Achtung Glosse: Alle Nase lang muss sich in Deutschland irgendwer für irgendwas entschuldigen. Aber wie? Und bei wem? Doch keine Sorge. Dafür gibt es jetzt professionelle Hilfe.
Achtung Glosse: Reich werden. Das wäre nett. Aber wie? Mit Arbeit? Die macht in Deutschland nur das Finanzamt reich. Eine Möglichkeit gäbe es. Man könnte sich in eine Firma einkaufen, die Wärmepumpen herstellt. Dann behaupten, die retten das Klima. Schließlich lässt man sich wählen und befiehlt per Gesetz den Einbau von Wärmepumpen. Fürs Klima. Doch leider ist schon jemand auf die Idee gekommen.
Dem Herrn sei Dank hilft Reinhard Mey. Mit seiner „Ballade vom sozialen Aufstieg des Fleischermeisters Fred Kasulzke“. Der gründete eine Agentur für professionelle Demonstranten, die auf die Straße gehen für Anliegen, an denen seine Auftraggeber verdienen. Schon klar. Auch dieser Markt ist bereits besetzt – durch Eff Eff Eff, die allerletzte Generation und „Es stinkt die Rebellion“.
Die Akquise fällt der KaDeFee leicht. Ein Blick in die Bild reicht schon. Die ist seit einigen Wochen ein pralles Wunderhorn voll Menschen, die sich entschuldigen wollen oder sollen. Allen voran Til Schweiger. Der soll ganz Böses getan haben. Was genau, ist unklar. Bei KaDeFee arbeiten zwar Profis fürs Entschuldigen. Aber Artikel zu lesen, in denen wenig hochgepustet wird, um den Ruf einer Person zu töten, ist den Mitarbeitern nicht zumutbar. Das mögen Sie bitte verzeihen. Also wissen wir nur, dass da irgendwas mit Gewalt bei Schweiger gewesen sein soll. Da müsste aber ein einfacher Klaps auf die Schulter reichen – er darf nur nicht zu fest sein.
Er selbst brauche professionelle Hilfe, meinte indes Boris Palmer. Da ist er bei KaDeFee natürlich genau richtig. Der Bürgermeister von Tübingen soll das N-Wort gesagt haben. Öffentlich. Das N-Wort ist schlimmer als das M-Wort und das Z-Wort zusammen. Da sitzt P-Wort mal so richtig im Sch-Wort. Wir bitten daher schon mal in seinem Namen um Entschuldigung. Umsonst. Der Akquise wegen. Die läuft wie bei Drogensüchtigen. Und Palmer hat das Zeug zum Entschuldigungs-Junkie. Er pendelt regelrecht zwischen Interviews geben und „Dafür um Entschuldigung bitten“. Palmer könnte der erste Goldkartenkunde für KaDeFee werden. Ihn schützt ja jetzt nicht einmal mehr, dass er Grüner ist. Beziehungsweise war.
Oder auch Dieter Bohlen. Der „Pop-Titan“ war kein Grüner, tut aber auch viel Schlechtes. Von dem fordert die Bild ganz oft, dass er sich entschuldigen soll. Denn er war gemein zu Katja Krawallovic und die findet Deutschlands sinkendes Boulevard-Flaggschiff ganz toll. Sorry, ja. Die heißt nicht so. Aber außerhalb der Bild-Redaktion kann sich den Namen echt keiner merken.
Ein heikler Kunde könnte Leon Goretzka werden. Der Bayern-Profi will sich ganz dringend entschuldigen. Nein. Nicht für das WM-Aus. Nicht einmal für die „One Love“-Binde – sondern … Nun ja. Wofür eigentlich? Also er hat gesagt: „Spieler werden komplett kaputt gemacht medial.“ Der Pöse. Das hat er wirklich gesagt. Schleudert den Purschen zu Poden! Tut uns leid wegen dem Klauen, Monty Python. Und wegen des Genitivs, Bastian Sick.
Er hat’s auch nötig, der Goretzka. Das mit dem Ball klappt immer weniger bei ihm. So schielt er schon mal auf die Karriere danach, der Mann, dessen Nachname fast so sexy klingt wie Kasulzke. Deswegen gibt der Leon schon heute gern den Sozen und Gutmenschen von nebenan für den täglichen Bedarf von ARD und ZDF. Ist das bisschen Restruhm erst verglüht, kann das im Mediengeschäft eine demütigende Aufgabe für einen ehemaligen Sportler sein. Da braucht man nur mal Sebastian Vettel zu fragen.
So muss sich die professionelle Entschuldigungs-Agentur nicht um Aufträge sorgen. Solange es Bild gibt, muss sich ständig wer entschuldigen. Sogar deren eigener Verlagschef Mathias Döpfner. Seit der Mann das US-Mediengeschäft erobern will, ist für ihn jeder Tag Ostern. Er hat sich im eigenen Blatt nach Aufforderung der eigenen Mitarbeiterin, einer ehemaligen freien Drehbuchautorin, entschuldigt. Weil er gemein war. Zu Ostdeutschen. Per digitaler Nachricht. In ihrer Abwesenheit. Natürlich. Denn Ostdeutsche trifft Döpfner nicht oft. Was das Entschuldigen wiederum deutlich erschwert. Aber kein Problem. Dafür gibt es ja jetzt Profis.
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Herrlich geschrieben. Dieses dauernde, peinliche entschuldigen ist Wasser auf die Mühlen aller Minderheiten die sich sich ständig beleidigt fühlen und eine Entschuldigung einfordern. Genauso fordert es die herrschende, katastrophale Politik. Kaum wagt mal einer berechtigte Kritik , sofort wird eine Entschuldigung eingefordert. BILD, nun endgültig zum linken Schmierenblatt verkommen, mischt ganz vorne mit. Will sich bei den Grünen, Linken und Minderheiten einschmeicheln. Einfach nur peinlich sind diejenigen die sich ständig unterwürfig entschuldigen nachdem sie zumeist vorher etwas Richtiges gesagt haben!
Man kann jemanden um Entschuldigung bitten. Nur wen?
Viel einfacher ist es doch, sich selbst zu entschuldigen.
„Ich entschuldige mich“, und damit bin ich die Schuld los.
Praktisch.
Das mit den Entschuldigungen ist gut gedacht, aber zu kurz gesprungen. Denken Sie nur mal an die sinkende Industrieproduktion. Wie viele Jahre ist es her, dass Deutschland unangefochtener Exportweltmeister war? Dann Rang 2 und 3, heute redet davon niemand mehr. Entschuldigung liebe Welt, könnte man jetzt sagen, aber was bringt das? Unterm Strich nichts! Wir müssen mit den Unworten viel professioneller umgehen. Denken Sie nur mal an das F-Wort, dass Sie einer Frau hinterherrufen, wenn sie mal wieder mit drei großen Schritten auf den Zebrastreifen springt und Sie damit zum Bremsen zwingt. Vor dem richtigen Richter macht das mal unterm… Mehr
„Tut uns leid wegen dem Klauen, Monty Python. Und wegen des Genitivs, Bastian Sick. .“
Und wegen der RS, Duden (Umsonst statt Kostenlos).
Wie sagte Leroy Jethro Gibbs immer? Entschuldigungen sind ein Zeichen von Schwäche! Genau so ist es und ich erinnere mich nur an Dieter Bohlen der sich für seine Äußerungen zur Bildung mancher Politiker eben nicht entschuldigt hat. Alles andere kriecht zu Kreuze, daß es einem schlecht wird und zeigt nur wie wenig eigene Meinung die Leute haben. Sie stehen für gar nichts und haben keine eigenen moralischen Werte. Sie sind käuflich und viele würden für einen lukrative Vertrag, einen lukrative Job ihre eigene Oma verraten besonders dann wenn die schon in die Grube gefahren ist. Alle die Entschuldigungen zeigen nur… Mehr
Wenn Sie wirtschaftlich so saturiert sind wie ich es von Dieter Bohlen vermute, kann ihnen leicht jeder Politiker am A-Wort vorbei gehen. Wenn Sie auf Ihren Job, Ihre Einkünfte angewiesen sind, kann es leicht passieren, daß Sie vorsichtiger sein müssen.
Huch ich habe TE Thurnes gelesen. Wo kann ich mich entschuldigen?
‚Wo kann ich mich entschuldigen?‘
Wie jetzt? Sie wollen sich schon selber entschuldigen? Ganz so bequem geht das aber nicht – da sollten Sie schon alle Betroffenen bitten, Sie zu entschuldigen.
Ich finde die Idee einer professionellen Entschuldigungsagentur brillant. Ständig muß irgendwer sich irgendwie bei irgendwem entschuldigen, es ist ein regelrechter Sport geworden, von Leuten des öffentlichen Lebens Entschuldigungen zu fordern. Egal wer, egal für was und egal bei wem, zu recht oder Unrecht, Hauptsache Entschuldigung. Der Trend geht übrigens zur Zweitentschuldigung. Es gibt schon so viele Agenturen, NGOs, Zertifizierungsstellen und -Labore die mit Labels und Zertifizierungen aller Art für alles irgendwie erdenkliche auf der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung schmarotzen, da darf eine Entschuldigungsagentur nicht fehlen, bei der man sich – gegen fall- und einkommensabhängige Gebühr, versteht sich – zertifiziert entschuldigen kann, bei… Mehr
Das Positive daran, es schafft zusätzliche Stellen, sog. Bullshit-Jobs, von denen wir noch nicht genug haben.
‚Ständig muß irgendwer sich irgendwie bei irgendwem entschuldigen,‘
Sie haben das System dahinter nicht verstanden.
Nur wer Jemandem verbal auf die Füße tritt oder einen Anderen beleidigt, muss diese um Entschuldigung bitten (nicht sich selber entschuldigen) und zeigt damit seine Fähigkeit, Fehler einzugestehen und Reue zu zeigen.
Das offenbart einen positiven Charakterzug und steigert den eigenen Wert in der Öffentlichkeit.
Das ist im normalen Leben so. Im öffentlichen Leben ist es eine weit verbreitete und überaus verachtenswerte Form von verbalem Bullying, Macht-, Dominanz- und Herrschaftsgehabe. Palmer z.B. hat, wie viele andere auch, ja objektiv nichts falsches gesagt. Das intellektuelle Niveaus der Entschuldigungserpresser zeigt sich ja gerade an der falschen Verwendung des Wortes. Sich dem zu unterwerfen, ist eine Demonstration von Schwäche. Oder eher Feigheit?
Ach, so lustig ist das ja eigentlich alles gar nicht. Sollte man für etwas um Entschuldigung bitten, von dem man persönlich erkannt hat, das es „falsch“, ungemessen war, ist alles gut. Tatsächlich ist der Hintergrund von erbetenen öffentlichen Entschuldigungen heutzutage aber eher, dass man vor Kritikern einknickt und Widerstand nicht aushält, obwohl etwas gesagt und getan wurde, das ein Großteil der Beobachter vermutlich nicht schlimm und empörend findet. Ob Reue immer ehrlich gemeint ist, bleibt offen. Der ein oder andere mag nur austesten, was gesagt werden könnte, geht’s schief, bittet er eben um Entschuldigung. Auf jeden Fall wird die Gegenseite… Mehr
Seit der Mund zu und Bindenaktion haben sich Goretzka und auch Neuer sehr geschadet und bemerken es nicht. Dass Goretzka mitspielt ist mir in letzter Zeit überhaupt nicht mehr aufgefallen, aber irgendwie muß man ja auf sich aufmerksam machen, zumindest aber ein Zeichen setzen.
„Muss“ man eigentlich nicht. Wer es trotzdem tut, ist einfach schwach. Tatsächlich handelt es sich bei der „Entschuldigung“ um eine Geste der Unterwerfung bzw. um ein Bußritual. Der „Büßer“, der mit seiner Äußerung Unabhängigkeit demonstriert hat, will wiederaufgenommen werden in die Blase seines Beziehungsumfelds. Er will wieder Mitläufer sein dürfen, weil ihm dies angenehmer erscheint, als sich als Ausgestoßener fühlen zu sollen. Der tiefere Grund dafür ist ein mangelndes Selbstwertgefühl: Es ist wichtiger, was andere über einen sagen und denken, als das, was man selbst über sich denkt. Es handelt sich um ein anerzogenes charakterliches Defizit, und damit um eine… Mehr