Also lautet ein Beschluss, dass man Höcke deportieren muss

Die Correctiv-Affäre ist wie jedes historische Ereignis: Je weiter es zurückliegt, an desto mehr Details erinnert man sich. Weil das Land von rechtsradikalen Bauern aufgewiegelt wird und die AfD mit Wannsee 2.0 ihre wahren Absichten enthüllt hat, bleibt nur noch die Vogelfreiheit als letzter Strohhalm.

IMAGO / Christian Ender
Symbolbild.

Gute Nachrichten für die Demokratie: Der Ostrakismos ist zurück! Eine Forderung, die der Autor dieser Zeilen schon häufiger aufgestellt hat. Die beste Lösung wäre natürlich: Scherbengericht für alle. Dann wäre endlich wieder Ruhe im Karton. Rechtsradikale Naturromantiker wie türkische Linksjournalisten könnten der menschenfreien Zone Deutschland etwas abgewinnen.

Vielleicht ist das der Preis, den wir zahlen müssen, um den jeweiligen enervierenden ideologischen Gegenpart loszuwerden. Das Scherbengericht ist bekanntlich die humanste Version der gegenseitigen Vernichtung. Denn auf die Frage, wie man eines Tages noch einmal miteinander zusammenleben möchte, kommt sowieso niemand mehr. Ist auch zu anstrengend. Scherben statt Konzessionen. So hält es auch der Bundeskanzler mit den Bauern. Auch Claudia Roth hätte mit Sicherheit am Konzept „Ton, Steine, Scherben“ ihre blanke Freude.

Neuerlich: Der Autor ist ein bekennender Freund des Ostrakismos. Eine Demokratie, in der man nicht per Votum den mächtigsten Politiker aus dem Land fegen kann, das ist keine echte Demokratie. In einem Land mit Ostrakismos kann niemand Kanzler für 16 Jahre sein. Einer muss jedes Jahr gehen. Ostrakismos ist kein „Wünsch-dir-was“, sondern eine Pflicht. Und sie hat schon Themistokles, den berühmten Sieger über Xerxes bei Salamis, das Fürchten gelehrt. Bedenke, Habeck, dass du sterblich bist? Von wegen! Eine ordentliche Verbannung von zehn Jahren hat Politiker deutlich mehr das Fürchten gelehrt als abgestellte Höflinge, die in windigen Kommentarspalten ihren Herrscher etwas bekritteln.

Leider bleibt es im besten Deutschland aller Zeiten – wie so häufig – bei einer Farce. Der Pseudo-Ostrakismos kommt als Petition daher. Björn Höcke, das thüringische Gesicht der zur Deportationspartei hochgeschriebenen AfD, soll – tja – für vogelfrei erklärt werden. Das ist schon verwunderlich. Da redet man so viel über Menschenrechte, über Vernichtungsfantasien und Minderheitenschutz, will aber im selben Atemzug einem AfD-Landeschef die Grundrechte streitig machen. Initiiert hat die Aktion das linke Bündnis Campact.

Der Spiegel berichtet: Bereits 930.000 hätten die Petition unterzeichnet. Das kratzt an der Million. Zahlen sind seit der letzten Woche sowieso wundersam. Nur popelige 8.000 Protestler gestern bei der Demo gegen die Regierung, aber 25.000 „gegen Rechts“. In Essen hätte sich gar eine Spontandemo von fast 7.000 Menschen gebildet, gegen die AfD. Überall sprießen regierungsfreundliche Demonstrationen aus dem Nichts. Montagsdemonstrationen, aber diesmal andersrum. Irgendwo vergießt Erich eine Träne, die auf einem heißen Stalagmit sofort verdampft.

Regierungen, die zum Protest gegen den Protest aufrufen, das ist schon etwas Besonderes. Das alles natürlich mit dem Hinweis auf Weimar, wie es der Kanzler und der Wirtschaftsminister nun in zwei Videobotschaften getan haben. Das zum Scheitern Weimars auch die Weltwirtschaftskrise dazugehörte, scheint man irgendwie vergessen zu haben. Vielleicht, weil die jetzige Wirtschaftskrise von der eigenen Regierung (und Vorgängerregierung) verursacht wurde. Das könnte zu unangenehmen Rückschlüssen führen. Etwa, dass die derzeitige Missstimmung im Land nicht auf bösartige Einflüsterer und geschürte Wut zurückzuführen ist, sondern auf das Scheitern einer jahrzehntealten Regierungslinie.

Um die Bevölkerung nicht zu irritieren, muss ein Sündenbock her. Wir hören sehr viel von der Verrohung der Sprache und des Diskurses, wie die etablierte Presse und Politik lehren. Daher darf ein Kurt Krömer Höcke ein zu klein geratenes Genital unterstellen und die FDP-Vertreterin von Ruhrmetall dessen Partei mit etwas vergleichen, was Bauern nur von ihren Kuhweiden kennen. An dem Diskurs der besten Bundesrepublik aller Zeiten überzeugt vor allem dessen Kultiviertheit im Gegensatz zum Mob.

Die Parallelen zu den Bauernkriegen sollen an dieser Stelle nicht zum ersten Mal auftauchen. In die Zeit der Bauernkriege fällt auch die beginnende kleine Eiszeit. Heute nennen wir es Klima. Medien und jene, die es sein wollen, geben sich besonders intellektuell, doch im Grunde richten sich alle ihre Texte darauf: Ohne AfD wäre das Leben wieder schön. Das magische Denken kehrt zurück: Alles wird wieder gut, wenn die Hexe Höcke verbrannt worden ist. Oder deportiert. Oder entrechtet.

Wie man es dreht: Dasselbe Milieu, das sich so entsetzt gibt über das Treffen einiger Personen in einer Potsdamer Villa, weil dort „Deportationen“ beschlossen worden seien – der Akademiker wirft ein: seit wann wurde auf irgendeiner Tagung mal etwas beschlossen? – , zeigen denselben Vernichtungswillen gegenüber dem politischen Gegner und seinem Anhang. Der banale Gedanke, dass man mit den Menschen irgendwie arbeiten muss – frei nach Adenauer: denn es gibt keine anderen! – geht in der eigenen Missionarsarbeit unter. Man wirft „dem Anderen“ Entgrenzung vor und betreibt sie selbst.

Das Narrativnetz ist dichtgespannt. Das beginnt beim Treffen in der Gruselvilla, wo gerade einmal vier Personen aus AfD-Kreisen anwesend waren, aber das zum AfD-Treffen stilisiert wird. Wo man hauptsächlich über „Remigration“ gesprochen habe, obwohl es nur ein Punkt auf einem tagesfüllenden Programm gewesen ist. Wo angeblich darüber gesprochen wurde, dass auch deutsche Staatsbürger ausgewiesen werden sollten, obwohl es dafür keinen Beleg gibt – und selbst wenn, genau dieses ja noch vor nicht allzu langer Zeit von der Bundesregierung selbst überlegt worden ist im Falle von Hamas-Sympathisanten. Und dennoch, was hängen bleibt: die Deportation.

Der Umkehrschluss bedeutet: Höcke deportieren. Um das Schlimmste zu verhindern. Einen Schönheitsfehler gibt es jedoch: Beim Ostrakismos gab es keine Aussprache. Irgendwer schrieb den Namen von irgendwem auf irgendeine Scheibe. Die Person, die am häufigsten auftauchte, musste gehen. Also keine Petitionen. Kein Campact. Kein Aufmarsch gegen Rechts. Keine Genitalien und Haufen. Das birgt das mulmige Gefühl: Bei einem anonymen Scherbengericht besteht die sehr große Wahrscheinlichkeit, dass Höcke nicht der meistgenannte Name sein könnte, dürften die Deutschen abstimmen.

Und das macht die Politik wirklich nervös. Deshalb braucht es vielleicht bald nicht nur 25.000 Leute beim Regierungsaufmarsch, sondern eher 250.000. Oder 2,5 Millionen. Eben das, was die Berliner Polizei liefern kann. Und was die nicht kann, können die Linksextremen, die sich schon unter Lina E. dazu berufen fühlten, mit edlem Motiv gegen den Rechtsextremismus (oder den, den sie dafür halten) vorzugehen. Rosige Zeiten für Deutschland. Wenn das schon das beste Deutschland aller Zeiten ist, dann will man irgendwie gar nicht erst wissen, wie das zweitbeste ausschaut.

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Kommentare ( 46 )

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Hummi
10 Monate her

Deutschland hat fertig ! Ich werde zwar die AfD wählen, nur bin ich überzeugt das die nächste Bundesregierung eine CDU mit der SPD, oder mit den Grünen stellt, oder alle drei ! Für den Fall bin ich schon in der Planung mein Haus zu verkaufen und das Land zu verlassen ! Der Deutsche wacht eben erst auf wenn alles zerstört wurde und das muss ich mir mit jetzt 65 Jahren echt nicht geben

ISC
10 Monate her

Es ist wirklich nicht einfach für einen Journalisten sich jeden Tag mit dem Mob in der Regierung und seinen Mitläufern und Sympathisanten zu beschäftigen. Da kann einem leicht schlecht werden. Ich hoffe, sie werden gut dafür bezahlt.

November Man
10 Monate her

Bei „Geheimtreffen“ fallen einem sofort die geheimen Treffen der Bundesregierung mit den Richtern des Bundesverfassungsgerichts ein.
Auch ein Treffen zum gemeinsamen Abendessen von Vertretern der Bundesregierung und des Bundesverfassungsgerichts. Daran haben auf Regierungsseite neben Scholz und dem Chef des Bundeskanzleramtes Wolfgang Schmidt die Bundesminister Robert Habeck, Nancy Faeser, Marco Buschmann, Hubertus Heil, Cem Özdemir, Lisa Paus, Volker Wissing und Svenja Schulze teilgenommen, außerdem die Leiterin der zuständigen Fachabteilung des Bundeskanzleramtes. Auf Seiten des Gerichts hätten alle Richterinnen und Richter sowie der Direktor beim Bundesverfassungsgericht teilgenommen.

Querdenker73
10 Monate her
Antworten an  November Man

Ja ja das Geheimtreffen der Rechten. Schlagzeile Nr.1 – mit Foto eines Spanners! Einfach toll! Die ganzen Berichte zeigen die Hilflosigkeit der gekauften Journalisten! Soll hier abgelenkt werden von den „geheimen“ Kaffeekränzchen mit Politikern und Vertretern der unabhängigen Justiz? Vom parteiübergreifenden Betrug der Regierungsparteien am Volk? Wie kann sich ein ÖRR nur so lächerlich machen? Gab es eigentlich ein ein ARD(ZDF) – Spezial, um die letzten Zuschauer auch noch zu vergraulen? Dieses blöde Getue der ÖRR bringt der AfD ein weiteres Prozent. Noch Fragen, Kienzle?

November Man
10 Monate her

„Nur popelige 8.000 Protestler gestern bei der Demo gegen die Regierung, aber 25.000 „gegen Rechts“.“
Und wie viele haben „für“ die rotgelbgrüne Links-Regierung demonstriert? Richtig – Keiner – 0,0 !!!!!

Westfale
10 Monate her

Jetzt das Sahnehäubchen:

Die Einbürgerungsreform, Neuregelung (Teil).

“ Wer als strenggläubiger Muslim oder Jude Frauen den Handschlag verweigert, wird nicht von der Vergabe des Passes ausgeschlossen.“

Filmtitel – Deutschland dein Untergang auf Raten.

Was soll das?
Was soll das bezwecken?
Was ist die Absicht dahinter?

Ich kann jede erdige Kartoffel verstehen der die Schale platzt.
Weiss die „Bunte Kaste“ was sie anrichtet, anscheinend nicht.
Nur zwei Erklärungen, ausser Verschwörungstheorien, sind denkbar.
Hirnlosigkeit oder Bösartigkeit.

Alrik
10 Monate her

Und während die Linken von SPD und Grünen der AfD die geplante Abschaffung von unserer Demokratie vorwerfen, feiern die Linken von der Linkspartei zusammen mit der MLPD und den Hamasfreunden und anderen noch linkeren Spinnern zwei Linke die tatsächlich versucht haben die Demokratie in Deutschland abzuschaffen:
Karl Liebknecht und Rosa Luxenburg, die in Deutschland eine Räterepublik errichten wollten und im letzten moment von Patrioten gestoppt werden konnten.
Und wie es sich für eine zünftige linke Demo gehört gab es dabei verletzte Polizisten und judenfeindliche Parolen. Haben sich die Linken in SPD und Grünen eigentlich schon von dieser linken Gewalt distanziert?

Julie Krefeld
10 Monate her

Proteste gegen „Rechts“
Tränen vor Lachen. Menschen die für höhere Energiepreise und Mieten demonstrieren und für jedemenge Judenhasser die von Steuergeld alimentiert werden, für niedrige Renten , Geschenke an andere Staaten und 100teMrd für den Schutz von etwas das „Klima“ genannt wird und auf das D etwa einen Einfluß von 0,014° hat

HMSMUC
10 Monate her
Antworten an  Julie Krefeld

Denken ist eben doch Glückssache. Wer sind diese Demonstranten? Kinder mit Plakaten, Omas gegen Rechts und all jene, die der Mainstreampresse und den Öffentlichen verfallen sind. Ihre vorgebrachten Argumente kommen denen nicht in den Sinn. Man muss schließlich Haltung zeigen oder Dummheit.

keyser
10 Monate her

Der Deutsche gefällt sich wieder in dem Gedanken sich selbst auslöschen zu wollen. Über eine Million Unterzeichner eines Aufrufs von „Compact e.V.“ wollen ihren Unmut über die Remigrationfantasien einiger Politikstrategen von rechts offizialisieren und unterstützen die Demokratie indem sie schon mal anfangen die Ausschaffung derjenigen vorzubereiten, die diese ihrer Meinung nach gefährden. Über eine Million – das sind mehr Menschen als sich auf „change.org“ bis heute für den Frieden interessiert haben.  Das ist dann allerdings auch nicht weiter von Belang, zumindest dann nicht wenn man die Befürchtungen von Roderich Kiesewetter ernst nimmt, der Putins Angriff in den nächsten 1- 3… Mehr

Sani58
10 Monate her

Entweder bin ich zu alt, oder zu doof, oder beides. Nun, der Artikel kommt mir derart schwülstig und beschwurbelt vor, als ob sich der Autor nicht traut, kurz und prägnant ein Statement, ein Kommentar, eine Meinung oder Bericht abzugeben, in Form von: Das was gegenwärtig passiert mit (gegen) die Bauern, mit (gegen) die Opposition AfD, mit Herrn Höcke, von den Woken, den Regierungsparteien, den NGOs und Kirchen-offiziellen und Etabliertmedien ist unterste Schublade aus Angst um Posten, Einfluss und Einkommen für Nichts. Es hat überhaupt nichts mit Konkurrenzkampf der Meinungen zu tun, es hat nichts mit Demokratie und Mitmenschlichkeit zu tun.… Mehr

Last edited 10 Monate her by Sani58
Alter Schwede2222
10 Monate her

Auf den Punkt Herr Gallina.
„Wenn die Deutschen abstimmen könnten,
besteht die sehr große Wahrscheinlichkeit, dass Höcke nicht der meistgenannte Name sein wird“.
Macht nichts, jede Aktion dieser Dumpfbacken kostet dem Einheitsbrei wieder ein Prozent.