Eine „Privatisierungsbremse“ in der Verfassung fordert ein führender Berliner Sozialdemokrat. Der Vorschlag ist der Hilferuf eines Berufspolitikers mit Zukunftsängsten. Das versteht man besser, wenn man weiß, wie in der Hauptstadt die Versorgung von Abgeordneten nach deren Abwahl organisiert ist.
Berlin ist eine lustige Stadt. Gut, es gibt Müllberge, verwahrloste Plätze, staatlich geduldete Drogengroßmärkte in öffentlichen Parkanlagen und regelmäßige Gewaltausbrüche von muslimischen Jungmännern in den Freibädern. Dafür gibt es aber keine Termine bei den Bürgerämtern. Und keine Wohnungen. Und Parkplätze sowieso nicht.
Lustig ist Berlin vor allem, weil es von Clowns regiert wird. Das gilt parteiübergreifend. Der derzeitige Regierende Bürgermeister, Kai Wegner von der CDU, würde zum Beispiel durch jede Führerscheinprüfung fallen: weil er vor den Wahlen konsequent rechts blinkt und nach den Wahlen dann scharf links abbiegt.
Wegners Vorgänger von der SPD hatten auch Humor. Einer hieß Klaus Wowereit und ließ sich dabei fotografieren, wie er auf einer Party Champagner aus einem Damenschuh schlürfte. Ansonsten war er zehn Jahre lang damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass der Hauptstadtflughafen nicht zu Ende gebaut wurde. Eine andere hieß Franziska Giffey und fand es witzig, ihre Dissertation weitgehend bei anderen abzuschreiben. Dafür wurde ihr der Doktortitel aberkannt, und sie fuhr das damals historisch schlechteste Wahlergebnis für die Sozialdemokraten ein. Zur Strafe wählte eine rot-rot-grüne Mehrheit im Abgeordnetenhaus sie dann zur Regierenden Bürgermeisterin.
Berlin ist eben eine lustige Stadt.
Einen ordentlichen hauptstädtischen Lacher hat nun Raed Saleh gelandet. Der Mann wurde im Westjordanland geboren und kam dann nach Berlin, wo er ein Studium begann und zügig wieder abbrach – die beinahe schon archetypische Biografie eines sozialdemokratischen Politikers unserer Tage also.
Tatsächlich ist Saleh Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus (so heißt das Berliner Landesparlament). Im Interview mit einer Lokalzeitung hat der 47-Jährige jetzt eine dauerhafte Einschränkung des Verkaufs von öffentlichen Beteiligungen gefordert:
„Ich bin für eine Privatisierungsbremse in der Landesverfassung. Damit könnten Verkäufe nur noch mit einer positiven Volksabstimmung oder einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments getätigt werden. Die Hürde muss hoch sein, damit kommende Politikergenerationen das Hab und Gut der Berlinerinnen und Berliner nicht bei Rotwein und Kalbsleber an Lobbyisten verscherbeln.“
Saleh ist bekennender Muslim, das erklärt vielleicht seine kritische Haltung zu Rotwein. Und viele Menschen mögen ja keine Kalbsleber, sei’s drum. Seine Skepsis gegenüber Veräußerungen von Staatseigentum dürfte allerdings weniger von kulinarischen Bedenken getragen sein. Auch die Abneigung gegen Lobbyisten ist nicht so recht plausibel: Immerhin haben recht viele ehemalige Spitzengenossen nach ihrem – meist von parteiinternen Intrigen verursachten – Ausscheiden aus der Politik diesen Beruf ergriffen, vor allem in der notorisch seriösen Berliner Bau- und Immobilienbranche.
Wahrscheinlicher ist, dass Saleh vorbeugt. Mit ihm als Fraktionsvorsitzenden holte die Berliner SPD mittlerweile drei (!) Negativ-Wahlrekorde in Folge: Von 28,3 Prozent im Jahre 2011 stürzte sie auf zuletzt gerade noch 18,4 Prozent im vergangenen Jahr.
Da sind viele Politikerkarrieren den Bach runtergegangen.
Und mit Lebensläufen wie dem von Saleh können die nicht durch Zauber-, aber durch Wählerhand plötzlichen mandatslosen Abgeordneten auch nur schwer bis gar nicht einer volkswirtschaftlich sinnvollen Anschlussverwendung in der echten Wertschöpfung zugeführt werden.
Für diese wachsende Zielgruppe hat die Berliner Politik schon vor vielen Jahren die sogenannten Landesbeteiligungen erfunden. Das sind Unternehmen, die ganz oder zumindest teilweise dem Land Berlin gehören. Und es sind ganz schön viele: Mittlerweile ist die Bundeshauptstadt an 58 Gesellschaften oder bedeutenden Anstalten des öffentlichen Rechts direkt beteiligt. Dazu kommen mehr als 200 Tochterunternehmen.
Seit jeher war der Clou, dass die jeweilige Landesregierung als Miteigentümer dafür gesorgt hat, dass verdiente, aber aussortierte Alt-Politiker auf einem der zahllosen Posten und Pöstchen bei einem der zahllosen landeseigenen Unternehmen weich landeten.
Bei dem Spiel wurden alle Parteien bedacht, deshalb hat auch keine so richtig aufbegehrt.
Aber nun gibt es ja diese AfD und auch dieses „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW). Das sind Außenseiter, noch jedenfalls. Sie profitieren nicht von dem Spiel, deshalb halten sie auch nicht still und den Mund. Und weil Berlin sehr, sehr pleite ist, mehren sich die Rufe, doch mindestens ein paar der Landesbeteiligungen zu verkaufen.
Das allerdings wäre ein schwerer Schlag für das eben beschriebene Modell der politischen Altersversorgung verdienter Parteisoldaten. Bisher war die SPD selbst deshalb die größte Privatisierungsbremse. Aber Raed Saleh treibt möglicherweise die nicht ganz von der Hand zu weisende Sorge um, er und seine Mitgenossen könnten die Partei in absehbarer Zeit in der Wählergunst noch weiter herunterrocken, sodass die SPD dann weder ihren eigenen Niedergang bremsen kann noch sonst irgendetwas.
Also ran an die Landesverfassung. Denn sonst könnten künftige Mehrheiten im Abgeordnetenhaus womöglich wirklich Landesbeteiligungen verkaufen, und Alt-Politiker vor allem der SPD wären dazu gezwungen, sich eine – horribile dictu – echte Arbeit zu suchen. Das muss natürlich mit allen Mitteln verhindert werden.
Interessant ist, was Raed Saleh als „Hab und Gut“ der Bürger bezeichnet. Die Berliner selbst dürften da weit eher an ihr sauer verdientes Arbeitseinkommen denken als an Landesunternehmen, die meist so ineffizient sind, dass sie mehr Geld verbrennen als verdienen.
Interessant ist auch, dass Saleh solches Misstrauen gegenüber „künftigen Politikergenerationen“ hat. Die meisten Wähler dürften wesentlich mehr Angst vor der jetzigen Politikergeneration haben. Denn die hat – im Gegensatz zu irgendwelchen Menschen der Zukunft – schon jetzt nachgewiesen, dass sie zum eigenen Vorteil im Zweifel alles verscherbelt, was nicht niet- und nagelfest ist.
Berlin ist eine lustige Stadt.
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