Vorsicht, Verwechslungsgefahr!

Dass man CDU und SPD nicht mehr voneinander unterscheiden kann, ist eine altbekannte Leier. Dass aber auch die Parteien selbst nicht mehr unterscheiden können, ist neu. Bei der SPD tut man sich mit Monaten und Jahren schwer – und die CDU verwechselt den Reichstag mit dem Präsidentenpalast in Tiflis.

Niemand liest Wahlprogramme. Nicht einmal die Parteimitglieder. Seit Neuestem weiß man auch: Wahlprogramme lesen nicht einmal die, die sie geschrieben haben. Dass Sozialisten nichts von Geld und Zahlen verstünden, ist zwar ein lang gehegtes Vorurteil; andererseits scheint man bei den Genossen nunmehr auch nicht mehr Monate von Jahren unterscheiden zu können.

So könnte man das zusammenfassen, was nach eigener Aussage der Hessen-SPD passiert ist. Gestern sorgte auch bei TE die Nachricht für Wirbel: Die SPD fordert im Landtagswahlkampf, dass „alle Menschen, die länger als sechs Monate in hessischen Kommunen leben, ein kommunales Wahlrecht erhalten“. Und auf Nachfrage der Bild-Zeitung erklärt sogar ein SPD-Sprecher, dass die potenziellen Neuwähler einen Aufenthaltstitel brauchen.

Offenbar wusste selbst dieser Sprecher nicht, was die Parteiführung am Abend aufklärte. Bei dem Passus, der in etablierten wie sozialen Medien für Empörung gesorgt hatte, handele es sich schlicht um einen „redaktionellen Fehler“. Das überrascht nicht nur deswegen, weil einige Vertreter der Partei die Stelle für bare Münze genommen haben. Gibt es niemanden, der mal bei der alten Tante SPD mal drüberliest? Gegenliest? Überhaupt: liest?

Böse Zungen würden an dieser Stelle natürlich giften, dass die SPD sich so einfach aus der Affäre zieht. Das erscheint glaubwürdig, unterschätzt aber das Peinlichkeitspotenzial der Roten. Wer Helge Lindh für einen aussichtsreichen Kandidaten hält, der glaubt auch, dass es weniger peinlich sei, Fehler im eigenen Wahlprogramm zuzugeben, als sich für das Turbo-Wahlrecht von Asylbewerbern einzusetzen. Im Zweifel zürnen bereits die Grünen, weil sie sich überrumpelt sahen und intern schon am Wahlrecht nach 3 Monaten bastelten. Glück gehabt, dass sich das noch rechtzeitig aufgeklärt hat.

Neues CDU-Logo:
Eingemauert zwischen den Grünen und der AfD?
Verwechslungen können passieren – gutes Stichwort. Denn auch die andere Ex-Volkspartei namens CDU bastelt fröhlich an ihrer eigenen Lächerlichkeit. Bekanntlich arbeiten die Christdemokraten an einem neuen Image. Das hat die Partei freilich nötig, da selbst Kindergartenkinder den verwunderten Parteigranden mittlerweile erzählen, dass die Geschichte von „Mutti“ auserzählt ist.

Da man sich aber von Merkel immer noch nicht inhaltlich distanzieren mag, versucht man zumindest oberflächlich einen Bruch. Die CDU nutzt dabei die bekannte Methode, die sie auch anwendet, wenn sie in der Regierung sitzt: Im Zweifel löst Geld alle Probleme. Statt Aufarbeitung: neues Logo, neue Farben, neuer Trailer. Vielleicht hat man auch einfach verstanden, was für gravierende Fehler passieren können, wenn man am Parteiprogramm rumfummelt. Siehe SPD.

Im Nachhinein muss man sagen: Hätte die CDU es doch besser mal mit Inhalten probiert. In dem Video gibt es natürlich vieles, was man mit Deutschland und der Union verbindet: Adenauer, Wirtschaftswunder, Kohl, Deutschlandfahne, Mobilität, lächelndes Mädchen, der Parlamentspalast im georgischen Tiflis … hoppla. Wer auch immer das Video in aller Schnelle zusammengekleistert hat, hat sich wohl an der falschen Bilddatenbank bedient. Großes Haus, Parlament, Glaskuppel – eine verführerische Kombination!

Das ist der Nachteil bei Trailern. Anders als Programme dauern sie nur kurz. Und für den Spott im Netz ist sofort gesorgt. Die Deutschlandpartei CDU weiß nicht, wie der Reichstag ausschaut. Das alles unter dem Label: „Unser starkes Zeichen“. Peinlicher als der Vorfall war dann nur noch der betont souverän unsouveräne Umgang mit dem Fehler, den man wegironisieren wollte. Nun denn. Wenn es schon keine Volksparteien mehr gibt, zur Volksbelustigung langt es vielleicht noch.

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Kommentare ( 33 )

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luxlimbus
1 Jahr her

Wer kann sich so etwas ausdenken?!

Was kommt als nächstes? Ein Unionssprecher ruft Germanistan zur jüngsten Provinz Erdogans aus? An ihren Taten sollt ihr Sie erkennen!

Prof. Higgins
1 Jahr her

Immer wenn man glaubt, das Niveau „unserer“ Politiker könne nicht mehr weiter sinken, wird man eines besseren belehrt. Und so fragt man sich seit Jahren schon: Gibts beim Niveau eigentlich so etwas wie einen absoluten Nullpunkt oder ist die Skala eine Art Richterskala, nach unten offen? Da kennt man nicht nur den Reichstag nicht, da sind 6 Monate ein angeblich redaktioneller Fehler und es gibt Länder, die 100.000sende km entfernt liegen. Die Liste kann vermutlich bis St. Nimmerlein fortgesetzt werden.

Last edited 1 Jahr her by Prof. Higgins
Ralf Schierhold
1 Jahr her

Hallo Marco Gallina,
es gibt zwar keine Volksparteien mit dem Namen „SPD“ und „CDU“ mehr, aber das es keine Volksparteien mehr gibt ist jawohl untertrieben, ich denke in dem Fall an die „AFD“, die in vielen Umfragen stärkste Kraft ist!

Donald G
1 Jahr her

Ohjee, dass der CDU sowas passiert. Unverständlich. Abgesehen davon, dass seit Merkel Deutschlandfahnen verpönt und weggeschmissen gehören, kann man den Reichstag doch ohne weiteres von anderen Parlamenten unterscheiden. Da steht doch auf Deutsch der Spruch. „DENEN, DIE SCHON LÄNGER HIER SIND“ drauf, oder so ähnlich.

Cimice
1 Jahr her

Auch der neuen CDU-Farbe Türkis sollte man Beachtung schenken. „Türkis bezeichnet einen nicht einheitlich definierten Farbton, der zwischen Grün und Blau liegend empfunden wird.“ (Wikipedia). Und: „2017 wurde Türkis (neben Schwarz) als Kennfarbe der Österreichischen Volkspartei adoptiert.“

Cimice
1 Jahr her

Kiesinger war NSDAP-Mitglied ab 1933 und fungierte als Blockwart. Er hätte niemals Bundeskanzler werden dürfen.

Ohanse
1 Jahr her
Antworten an  Cimice

Frei gewählt von frei gewählten Abgeordneten. Das heilt alle Mängel.

Gabriele Kremmel
1 Jahr her

Wer staatstragende Kuppeln in der Darstellung der eigenen Corporate Identity verwechselt, der verwechselt sicherlich auch so manches andere, folgenschwerere. Wegen dieser Schlampigkeit im Umgang mit Wesentlichem kann man der CDU Zuverlässigkeit und Stringenz bzgl. Wahlversprechen und Kurskorrekturen auch nicht mehr zutrauen.

Immerhin liegt der Fehler nicht nur bei demjenigen, der die Bildauswahl getroffen hat. Es haben ja sicherlich viele das Ergebnis zu sehen bekommen und nicht bemerkt, was da nicht stimmt. Oder es war ihnen egal, weil es nur noch auf die Narrative (hier: Kuppel) und nicht mehr auf die Inhalte und Bedeutung ankommt.

Cimice
1 Jahr her

Aber was ist diese Verwechslung schon verglichen mit Baerbocks neuestem „Versprecher“ vom „Russlandkrieg“. Als nächstes plappert sie wohl noch vom „Russland Feldzug“?

Cimice
1 Jahr her

Statt Reichstag also die Käseglocke. Das hat was. Allerdings könnte man auch eine Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole dahinter vermuten, strafbar nach § 90a StGB. Lustig ist das mit der Käseglocke jedenfalls nicht. Wer soll dem Bundestag eigentlich noch Respekt zollen?

Armin Reichert
1 Jahr her

Wer heute noch CDU wählt, ist nicht satisfaktionsfähig.

Walter Knoch
1 Jahr her
Antworten an  Armin Reichert

Verdammt noch mal, mit wem soll sich in diesem Lande etwas ändern. Wenn überhaupt eine Änderung in Zusammenarbeit mit der CDU, der ich nach 25 Jahren meine Parteizugehörigkeit gekündigt haben. Oder machen sich all diese CDU-Verteufeler realistische Hoffnungen auf eine absolute Mehrheit der AfD auf Bundesebene.
Selbst in Thüringen wird diese nie und nimmer kommen.
Piano, meine Damen, meine Herren, piano..

Ohanse
1 Jahr her
Antworten an  Walter Knoch

„Das Undenkbare denken“ – wer hat’s gerade gesagt? Und „nie“ ist ja wirklich ein langer Zeitraum. Aber auch 1000 Jahre sind ja manchmal schneller vorbei, als man hofft.

Walter Knoch
1 Jahr her
Antworten an  Ohanse

Dann warten wir noch ein paar Jahrzehnte. Recht so.
PS: Das es das Unendliche (nie!) nicht gibt, ist Allgemeingut. Nie bezieht sich auch das, was uns Menschen angemessen ist. Und da sind 10. 20 Jahre schon eine ganze Menge. Vielleicht sind wir Weißbrote und Kartoffeln bis dahin in der Minderheit. Für Nachschub ist ja, dank Frau Faeser et alii gesorgt.