Tichys Einblick
Glosse

Häuptling Habeck aus dem Land der gefällten Bäume

Bei seiner Reise nach Brasilien wusste der Wirtschaftsminister den Einheimischen erstaunliches zu erzählen. Also praktisch nichts neues – das tut er zuhause ja auch

IMAGO/Chris Emil Janßen

„Ich was not yet in brasilien/nach brasilien wuld ich laik du go“, dichtete einst Ernst Jandl in „Calypso“. Auf ihrer Reise nach Brasilien benutzten die beiden deutschen Polittouristen Cem Özdemir und Robert Habeck auch eine ganz eigene Sprache, um sich gegenüber den Amazonasbewohnern verständlich zu machen.

„Ich bin Robert, das ist Cem und wir sind Minister in der deutschen Regierung – das ist so etwas wie euer Häuptling, aber in einem anderen Land“, stellte Habeck sich und seinen Parteifreund vor – so jedenfalls gibt es der mitgereiste Welt-Reporter wieder.

Zwar kann man nach dessen Bericht im Dorf der Amazonasbewohner Andenken per Kreditkarte kaufen, und vermutlich gibt es auch irgendwo Fernseher. Trotzdem gingen die beiden Besucher vorsichtshalber davon aus, dass die Leute im Wald nur eine ähnlich vage Ahnung von Europa und Deutschland besitzen wie Robert Habeck vom Insolvenzrecht.

Erstaunlicherweise führte die Selbstdefinition des Duos als Häuptlinge nicht zu Erregungswellen unter den Grünen, ganz anders als bei der Berliner Kollegin Betttina Jarasch, die es für ihr Bekenntnis, sie habe als Kind davon geträumt, Indianerhäuptling zu werden, in ihrer Partei fast aus der Kurve getragen hatte. Auch die rote Willkommensbemalung in den Gesichtern von Robert und Cem galt dieses eine Mal offenbar nicht als kulturelle Aneignung.

Viel beachtlicher wirkt allerdings, welche Mär aus fernem Deutschland mit Habeck an den Amazonasstrand kam. „Für uns ist das sehr spannend zu verstehen, wie ihr im Wald leben könnt und den Wald schützen könnt, weil in Deutschland vor tausend Jahren die Deutschen alle Bäume gefällt haben“, so der Wirtschaftsminister laut Welt-Report.

„Also, unser Wald ist mehr oder weniger weg.“ Die Amazonasbewohner, meinte er, sollten es „besser machen“.

Weg wäre der Wald ja nach Habeckscher Lehre sowieso nicht, er hätte nur aufgehört, aus Bäumen zu bestehen. Aber schon rein faktisch besteht das Gebiet Deutschlands zu gut 30 Prozent aus Waldfläche. Möglicherweise hatte Robert Habeck aber gar nicht 1000 Jahre zurück- sondern nur einige Jahre vorgegriffen.

Nach seinem Willen und dem Beschluss der Koalition sollen die Bundesländer insgesamt zwei Prozent der Landesfläche für den Windradausbau zur Verfügung stellen. Das wären 7141 Quadratkilometer, ein Gebiet mehr als dreimal so groß wie Luxemburg. Nun werden viele einwenden: Luxemburg ist ziemlich klein, selbst in dreifacher Ausführung. Allerdings fallen Siedlungs- , Verkehrs- und Industrieflächen für die Windkraftplanung weg, und zu Hochspannungsleitungen, Flughäfen und Straßen müssen die Räder auch einen Sicherheitsabstand halten. Da Berliner irgendetwas dagegen haben, den Grunewald und das Tempelhofer Feld mit Rotoren zu bepflanzen, und irgendwo im Land auch noch Lebensmittel angebaut werden sollen, bleibt als Standort für die „Freiheitsenergien“ (C. Lindner, nicht in Brasilien dabei) eigentlich nur noch Waldfläche. Die Energiewende kommt also mit der Kettensäge: allein für die geplanten 18 Großwindräder im Reinhardswald – dem Märchenwald der Gebrüder Grimm – sollen etwa 5000 Bäume fallen.

Hätten die Salier und andere Herrscher das Gebiet der heutigen Bundesrepublik tatsächlich schon vor tausend Jahren freigeräumt, müssten heute nicht so viele Horstbäume der Milane für das Klima verschwinden.

Hier aber schließt sich der Kreis: während daheim mit staatlicher Förderung Wälder zu Windfeldern werden, bleibt Habeck kaum etwas anderes übrig, als Amazonasindianer zu ermahnen, mit ihrem Forst pfleglich umzugehen. Auch dafür gibt es Geld aus Berlin.

Genau das verbirgt sich ja hinter dem Satz: Global denken, lokal jandeln. Respektive handeln.

Vermutlich kann die Ermahnung an die brasilianischen Einheimischen, ihren Wald zu schützen, außerdem gleich als CO2-Kompensation für den Flug von Robert und Cem angerechnet werden.

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