Die Grünen entdecken ihr neues Thema: Kriegseuphorie

Sowohl Wirtschaftsminister Robert Habeck als auch Außenministerin Annalena Baerbock stimmen Töne zum Ukrainekrieg an, die bedenkliche Assoziationen wecken. Sind die Grünen die eigentlichen Erben des historischen Wilhelminismus?

IMAGO / Chris Emil Janßen

Ist Deutschland im Krieg? Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte unlängst davor gewarnt, dass die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Territorium als Kriegsbeteiligung gewertet werden könnte. Die Ampel-Regierung reagierte sofort. Nein, die Bundesregierung sehe das nicht als Kriegsbeteiligung. Dennoch war der Fall eine stimmungspolitische Temperaturmessung.

Denn obwohl Deutschland nicht offiziell im Krieg ist, ist doch die Stimmung in den Medien und auch in Teilen der Bevölkerung von einer Unterstützungsbereitschaft für die angegriffene Ukraine gekennzeichnet, die, würde man sie von Worten in Taten übersetzen, weit über moralische, finanzielle und waffentechnische Hilfe hinausgeht. Während Bundeskanzler Olaf Scholz nicht zu Unrecht vorgeworfen wird, auf seine Ankündigungen keine Taten folgen zu lassen, wähnen sich andere im euphorischen Übereifer.

Baerbock: Nach Kriegsmüdigkeit vielleicht bald Defaitismus?

Allen voran steht bei dieser merkwürdigen Kriegsbegeisterung ohne Kriegsbeteiligung die Partei der Pazifisten und Wehrdienstverweigerer. Das schon in der Antike bekannte Motto, dass vor allem diejenigen den Krieg verherrlichen, die am weitesten von ihm entfernt sind, bewahrheitet sich bei den Grünen.

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Außenministerin Annalena Baerbock warnte letzte Woche etwa vor der „Kriegsmüdigkeit“ im Westen. Kriegsmüdigkeit ohne Krieg? Die genaue Wortwahl bringt einen ins Stocken: „Wir haben einen Moment der Fatigue erreicht.“ Das erinnert nicht nur vom Vokabular her an den Ersten Weltkrieg. Auch damals führten genau jene Gestalten in einen großen Konflikt, die in den mehr als vierzig Wohlstandsjahren nach 1871 keine militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten in Europa erlebt hatten.

Dass sie damit nicht nur suggeriert, dass sich die westlichen Staaten wenigstens in einem Stellvertreterkrieg befinden, sondern in einem tatsächlichen aktiven Krieg, ist zudem auch für eine Außenministerin eine überraschende Wortwahl – nicht zuletzt, weil gerade Baerbock ja einmal damit angetreten war, Weltpolitik wie Innenpolitik zu behandeln. Was für Rückschlüsse sind nun also für die Innenpolitik zu erwarten? Vielleicht droht uns bald auch die Wiederbelebung des Defaitismus oder gar der Wehrkraftzersetzung?

Habeck: Russland bald am Ende

Noch ein letztes Wort zur Kriegsmüdigkeit: Wie sich der Diskurs in Deutschland verschoben hat, zeigt sich daran, dass ein Bundespräsident noch vor 12 Jahren zurücktrat, weil er anführte, Deutschland müsse seine Interessen notfalls auch militärisch verteidigen. Baerbock dagegen hat diese rote Linie nicht nur deutlich überschritten. Sie wird auch – anders als Horst Köhler – kaum zur Rechenschaft gezogen. Wie so häufig stehen die Grünen wieder einmal „auf der richtigen Seite“ und können Ansagen in die Luft werfen, aus denen man einem konservativen Staatsoberhaupt einen Strick gedreht hätte.

Wenn die einstige Chefdiplomatin nun zur Chefanheizerin avanciert, dann darf sich der interne Konkurrent Robert Habeck natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Der Wirtschaftsminister bemühte in seiner Bundestagsrede ebenfalls farbenfrohes Vokabular, das – je nach Wahl – entweder den legendären irakischen Informationsminister Muhammad as-Sahhaf („Comical Ali“) oder Kaiser Wilhelm II. erfreut hätte.

Ein ehemaliger Leiter der Böll-Stiftung wünscht sich die Auflösung Russlands

Russland werde – so Habeck – bald am Ende sein. „Es kann nicht mehr lange durchhalten“, erklärte er im Bundestag. „Die Zeit arbeitet nicht für Russland, sie arbeitet gegen Russland.“ Die Wirtschaft des Landes breche dramatisch ein. Tag-X-Denken bei den Grünen? Das war doch eigentlich bisher eher das Ding von rechtsextremen Verschwörungstheoretikern, dass der Tag der Abrechnung bald vor der Türe stünde.

Dass auch das Umfeld der Grünen seine sehr persönlichen Fantasien hat, wenn es um Russland geht, zeigt sich am Beispiel von Sergej Sumlenny, der sechs Jahre die Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew leitete. Ginge es nach ihm, dann sollte Russland am besten in 10 bis 20 Einzelstaaten nach dem Ende des Krieges aufgeteilt werden. „Das Motto der Zukunft muss lauten: Nie wieder Russland.“ Das wäre auch für die Russen am besten. Das Antideutschtum exportiert sein geistiges Erbe.

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Kommentare ( 105 )

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105 Comments
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Auswanderer
2 Jahre her

Das Problem in Deutschland ist doch die Parteienlandschaft. Die SPD hat fertig und das Personal ist doch voll daneben! Die FDP wird nur hin und her geschubst und wird nur für die letzten Prozente zu einer Koalition benötigt. Wenn die Koalition kaputt geht ist dann auch immer die FDP schuld. Die Union wurde von Madame M. sagen wir mal enthauptet und Merz braucht wohl noch etwas das wieder in Ordnung zu bringen. Jedoch hat er noch zu viele Merkel-Eleven in der Organisation. Die AfD ist böse und mit der will man nicht spielen. Die einzigen, die im Augenblick noch fest… Mehr

Der Ketzer
2 Jahre her

Von Diplomatie hat die „Chefdiplomatin“ (nach eigener Auffassung „Welt-Innenministerin“ … oder „WeltInnen-Ministerin“?) wahrscheinlich genau so viel Ahnung, wie vom Völkerrecht …

Last edited 2 Jahre her by Der Ketzer
Paul Brusselmans
2 Jahre her

Was der vegetarische Gefreite nicht schaffte, führt ein deutsches Mädel fort! Trampolinsprung nach Agadir eh Moskau…Windkraft durch Freude!

Last edited 2 Jahre her by Paul Brusselmans
ralf12
2 Jahre her

Der deutsche, EU und NATO Kadarvergehorsam gegenüber den USA ist für mich nicht nachvollziehbar. Was passiert hier? Russland hat die Ukraine angegriffen. In der Ukraine zündeln spätestens seit 2014 die USA mit allen erdenklichen Mitteln. Ob jetzt der russische Angriff völkerrechtswiedrig ist, oder eine durchaus erlaubte Unterstützung der beiden Donbas Republicken, das mögen „richtige“ Völkerrechtler entscheiden, ich kann es nicht. Es ist an dieser Stelle auch egal. Fakt ist: Dieser Krieg ist nicht unser Krieg. Wenn die USA dort zündeln, dann sollen sie das auch alleine bezahlen. Wir befinden uns mit Russland nicht im Krieg (auch kein NATO Staat wurde… Mehr

reiner
2 Jahre her
Antworten an  ralf12

wir sind angeblich genau so wenig im krieg,wie die amis im 2 weltkrieg,als zerstörer die englischen handelsschiffe begleiteten.(angebliche neutralitätspatroille) der fall des zerstörers reuben james ,würde mir zu denken geben.

Helmuth Herterich
2 Jahre her
Antworten an  ralf12

Sie haben völlig Recht. Was geht uns die Ukraine an. Zwischen Russland und der Ukraine spielt sich ein Grenz-Konflikt ab. Ähnlich wie der Deutsch-Dänische Krieg 1864. Natürlich eine schlimme Sache. Aber ich habe keine Lust wegen eines „shit-hole“ (Man verzeihe mir den Trump’schen Ausdruck) zu frieren. Wenn sich mein übernächster Nachbar mit dem über-über-nächsten prügelt, mische ich mich doch auch nicht ein. Vor allem, wenn der eine von den beiden mir das Gas abstellen kann. Ich (Jahrgang 46) habe noch die Onkel in Erinnerung, die ohne Arm oder Bein aus Stalingrad zurückgekommen sind. Offensichtlich die jetzige Generation nicht mehr! Und… Mehr

ralf12
2 Jahre her
Antworten an  Helmuth Herterich

„Ich (Jahrgang 46) habe noch die Onkel in Erinnerung, die ohne Arm oder Bein aus Stalingrad zurückgekommen sind. Offensichtlich die jetzige Generation nicht mehr! Und üben sich in Bellizismus.“ Genau das ist das Problem. Selbst habe ich Anfang der 80`er Jahre als Soldat der NVA in einem Schützenpanzer (Aufklärungsfahrzeug gegen ABC Waffen) gesessen. Das ist in Friedenszeiten ganz lustig, wie geländegänig der war, kam überall durch und konnte sogar schwimmen. Im „Ernstfall“ (das war der ofizielle Begriff für den Krieg) hätte das Teil mich vor Granatsplitter und normaler Gewehrmunition geschützt. Bei Panzerbrandmunition und spätestens bei einer Panzerbüchse sah die Welt… Mehr

R.Baehr
2 Jahre her

wer gestern die Rede von der Baerbock im BT gehört hat, weiss, das die zusammen mit Habeck mit Deutschland nichts anfangen kann und so sehen auch denen ihre Absichtserklärungen aus. Hoffnungslos, und jedes weitere Wort überflüssig, solange solche Totalversager in entscheidenden Ämter in diesem Land sitzen.

Inana
2 Jahre her

Diese Gedankenspiele sind im ganzen Anti-Russland-Lager ziemlich verbreitet. Darum sind unsre Grünen ja so problematisch – Baerbock plappert von „Sieg“ und ich weiß, ob ihr überhaupt klar ist, was einige damit meinen.

Inana
2 Jahre her

Die Grünen sind die geistesgeschichtlichen Erben des Wilhelminismus und zwar erstaunlich genau. Es ist der politische Protestantismus über den wir da eigentlich sprechen und der enthält immer auch den „guten Krieg“. Und was das.gefährlich macht ist gar nicht mal unbedingt Waffenlieferungen oder die Position, sondern eben auch die Heils-Erwartungen die in Krieg projiziert werden. Das „reinigende Stahlgewitter“ – und das ist hier eben fast offensichtlich – weil Russland ja auch noch eine Chiffre ist für fossile Brennstoffe und die schwankende Haltung Schröder etc. zur NATO. Und Trump/Brexit/AfD und „Populismus“ projiziert wird. Das ist also eine fast perfekte Geschichte. Wobei übrigens… Mehr

GefanzerterAloholiker
2 Jahre her
Antworten an  Inana

Gegenmittel? Deutscher Exportüberschuss im April 2022: +3,6 Mrd. . Das entspricht etwa 15% des üblichen Niveaus. Oder kürzer, das ist das Ende.

alter weisser Mann
2 Jahre her

Die Kinder der Baerbock sind jung genug, die Politik ihrer Mutter in Wehr und Waffen umzusetzen.

Deutscher
2 Jahre her

Russland werde – so Habeck – bald am Ende sein“.

LOL

Russland war weder gegen Napoleon oder Kaiser Wilhelm noch gegen Hitler jemals am Ende! Der Sozialismus / Kommunismus aber schaffte, was denen nicht gelang: Dieses große Land zu ruinieren!

Last edited 2 Jahre her by Deutscher
Turboseal
2 Jahre her

Für die Grünen ist dieser Krieg die Gelegenheit, das durch ihre Politik verursachte Desaster in der Versorgung mit Energie und Lebensmitteln auf die Russen abzuwälzen. Die Medien werden das mit der richtigen „Einordnung“ schon besorgen, wenn „the shit hits the fan“. Die Herrschaften wissen: Ein zu schnelles Ende des Krieges – wie auch immer – und es kommt hier politisch und ökonomisch zum Offenbarungseid.