Die Krise, in der sich Deutschland befindet, ist eine mehrfache, die über energiepolitische und wirtschaftliche Aspekte hinausgeht. Sie ist hausgemacht und wird das Land noch Jahre beschäftigen. Verantwortlich ist dafür auch der eigene Saft, in dem die intellektuelle Elite seit Jahrzehnten schmort.
Dieser Artikel ist eine Ausnahme. Denn er wird mit einer Anekdote beginnen. Sie spielt im Jahr 2011. Ein Geschichtsstudent besucht damals ein Seminar der Politikwissenschaft. Der Titel ist nicht mehr überliefert. Von Bedeutung ist, dass es bei der ersten Sitzung darum geht, dass die Welt konfliktärmer wird, umso mehr Demokratien es gibt. Demokratien führten bekanntlich untereinander keinen Krieg. Die wirtschaftliche Vernetzung trage dazu bei, dass Kriege seltener würden, da zwei wirtschaftlich eng vernetzte Nationen zu große Verluste riskierten, wenn sie gegeneinander zu Felde zögen.
Das Beispiel, das der Dozent damals nennt, ist explizit Taiwan. Die Verquickung der Chipindustrie der Insel und die Wirtschaft des Festlandes würden so aufeinander angewiesen sei, dass man einen Krieg ausschließen könnte. Eine Invasion vonseiten Pekings sei unwahrscheinlich. Als Argument wird außerdem angeführt, dass vor dem Zweiten Weltkrieg vor allem autarke Systeme wie Deutschland, Italien, Japan oder die Sowjetunion bestanden hätten, die demnach freier intervenieren konnten. Das habe sich mit dem Zusammenwachsen der Weltwirtschaft grundsätzlich geändert.
Was in der Sitzung dominiert, ohne hinterfragt zu werden, ist demnach das, was man in der Politikwissenschaft die „liberale“ Schule nennt (ohne tatsächlich liberal zu sein). Sie sieht im demokratischen Zusammenwachsen des Globus eine Form der Vollendung. In ihr schlummert immer noch der Fortschrittsgedanke des 18. und 19. Jahrhunderts. Dass es Gegenmodelle zu diesen Erklärversuchen gibt, kommt nicht vor. Von den Studenten gibt es zu dieser als Fakt getarnten Theorie keinen Einspruch.
Der angesprochene Geschichtsstudent, der Politik nur im Nebenfach studiert, sieht sich aber herausgefordert: Denn die dargebotene Erklärung stimmt nicht mit dem überein, was in der Geschichte vorgefallen ist. Denn das erste Zeitalter der Weltwirtschaft ist nicht das 20. Jahrhundert, sondern das 16. Jahrhundert – hier wird zum ersten Mal mit dem Atlantik-, dem Pazifik- und dem Ostasienhandel der Handel über alle Weltmeere befördert. Das führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Konflikten.
Die Autarkie der totalitären Systeme ist eine Zwischensequenz. Ganz im Gegenteil habe sich ab der Renaissance bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhundert kontinuierlich ein Trend der Öffnung gezeigt. Tatsächlich war die Weltwirtschaft um 1900 deutlich engmaschiger verdrahtet als etwa um 1950. Unter ökonomischen Gesichtspunkten sei weder der Erste Weltkrieg noch die blutige Auflösung Jugoslawiens erklärbar. Denn gerade der Erste Weltkrieg hat auf Jahrzehnte die Wirtschaft aller beteiligten Länder zurückgeworfen.
Der Dozent antwortet schlicht: Er hätte auch einmal von dieser Theorie gehört. Der Einwurf wird abgewürgt. Es ist ein Moment, in dem beim Studenten etwas passiert. Er radikalisiert sich. Und verlässt das Seminar. Er kehrt danach nie wieder zurück.
Warum diese ungewöhnlich lange Einleitung? Sie legt dar, dass bereits vor über einem Jahrzehnt in der Außenpolitik eine Generation aufgewachsen ist, die vom Studium vor allem ein Modell kennt. Es handelt sich dabei mindestens um die zweite Generation, denn die vorherige weiß offenbar nicht, dass auch ihr Ansatz eine bloße akademische Lehre bzw. These ist – und nicht nur die andere „Theorie“. Die Verfestigung des akademischen Diskurses war also bereits damals gegeben. Das ist aber in mehrfacher Hinsicht verhängnisvoll.
Denn eine nicht geringe Schuld am politischen Versagen haben die im akademischen Raum geschulten Politiker und ihre Berater, die ein spezifisches, ideologisches Denkmuster mit Intellektualität verwechseln. Sie haben bereits an der Universität nicht das Abwägen von Theorien gelernt, sondern das Auswendiglernen von Modellen. Sie sprechen von Komplexität, kennen aber nur eine Sicht. Eine Form der gebildeten Ignoranz, die selbst versierte Argumente als Populismus abtut, formiert sich aus dem Dünkel eines höheren Abschlusses. Selbst gegenüber anderen Akademikern.
Das Muster lässt sich seit Jahren in allen Bereichen verfolgen. Selbst renommierte Professoren müssen sich davor hüten, eine im Grunde über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte bestehende, redliche akademische Meinung auszusprechen, wenn diese als nicht konformistisch genug gilt. Der Kampf gegen Carl Schmitt in den Feuilletons und Medien als reiner Nazi-Advokat – die Betonung liegt hier auf: rein – ist auch ein Kampf für die Verbannung althergebrachter akademischer Meinungen, hier etwa gegen Elemente der „realistischen“ Schule, die der „liberalen“ Schule entgegengesetzt ist.
Dass Schmitt „Kronjurist des Dritten Reiches“ war, ist Fakt. Es ist aber auch Fakt, dass seine Werke weit darüber hinaus rezipiert und angewandt wurden, etwa von der 1968er-Generation oder gar liberalen Denkern. Hobbes und Machiavelli werden als moralisch verachtungswürdig gebrandmarkt, obwohl ohne sie ein Großteil der politischen Geschichte nicht erklärbar ist. Man kann dahinter eine Strategie vermuten, die nicht in erster Linie moralisch, denn eher anti-argumentativ gedacht ist, um nicht nur missliebige Personen, sondern auch Ideen auszumerzen, die als Argumente gegen die eigene Ideologie vorgebracht werden könnten. Nicht die umgestürzten Denkmäler auf den Plätzen, sondern die Gedankenzerstörung in den Universitäten sind die wahre „Cancel Culture“, die das Abendland bedroht.
Im wohligen Schoß dieser ungetrübten akademischen Welt herrscht zwar die unfruchtbare Stagnation, aber unter Ihresgleichen gilt es als feinster Ausweis der eigenen Überlegenheit, ähnlich wie der Dekorhund in der linksgrünen Bourgeoise kinderloser, dafür umso abtreibungsreicherer Ehepaare.
Man sollte nicht den Fehler begehen, dieses Milieu als reine Karikatur misszuverstehen. Kommen wir auf die Eingangsgeschichte zurück. Denn mit höchster Wahrscheinlichkeit sitzen unzählige Absolventen, die in diesen Kursen brav zugehört, aber nur das hinterfragt haben, was sie hinterfragen sollten, heute als wissenschaftliche Mitarbeiter im Parlamentsbetrieb; als politische Berater in der Exekutive; als einflussreiche NGO-Mitglieder bei Stiftungen und Think Tanks.
Sie werden auch zweifelnden Entscheidungsträgern immer wieder eingeflüstert haben: Autarkie ist eine rückwärtsgewandte Idee der 1930er und 1940er; die Welt wird immer weiter vernetzt und China, Russland oder die USA aufgrund ihrer Verflechtungen determiniert; der freie Welthandel ist ein Dogma; geopolitische Eskalationen gehören der Vergangenheit an, zumindest in den für uns relevanten Zonen.
Deutschlands Außenpolitik ist von Prämissen wie diesen gekennzeichnet. Es sind Ideen, die ihren Höhenflug nach dem Ende des Kalten Kriegs in den 1990ern hatten, aber heute noch als hochaktuell gelten. Dass Menschen nicht nur von rationalen und ökonomischen Gedanken bestimmt werden, sondern häufig auch von höchst irrationalen Vorstellungen oder gar Emotionen, hat in diesem Erklärungsmuster keinen Platz. Auch das im Übrigen ein Grund, warum „liberal“ als Bezeichnung für die Schule nicht passt: sie drängt den Menschen in eine begrenzte Zwangsjacke, die nur gewisse pawlow’sche Handlungen zulässt.
Neuerlich auf die aktuelle Situation angewendet: Mehrere Bundesregierungen haben ihre sichere („autarke“) Energieversorgung per Kernkraft aufgegeben und sich über Jahrzehnte auf eine „Brückentechnologie“ namens Erdgas eingelassen, weil sie der festen Überzeugung waren, dass dies der günstigste Weg sei. Schließlich würde Russland nichts gegen Europa unternehmen, wenn es stark in die europäische Wirtschaft verwickelt würde. Der Eigenwert einer Autarkie hat keinen Bestand unter den „rationalen“ Aspekten des billigen Imports. Es ist viel zu kurzsichtig, dafür nur grüne Ideologie verantwortlich zu machen: denn den ignoranten Dünkel tragen Armeen von bürokratischen Aktentaschensoldaten mit sich. Sie haben es so gelernt.
Das macht das Desaster, in dem Deutschland steckt, übrigens deutlich größer. Würden die Grünen morgen verschwinden und mit ihnen das, das man vereinfacht als „grüne Ideologie“ abkürzt, dann wäre das tröstlich. Es war aber maßgeblich die CDU, die diesen Weg eingeschlagen hat, davor die SPD. Und auch die FDP kann sich aus den Denkmustern nicht befreien, die sie erlernt hat. Die „Vergötterung“ der „Wissenschaft“, ob in Klimafragen, Corona oder Energiewende zeigt das jeden Tag.
Dass grundlegende Innovationen der Menschheitsgeschichte selten von Universitäten, dafür umso häufiger von einzelkämpferischen Individuen, häufig sogar im Widerstand zum akademischen Konsens ausging, wird heute häufig vergessen. Das gilt übrigens nicht nur für viele naturwissenschaftliche Entdecker, sondern auch zahlreiche Künstler.
Die gegenwärtige Krise Deutschlands ist deswegen noch nicht völlig erkannt worden. Sie ist in erster Linie hausgemacht, beschränkt sich aber nicht nur auf die Energie- und Wirtschaftspolitik. Ihr liegt eine geistige Stagnation zugrunde, die sich mit bunten Vielfaltsfedern schmückt, jedoch die Wiederholung des Gleichen darstellt. In diesem Sud blubbert der Gedanke, dass Meinungsfreiheit eine Gefahr sei. Dass der Innovator Elon Musk als Gefahr droht, erscheint folgerichtig. Die intellektuelle Verknöcherung der Elite ist dabei eine mindestens so große Gefahr wie eine irrende Elite. Häufig ist diese Gefahr deckungsgleich.
Freilich kann man dieses Problem nicht lösen, indem man wie der Autor dieser Zeilen das Seminar aus Protest verlässt. Aber eine nachfolgende Abwahl ist ja auch eine Wahl. Nur, wer Alternativen denken kann, der findet auch politische. Graue Alternativlosigkeit dagegen findet sich bei Francis Fukuyama wie Angela Merkel – und ihren alten wie neuen Erben.
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Elon Musk hat Tesla nicht erfunden, sondern gefunden. Er hat verstanden, dass eine “ Klimawahn“ entsteht, der von der Politik angetrieben wird, und der sich industriell / kommerziell reiten läßt. Er war und ist der erfolgreichste aller Reiter, sonst nichts, wozu er unbestritten großes Talent entwickelt hat. Betriebswirtschaftlich hat er nur über staatliche Subventionen und Zeritifikate-Handel überlebt. Man könnte auch sagen, dass er der erfolgreichste Parasit aller Zeiten eines ideologischen Irrwegs ist. BEVs werden nie und nimmer einen nennenswerten Beitrag zur Milderung von Folgen eines Klimawandels leisten.
Kernkraft bedeutet nicht Autarkie. Einer der wichtigsten Brennstofflieferanten ist, oh Wunder, Russland. Selbst die USA konnten sich diesbezüglich nicht über Nacht von den Russen lösen. Echte Autarkie würde bedeuten: Kohle und Frackunggas aus Norddeutschland. Braunkohle aus den Tagebauen und Steinkohle aus den gerade stillgelegten Schächten im Ruhrgebiet und dem Saarland. Ohnehin wird niemand endgültig die Frage beantworten können, wer zuerst wem gegen das Schienbein getreten ist. Die Russen dem Westen oder doch eher umgekehrt, der nach dem kalten Krieg kurzfristig voller Übermut agierende Westen. Ich tendiere zu letzteren Lesart der Ereignisse seit 1990. Ohne diesen Übermut hätten wir nicht das… Mehr
Die Irren sterben nicht aus, wissen die von „Allianz Trade“ was der Bürokratenirrsinn für Freiberufler und Gewerbe im Jahr für Schäden verursacht? Und gegen die angeblichen Schäden der Grenzkontrollen muss ich den Nutzen gegenrechnen! Wenn 100.000 Illegale (und es sind nur noch Illegale) nicht kommen, da könnten die Steuern schon um einiges gesenkt werden, wenn dann Bürgergeld gestrichen und Illegale Scheinasylanten abgeschoben werden, dann sparen wir bis zu 50 Mrd. € im Jahr. Hier die Irre Rechnung von Allianz Trade „Die temporären Kontrollen an deutschen Grenzen werden die Wirtschaft nach einer Analyse des Kreditversicherers Allianz Trade voraussichtlich weiter schwächen. „Die… Mehr
Nicht unterschätzen sollte man – Richard Sennett folgend – den Anteil, den der Verfall des Öffentlichen Lebens daran hat.
Die politische Diskussion ist in sog. Talkshows abgewandert. Wie schon der Name sagt, reine Unterhaltungssendungen.
Wir werden nicht von einer irrenden Elite regiert, sondern von der Elite der irre Gewordenen. Von 1945 bis 1990 gab es klare Konzepte, wie das Land und die Nation nach dem schrecklichen und verlorenen Krieg wieder aufgerichtet und aufgebaut werden und internationale Anerkennung gelingt. Wohlstand für alle war das Hauptkonzept um alle zum Wiederaufbau, zur harten Arbeit und zum wirtschaftlichen Erfolg zu motivieren. Daneben der Kampf gegen Kommunismus und Sozialismus, der in Deutschland reichlich Schaden angerichtet hat. Dass dieser Schaden nur angerichtet werden konnte, weil USA England und Frankreich damit einverstanden waren, wurde ausgeblendet.Die haben Deutschland und Mitteleuropa Stalin preisgegeben.… Mehr
Die SPD kann als exzellentes Beispiel dienen für den Niedergang eines Landes, das durch offensichtlich zu viel Wohlstand dekadent geworden ist. Diese genannten Leute sind Exponate des linken Antileistungsgedankens, des Haben-Wollens ohne Können. Ich kenne das von Studenten, die für schlechte Leistung eine hervorragende Note fordern.
In diesem Land ist noch viel mehr im Argen. Wie ich erst heute erfahren habe, ist das Schmerzmittel Novalgin in den meisten europäischen Staaten und in den USA und in Japan verboten. In Deutschland zählt es zu den am häufigsten verschriebenen Schmerzmitteln. Und das weiß Lauterbach nicht?
Es gibt eine toxische Generation die hierfür verantwortlich zeichnet, weil sie in der wissenschaftsfernen Kategorie „letztendliche Erkenntnis“ für vermeintlich sich, für vermeintliche alle Zeiten, glaubte etwas festklopfen zu müssen. Dieser (seinerzeit gefühlte) „Sieg“, mag heute, nach einer Reihe nicht abbrechender Katastrophen, an bestimmten Orten hinterfragbarer geworden sein, – die gelehrigen, breiten Massen jedoch, quer über die alte (BRD-)Parteienlandschaft (und auf viele Jahre) hinweg, – von diesem „zertifizierten“ Kurs nicht so schnell lösbar. Zumal von Oben, deren Klaviatur, in schrillsten Endzeit-Tönen, fleißiger denn je, heute bedient wird!
Was Merkel und ihre Jünger eint, ist ein Wahn, den man als „Politische Romantik“ bezeichnen könnte (siehe das gleichnamige Buch von Carl Schmitt).
Übertragen auf den heutigen Staat, kümmert sich die Regierung lieber
um die Menschheit, statt das Volk.
um das Klima, statt die Wirtschaft.
um Emissionen, statt Stärkung der allgemeinen Kaufkraft.
um neue Regeln, statt Förderung der Eigenverantwortung.
um die Leugnung von Problemen, statt deren Lösung.
Ihr Handeln wird von irrationalen Wertvorstellungen geleitet; wie sonst ist es zu erklären, dass man die Deutschen derart offen verachtet, während man die unbekannten Fremden penetrant hofiert und idealisiert?
Meine Zustimmung: Der jetzige Krisenzustand Deutschlands (und anderer Staaten des Westens) hat eine geistig-ideologische Grundlage, die nicht mit einer anderen Regierung verschwindet.
Ein Aspekt dabei ist die Anwendung (vulgär-)ökonomischer Denkweisen auf jedes und alles. (a) Die „ökonomische Theorie der Politik“ richtet großen Schaden an, weil sie machiavellistisches Denken der Politiker zu rechtfertigen scheint. (b) Herr Habeck ist ein Beispiel, in dem ökonomische Halbbildung (oder eher: Viertelbildung) zu einer Katastrophe führt. (c) Islamischer Terrorismus ist nicht einfach ökonomisch, etwa durch Armut, erklärbar.
Das ist der Normalfall in diesem Land, die Verknöcherung.