nur um Unfähigkeit. Es geht auch um totale und geradezu menschenverachtende Handlungsweise der eigenen Bevölkerung gegenüber. Und gerade dort hat Sie seltsamerweise viele Helfer. Viele möchten gern, daß… Mehr
Herr Thiel, die unschönen Bilder entstehen so oder so – entweder vor unserer Tür, weil wir die Grenzen zumachen und die Leute dann dort Amok laufen oder aber vor den Toren Griechenlands, Ungarns, Italiens, weil wir es dann denen aufbürden. Wenn man die sinnvolle Politik so gestaltet, dass diese Bilder nicht erst entstehen, heißt das, dass unsere Kanzlerin ordentlich Geld aus dem Steuertöpflein lockermachen müsste, dass dann in die Krisenregionen geht. Und der Rest aus dem Steuertöpfle müsste für uns aufgewendet werden – da traut man sich aber, ob des monumentalen Werks „Schwarze Null“ (also Schäuble selbst) nicht ran.
Nicht mulmiger als sonst. Mulmig ja – natürlich – aber da wir noch in einer Demokratie leben und wir immer noch nicht die Möglichkeit haben, in die Zukunft zu sehen, um zu wissen, wer ein Sackgesicht ist und wer nicht, haben wir eigentlich genau zwei Möglichkeiten: Entweder auf das Beste hoffen oder den Trump geben und uns (also Deutschland) komplett rundrum einmauern lassen.
Das Papier ist auch nicht mehr so reißfest wie früher.
Da kann es unangenehme Überraschungen geben …
>’Was ich vermisse sind die Kochrezepte …. -:) ‚<
An die kommen Sie auch ohne Account ran – also ist nix wirklich verloren. *g*
Das Buch Kohelet, Kap. 3 sagt : „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit .“ Dann die allseits bekannten „Eine Zeit für…“ – Aufzählungen , die ich gerne ergänzen möchte um Kohelet , Kap. 3 , 7a NEU : „Eine Zeit für den Aufschwung , und eine Zeit für den Untergang “ . Der Untergang ist nahe, liebe ZEITler :-)) Man riecht bereits den Mief des Hades , begleitet noch von den lärmenden Parolenrufern der Antifa, deren Geheul sich aber mehr und mehr zu furchttriefendem Wimmern entwickelt . Wie ich diesen rauschenden… Mehr
Volker Thiel, des Volkes schlimmster Volker.
Die Köterrasse auf der Kö-Terrasse? Oder wie oder was?
Habe letzte Woche ein Freiexemplar (nicht bestellt..) im Briefkasten gefunden und kurz ins Magazin geschaut – es ging um Gesundheit. Es gab ein Interview mit Heinz-Rudolf-Kunze, der über seine Ängste berichtete.Kaum hatte ich einige Sätze gelesen, kam schon das Thema auf die Ängste der Deutschen und das damit verbundene Erstarken der „Populisten“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat es mir dann gereicht und die gesamte Zeitschrift landete im Altpapier. Ich möchte nichts darin verpacken
Was Sie zur Zensurpraxis der FAZ schreiben, stimmt grundsätzlich. Allerdings wurde das Thema Zensur dort elegant gelöst indem viele Artikel nicht mehr kommentiert werden können. Gerade das hat viele gute Foristen vertrieben.
und endlich sind die neuesten Zahlen draußen:
http://meedia.de/2017/03/08/ivw-analyse-ebay-kleinanzeigen-springt-auf-spiegel-online-niveau-und-platz-4-auch-der-kicker-dick-im-plus/
Zeitonline geht ganz klar in eine Richtung:D
Ob denen das selber bewusst ist? Naja glaube nicht. Hoffe aber das die Unternehmen die auf deren Seite Werbung machen intelligent genug sind ihre Zahlungen anzupassen.
Komme aus der Branche. Die Werbeindustrie ist da völlig unideologisch. Klar gegen die Preise runter, wenn Klicks, Visits oder Auflage sinken…
Nein, das Gebäude lassen wir stehen. Wir ändern nur die Inschrift: „Den geschenkten Menschen“. Diese werden spätestens in einer Generation die Mehrheit in einem Land in Mitteleuropa haben, das früher einmal Deutschland hieß.