Weil er ein falsches Lied spielen ließ: Berlins Bürgermeister muss zurücktreten

Glosse: Kai Wegner steht vor dem Aus. Auf einer Party des CDU-Landesvaters der Bundeshauptstadt wurde ein Lied gespielt, das der woken Szene verhasst ist. Wegners Rücktritt als Regierender Bürgermeister ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Willkommen im real existierenden Berlin.

IMAGO

Monika Herrmann steht rauchend im Hof. Sie dampft nicht nur wegen ihrer Zigarette, sondern auch aus Wut. „Das geht gar nicht“, schimpft die grüne Ex-Bürgermeisterin des berüchtigten Berliner Szene-Bezirks Kreuzberg.

Was ist passiert?

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner von der CDU hatte wieder zum Hoffest ins Rote Rathaus geladen. Das ist die traditionelle Sommerparty für die Schönen und Reichen und Wichtigen in der Hauptstadt – bzw. für die, die sich dafür halten. Im Rathauskeller war eine „Senats-Disco“ zum Tanzen eingerichtet, der Berliner nennt das „Schwoofen“. Gegen zwei Uhr morgens spielt der DJ das Lied „L’amour toujours“ von Gigi d’Agostino.

Und der Skandal nimmt seinen Lauf.

Wir erinnern uns: Zu Pfingsten hatten ein paar heftig betrunkene junge Leute in einem Edel-Club auf Sylt zu d’Agostinos Welthit statt des englischen Originaltextes ein paar selbstgedichtete Zeilen gegrölt – unter anderem „Ausländer raus“. Deutschlands Empörungsindustrie produzierte prompt das, was halt ihr Geschäftsmodell ist: künstliche Empörung eben. Die üblichen Verdächtigen überboten sich mit Forderungen nach härtesten Strafen. Manch einer erwog insgeheim sicherlich die Wiedereinführung der Todesstrafe für die Sylt-Sänger.

Und wie es bei anti-intellektuellem Furor so üblich ist, fielen dem Hexen jagenden Mob auch völlig Unschuldige zum Opfer: namentlich Gigi d’Agostino und sein Lied. Dessen englischer Originaltext handelt nämlich keineswegs von Ausländerhass, sondern einfach nur von Liebe – „L’amour toujours“ eben. Aber mit solchen faktischen Kleinigkeiten kann man sich bei großangelegten Bücherverbrennungen ja nicht aufhalten, und so machten sich die fanatischen Zensoren der grün-linken Puritaner in Deutschland daran, die Aufführung des Songs allüberall zu verhindern.

Das klappte, nun ja, nur so mittelgut.

Künstlerverbände solidarisierten sich mit d’Agostino und kritisierten scharf die Forderungen nach einem Aufführungsverbot. Radiosender, die den Song aus ihrer Playlist verbannt hatten, ruderten nach massiven Hörerprotesten kleinlaut zurück und spielen ihn wieder. D’Agostinos Lied stammt schon von 2001 – aber jetzt, knapp ein Vierteljahrhundert später, sprang es plötzlich wieder in die Top Ten der deutschen Charts.

Auch der DJ auf dem Hoffest von Kai Wegner zeigte Haltung, spielte „L’amour toujours“ und sagte dazu: „Das ist ein guter Song, den lasse ich mir von Nazis nicht kaputtmachen.“

Vermutlich wusste der gute Mann nicht, was er damit anrichtet. Denn sich auf die Meinungs-, Rede- und Kunstfreiheit zu berufen, ist in Berlin enorm gefährlich – (noch) nicht für Leib und Leben, aber ganz sicher für Beruf und Karriere. Der DJ hat Kai Wegner jetzt eine Affäre um den Hals gehängt, die den Regierenden Bürgermeister tatsächlich den Kopf kosten könnte – anders als all die anderen Fehlleistungen des Berliner Senats-Chefs.

Wie die meisten Ministerpräsidenten der Union, so würde auch Kai Wegner durch jede Führerscheinprüfung fallen: Vor den Wahlen blinkt er eindeutig rechts, nach den Wahlen biegt er dann aber scharf links ab. Schlimmer als sein aktueller CDU-SPD-Senat hatten Sozialdemokraten, Grüne und Linke vorher miteinander auch nicht gewütet.

Auch handwerklich ist der 51-Jährige ein ausgemachter Leichtmatrose. Vollmundig hatte er einst versprochen, dass mit ihm als Regierendem Bürgermeister alle Berliner spätestens binnen 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt bekommen würden. Derzeit dauert das so um die drei Monate – mindestens, in Einzelfällen auch schon mal länger. Kein Scherz.

Sein Versprechen hat Wegner kürzlich zurückgenommen: Er bekommt die nötigen Änderungen in der Stadtverwaltung einfach nicht hin. Aber er hat Erfahrung darin, miese Produkte erst schönzureden und dann den Leuten unterzujubeln. Der gelernte Versicherungskaufmann hat früher mal – genau: Versicherungen vertickt. Das ist bekanntlich ein nur mäßig seriöses Geschäft. Nicht ganz so schlimm wie Journalismus oder Gebrauchtwagenhandel, aber fast.

Um vom eigenen Vollversagen abzulenken, behauptet Wegner nun kurzerhand, schnellere Termine beim Bürgeramt seien den Berlinern „ehrlicherweise gar nicht so wichtig“. Wohl selten hat ein Landesvater so an den Bedürfnissen seiner Bürger vorbei argumentiert. Vielleicht weiß er es aber auch einfach nicht besser: Wegner ist schon seit Ewigkeiten Berufspolitiker. Bürgerämter von innen kennt er nur von den Sektempfängen auf Geburtstagen wichtiger Personalräte.

Überall sonst in Deutschland hätten sich bei solchen Zuständen in der – personell übrigens auch noch durchaus üppig ausgestatten – Verwaltung die vernachlässigten Bürger längst nach passenden Laternenmasten für die politisch Verantwortlichen umgesehen. Aber Berlin ist von Grund auf eine Stadt, die sich nicht für ihre Menschen interessiert. Durchaus folgerichtig interessieren sich die Menschen auch nicht für ihre Stadt, und genau so sieht Berlin ja auch aus.

Deshalb kann Wegner es sich leisten, ein Verhältnis mit Katharina Günther-Wünsch zu haben. Die ist auch in der CDU und sogar Senatorin für Bildung. Und für Familie, weil Gott manchmal einen feinen Sinn für Ironie hat: Die Senatorin ist immer noch verheiratet und hat ein Kind von ihrem Noch-Ehemann, ein weiteres aus einer früheren Beziehung und zusätzlich ein adoptiertes. Wegner selbst ist geschieden und hat mit seiner Ex-Frau ein Kind. Mit seiner Ex-Lebensgefährtin, die davor seine Referentin war, hat er zwei kleine Kinder.

Die intime Beziehung eines Vorstandsvorsitzenden zu einem Vorstandsmitglied ist in jedem anständigen Unternehmen ein schwerer Compliance-Fall und würde zum Rausschmiss der Beteiligten führen. Was Wegner da tut, ist auch weder in der Berliner Verwaltung noch an den Berliner Schulen erlaubt. Aber es handelt sich um den obersten Chef, und der drückt bei sich selbst halt mal ein Auge zu. Oder auch beide.

All dies konnte Wegner bisher nicht in Bedrängnis bringen. Doch die Disco-Affäre ist nun geeignet, die Karriere des CDU-Mannes abrupt zu beenden. Schon schwärmen seine Büchsenspanner aus und versuchen, den Schaden zu begrenzen. „Kai kann nichts dafür, der war schon weg“, lässt sich eine dem Regierenden Bürgermeister Wohlgesonnene zitieren.

Das wird nicht viel helfen. Man wirft Wegner ja nicht vor, das Lied eigenhändig aufgelegt zu haben. Doch wie soll jemand, der einen kleinen DJ nicht im woken Griff hat, die große Hauptstadt in den Griff bekommen? Wählertäuschung, fehlende Termine beim Bürgeramt, Liebesaffären erst mit untergebenen Mitarbeiterinnen und dann mit anderen Senatsmitgliedern – das können Medien und politische Klasse hier verzeihen. Aber „L’amour toujours“ nachts auf einem Hoffest: Das, wie die Grüne Herrmann so schön sagt, „geht gar nicht“.

Dit is‘ Berlin.

Screenprint: Tagesspiegel

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 25 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

25 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Guzzi_Cali_2
10 Tage her

Man muß intellektuell schon eher „minderausgestattet“ sein, um sich überhaupt als Bürgermeister des „Kalkutta an der Spree“ aufstellen zu lassen. Das ist ein bißchen wie wenn man einen völlig abgerockten Mercedes mit gebrochenen Federn, jaulendem Motor, voller Rostlöcher und Wasser im Fußraum kauft – fährt IRGENDWIE, aber es ist ja ein Stern vornedrauf. Anstatt zu sagen: Danke nein, aber bei dem Schrotthaufen müßt Ihr selber zusehen, wie Ihr denn wieder flott kriegt, fühlt man sich wie King Käs.

HansKarl70
10 Tage her

Ob der zurücktritt oder nicht, da ist kein Unterschied außer das es viel Geld kostet.

Del. Delos
10 Tage her

Es gibt in Wahrheit absolut NICHTS, das einen der „Politiker“ der Blockparteien zum Rücktritt bringen würde. Alles wird ausgesessen, man vertraut da auf Kohls und Merkels Erfahrungen und vor allem vertraut man der Presse, die schon dafür sorgt, dass das Wichtigste in der Schublade oder auf Seite 23 verschwindet und nur noch Mumpitz geschrieben wird.
Natürlich geschieht das alles nur, um die Bürger zu schonen… wir haben ja inzwischen gelernt, dass allzuviele Informationen uns nur beunruhigen würden.

DDRforever
11 Tage her

Tja der Herr Wegner, nur zu gut kenne ich Ihn. Jeder in der Berliner CDU weiss um seinen Wendehals genau. Da ist er ein exaktes Ebenbild des Herrn Czja. Als erzkonservativer Hoffnungsträger begonnen und als wokester aller Woken geendet. Da fallen seine diversen Liebschaften überhaupt nicht ins Gewicht. Ich vermute er ist inzwischen auch vegan und gendert ganz lieb. Eine Stadt die solch politisches Personal hervorbringt ist sicher dem Untergang geweiht.

November Man
11 Tage her

Das sind doch keine gestandenen Politiker, das ist doch nur noch Kindergarten.

H. Priess
11 Tage her

Als ich das erste Mal über die Story las mußte ich seit langem richtig lachen!! Was geht in diesen wirren Köpfen vor!!!! Ein Lied über Liebe dazu in einer fremden Sprache dazu „gedichtet“ Döp, dödö, Döp = Nazi=Empörung!! Was für eine verkorkste Fantasie müssen die Leute haben und vor allem, welche Drogen nehmen die!!! Typisches Reiz Musterverhalten, egal ob ein Bild, ein Wort, ein Lied oder anderes was ins Reizschema paßt kommt ohne die Ratio im Hirn einzuschalten die reflexartige Reaktion. Dazu hat Hadmud Danisch heute einen sehr interessanten Blog geschrieben der einiges, in Bezug auf die Hirntätigkeit der Linksgrünrotwoken,… Mehr

CIVIS
11 Tage her

Mal abgesehen von dieser Schwachsinnsposse. Ich fände es „total gut“ wenn dieser eitle sog. Regierende -wie es Bärbel Bas einst bei den Barden auf Sylt forderte- die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommt.

P.S.: Wobei ich schon damals nicht wusste und bis heute nicht weiß, was für ein Gesetz das sein sollte, zumal doch nachweislich keine Straftatbestände erfüllt waren. Aber egal, …auch dem Kai gönne ich von Herzen die ganze“ Härte des Gesetzes“, welches auch immer.

Last edited 11 Tage her by CIVIS
Westfale
11 Tage her

Berlin

„Als der DJ „L‘amour toujours“ spielt, verlassen mehrere Gäste unter Protest die Senatsdisco

Der DJ reagierte laut der Zeitung mit folgenden Worten: „Das ist ein guter Song, den lasse ich mir von Nazis nicht kaputtmachen.“ Die Tanzfläche soll danach leer geblieben sein.“
[Welt]

Es kann nur eines geben:

Der DJ erhält alles was unsere bundesdeutsche vegane Bananenrepublik noch zu vergeben hat:

Bis hin zum Windkraftkreuz mit Seepferdchen-Bommel!

Will ich adipöse Weltenretter auf der Tanzfläche sehen?
Nein!

Danke DJ!

Freedomofspeech
11 Tage her

Sind sie nicht total lächerlich, diese empörten Festgäste am Hofe des Roten Rathauses? Aber zum Glück durften sie vor Ausbruch der Empörung noch fein auf Kosten des Steuerzahlers das Buffet leer räumen und anregende Getränke zu sich nehmen. Was rauchte Monika Herrmann denn?

Ludwig von Gerlach
11 Tage her

Wenn der DJ das Horst-Wessel-Lied aufgelegt hätte, wäre die Aufregung am Platze. Aber so? Nehmen wir an, die Sylter hätten zur Haydnschen Melodie der Nationalhymne einen unwoken Text gegrölt. Prompt hätten Olaf und Frank Walter in einem Briefwechsel den Narrhalla-Marsch anstelle der dritten Strophe des Deutschlandlieds von Fallersleben zur Hymne erhoben. Und das hätte was: nach Einigkeit und Recht und Freiheit (für die Bürger) streben die hiesigen Politiker ohnehin nicht mehr. Wenn deshalb bei offiziellen Anlässen vor ihren Reden der Narrhalla-Marsch vom Heeresmusikkorps gespielt würde, wäre das der Situation weit angemessener. Gleiches gilt für Spiele unserer mundzuhaltenden woken „die Mannschaft“.