Kunst und Kultur werden in Deutschland deutlich stärker gefördert als in vielen anderen Ländern. Doch große Teile der Kunstszene entfremden sich vom Publikum, kreisen um sich selbst, und riskieren dadurch mittelfristig ihre privilegierte Position.
Was darf Kunst? Eine Frage, die sich immer wieder stellt, nicht erst seit der jüngsten Skandalinszenierung an der Oper Stuttgart. Eine Frage, über die es sich lohnt, nachzudenken. Nicht zuletzt ist die Kunstszene in Deutschland eine komfortabel alimentierte – wenn auch die ausführenden Künstler von diesem Geld nur einen Bruchteil sehen, häufig in prekären Verhältnissen leben und beschämend schlechten Arbeitsbedingungen und mangelnder Wertschätzung unterworfen sind.
Das ist keine Geldverschwendung, jedenfalls nicht per se. Rein wirtschaftlich betrachtet darf man nicht vergessen, was der Spielbetrieb mit sich bringt und nach sich zieht: Nicht nur das Theater bietet Arbeitsplätze, sondern auch die Unternehmen, die ihm zuliefern, die Gastronomie in der Umgebung, die Hotellerie, und so weiter. Und dann ist eine Gesellschaft eben auch weit mehr als das, was sie erwirtschaftet: Zahlreiche Handwerke finden sich am Theater, die sonst kaum noch betrieben werden; unsere Kultur zu pflegen, zu erhalten und weiterzuentwickeln, ja, auch in die Gesellschaft hinein zu wirken, das sind wichtige Aufgaben, die sich eine Kulturnation leisten sollte, auch, wenn es Steuergeld in Anspruch nimmt.
Deutschlands Kulturszene ist einzigartig
Das Resultat der Investitionen in den Kulturbetrieb kann sich, bleiben wir bei Zahlen und Fakten, sehen lassen: Kein Land dieser Erde verfügt über eine derart dichte Theater- und Orchesterlandschaft wie Deutschland. Mit großem Abstand finden hier etwa die meisten Opernaufführungen weltweit statt. Zu den rund 140 Theatern in öffentlicher Trägerschaft treten zahlreiche Orchester und Ensembles und eine vielfältige freie Theaterszene. Das sieht in vielen Ländern Europas anders aus: Da mag es in den Hauptstädten und in der einen oder anderen Großstadt ein Theater geben, viele Künstler aber können ihren Beruf nur nebenbei und in ihrer Freizeit ausüben; in Großbritannien etwa ist statt vergüteter Auftritte oft das Gegenteil üblich: „Pay to sing“ – der Sänger kauft sich in von Vereinen organisierte Opern- und Musicalproduktionen ein, je größer die Partie, desto mehr zahlt er. Solche Angebote gelten in Deutschland als unseriös: Hier soll bezahlt werden, wer Kunst ausübt. Gar nicht selbstverständlich!
Dennoch steckt die deutsche Kulturlandschaft in der Krise. Die Gründe dafür sind vielfältig, manche ragen jedoch auffällig aus dem Problemkomplex heraus. Dazu gehört die in Deutschland zuweilen tief verankerte Arroganz gegenüber dem Publikum. Ein Resultat dieser Haltung ist nicht zuletzt die Aufspaltung des Kulturbetriebs in E- und U-Musik, das heißt in sogenannte „ernste“ und sogenannte „Unterhaltungsmusik“. Das Missverständnis, erstere dürfe nicht unterhalten, weil sie ja ernst sei, führt regelmäßig zu Ausfälligkeiten wie in Stuttgart: Dahinter steht ein Denken, das Freude, Schönheit, Leichtigkeit und Genuss unter den Generalverdacht der Oberflächlichkeit stellt. Das mag etwas sein für fahrende Gaukler, aber nicht für unsere großen Künstlergenies. Der Künstler von heute ist nicht nur um einiges schlauer als der Zuschauer, den er belehren und erziehen muss, er ist auch intelligenter und fortschrittlicher als der Autor oder Komponist eines Werkes, und dadurch im Stande, es durch völlige Umgestaltung zu verbessern.
Das Publikum schwindet
Mit dieser arroganten Attitüde, verbunden mit einem ausgeprägten Anspruchsdenken, das von vielen Kunstschaffenden ausgeht, stellt sich die Szene selbst ein Bein: Man wirkt abgehoben und wenig zugänglich, schafft Barrieren durch Fachsimpelei und Gehabe. Womit wir beim zweiten Elefanten im Raum wären: Es gibt schlicht und einfach zu wenig Publikum. Angesichts der Bildungskrise und des Schwunds des Bildungsbürgertums, das Kunst selbst ausübt oder zumindest als selbstverständlichen Bestandteil des Lebens betrachtet, fehlen die Konsumenten für einen überdimensionierten Kunstbetrieb.
Ein Problem, das insbesondere das Musiktheater betrifft, da in Deutschland musikalischer Analphabetismus bei gleichzeitiger Dauerbeschallung mit Konservenmusik mittlerweile der Normalfall ist. Da kann Sprechtheater noch eher punkten, reden können wir schließlich alle. Wie gut, könnte man da sagen, dass auch die Kompetenz der Theatermacher spürbar nachgelassen hat, somit also auch Wissen und Expertise, die dem Publikum abverlangt werden – so wäre die Niedrigschwelligkeit der Hochkultur doch gewahrt. Ein Trugschluss. Denn nichts ist dem Pseudointellektuellen ferner als realistische Selbsteinschätzung. Man geriert sich als Könner und Kenner, tanzt im Elfenbeinturm Ringelrein um sich selbst, wähnt sich als Avantgarde und Speerspitze der Gesellschaftskritik – und vergisst dabei, dass für diesen Selbstbetrug andere zahlen müssen:
Es ist ein großes Geschenk, dass in Deutschland Kunst und Kultur derart wertgeschätzt werden, dass sie von den üblichen Gesetzen des Marktes von Angebot und Nachfrage ein Stück weit bis weitgehend ausgenommen sind. Es ist ein Geschenk, dass Künstlern damit ein Raum eröffnet wird, kritisch zu sein bis an die Grenze des Erträglichen, ein Stachel im Fleisch derer, die sie finanzieren; dass sie ohne Rücksicht darauf, ob das, was sie tun, „gefällt“, ihrer Arbeit nachgehen können. Dass sie provozieren können, ohne dadurch die Lebensgrundlage zu verlieren. Ein Privileg, das die Kunstszene als Naturgesetz hinnimmt, und darüber in großen Teilen vergessen zu haben scheint, dass sie dennoch oder gerade wegen der großzügigen Förderung, die ihr zuteil wird, auch etwas beizutragen hat zu diesem Vertrag mit der Gesellschaft.
Publikumsverhöhnung gilt oftmals als Ausweis künstlerischer Qualität
Provokation und Verhöhnung sind nicht dasselbe. Und während Kunst verstören darf, ist dies keinesfalls ihre eigentliche Daseinsberechtigung. Kunst darf auch erheben – sie darf sogar gefallen! Sie darf den Menschen einen Raum bieten, der ihren Alltag verschönert und bereichert. All dies ist eben nicht unter dem Niveau eines wahren Künstlers, als dürfe man es der zweitklassigen Unterhaltungskultur überlassen.
Zudem werden die gravierenden internen Probleme der Szene öffentlich kaum thematisiert. Um nur bei der Frage der Finanzierung zu bleiben: Die hanebüchene Spanne der Vergütung von Künstlern bei gleicher Leistung, je nachdem, ob diese in einer freien Produktion, an einem Theater in öffentlicher Trägerschaft oder zum Beispiel im Rahmen eines ÖRR-Festivals erbracht wird, ist einem Laien nicht vermittelbar, noch weniger wohl die Gehälter von Theaterintendanten. Wohlweislich spricht man über solche Missstände in der Öffentlichkeit also gar nicht erst – der Korpsgeist in der Kunst ist immens.
Ohne Umdenken wird die Kulturszene Rückhalt verlieren
Vielleicht wäre die Rückkehr zur banalen Notwendigkeit, Geld verdienen und sich selbst finanzieren zu müssen, also nicht die schlechteste Kur, um einerseits zu sich und andererseits zu einem der gesellschaftlichen Bedeutung angemessenen Format zu finden. Sicherlich ist es beklagenswert, wenn die Kunstszene schrumpft, wenn Produktionen mit geringem Budget auskommen und teurer bepreist werden müssen. Der Paradigmenwechsel wäre schmerzhaft und mit großem Verlust an kulturellem Erbe verbunden. Aber wenn das Bedürfnis nach Kunst nicht da ist, müssen die Künstler eben dieses Bedürfnis wieder wecken. Das tut man freilich nicht mit möglichst frivolen Obszönitäten auf der Bühne, und auch nicht, indem man den Fetisch zelebriert, alles neu, anders und nie dagewesen zu gestalten.
Viele Künstler beklagen die „Selbstausbeutung“, die ihr Beruf mit sich bringt. Das ist ein echtes Problem. Aber vielleicht hat sich der Kunstbetrieb in eine Sackgasse manövriert, in der Künstler eben vor allem noch ihrem – im schlimmsten Falle von Narzissmus getriebenem – Privatvergnügen nachgehen, ohne Blick dafür, was das Publikum wünscht. So manche mit Leidenschaft realisierte Laienproduktion tut mehr für die kulturelle Bildung der Zuschauer, als die großen Produktionen an ehrwürdigen Häusern. So mancher Dilettant vermag es, mehr zu berühren als jene Profis, die aus dem Fließbandbetrieb der Kunsthochschulen ins intransparente Getriebe der Theater- und Konzertwelt geworfen werden. Eine dramatische Schieflage, die man sicher auf verschiedene Weise beheben könnte. Beheben muss man sie. Denn Kultur ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.
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Weil es begrifflich etwas durcheinander geraet : Kultur und Kunst beschreiben nicht Dasselbe. Kultur ist etwas, was mit dem homo in die Welt kam, im Unterschied zur Zivilisation. Die entstand detrlich spaeter. Kunst auch, aber vor dem, was man Zivilisation nennt. Vermutlich mit den Neandertalern. Kunst kann und wird irgendwann, muss es aber nicht, Teil einer Kultur bzw Folge einer kulturellen Entwicklung sein. Waehrend Kunst im Idealfall auch eine unterhaltende, erbauende, seelisch positiv wirksame Geschmackssache ist, jedenfalls dann, wenn man bestimmte, objektive Massstaebe, die es natuerlich auch fuer Kunst gibt, verlässt, geht es bei der Kultur um Existentielles, ein das… Mehr
Die Kunst kastriert sich selbst. Go woke – go broke. Warum brauchen Linke immer 10 Jahre länger, um irgendetwas zu kapieren?
Ich selbst bin dafür daß es für so genannte Kulturschaffende gar keine Zuschüsse aus öffentlichen Kassen / Geldern mehr gibt. Sollen sich selbst finanzieren beziehungsweise Diejenigen die gut finden was gemacht wird aus eigener Tasche.
Im Augenblick wird das Geld allen abgenommen auch wenn sie selbst fast Nichts haben und das auch wenn sie total Sch..ße finden für was das Geld verwendet wird / wer es bekommt. Wenn etwas gut ist finden sich leute die bereit sind dafür zu zahlen. Wenn etwas schlecht ist und es nicht Vielen gefällt nicht.
Kunst kommt von Können…von denen allen kann eh keiner was. Kann also weg.
Die so genannten Kulturschaffenden (DDR-Slang) sind links-grün durchideologisiert und beteiligen sich an jedem links-grünen Schwachsinn. Ihre hochnäsige Herablassung und ihre Oberlehrerattitüde kann man sehr schnell kurieren, indem man ihnen die üppige staatliche Alimentation streicht. Sollen sie doch Hausfrauennachmittage mit gefälligen Interpretationen klassischer Stücke veranstalten, vielleicht will das ja jemand sehen. Der größte Teil des Kulturbetriebes wird doch nur subventioniert, weil eine kleine Anzahl von Menschen diesen Zirkus als Distinktionsmerkmal braucht, aber nicht bereit ist, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen. Kostendeckende Preise würden den Herrschaften im Kulturolymp – Veranstaltern und Publikum – sehr schnell klar machen, dass kulturelle Genüsse zwar… Mehr
Kunst darf nahezu alles, wenn der Geist sich materialisiert und sein bestes oder schlechtestes gibt, was alles zulässig sein sollte, solange man niemand dabei beschädigt. Was man mit Worten nicht mehr sagen kann, wird dann über die Schaffung von visuellen Dingen ausgedrückt und das ist gleichzeitig auch der innere Ausdruck, der in vielen wohnt, wobei es aber auch erlernt werden muß und als jahrzehntelanger Kunstschaffender zur Erbauung neben dem Beruf kann ich mich immer nur wundern, wenn Fachleute wie Kuratoren und andere angeblichen Sachkenner, einschließlich der Sammler, etwas beurteilen, mit dem Ziel sich über die Federn anderer zu schmücken, wo… Mehr
Was kunst und großartig ist entscheidet die Masse bzw. die Entscheidung steht Denen zu die dafür bezahlen sollen, ob es Ihnen etwas wert ist und wenn wieviel.
Es kann aber nicht sein daß eine gewisse kleine Gruppe entscheidet was Kunst ist und Alle Anderen müssen dafür bezahlen und sollen Hurra schreien
Der Kunst/Kulturbetrieb macht genau dasselbe wie der ÖRR.
Sie schauen nicht den Mächtigen auf die Finger, sondern unterstützen mit aller Macht die „Transformation“, den „Kampf gegen Rechts“ sowie den ganzen Diversity-Mumpitz.
Z.B. informiert hier ein riesiges Banner darüber, aus wevielen Nationen die Mitarbeiter des Theaters stammen.
Das ist der Kulturbegriff der DDR, den die „Kulturschaffenden“ (sie nennen sich selber so!) freiwillig und ohne Not übernommen haben.
Es wäre schön, wenn sich das reparieren liesse, ich wüsste aber nicht, wie das gehen könnte.
Staatlich subventionierte Kunst und Kultur ist wie Entwicklungshilfe und Planwirtschaft: sie zieht Minderleister an, bläht sich auf, schafft einen teuren Verteilungsapparat und verhindert Fortschritt und Entwicklung. Die 2.200.000.000 Euro, die dem Steuerzahler dafür abgeknöpft wurden, hätte dieser besser selber für KuK ausgegeben. Wer dem Bürger das nicht zutraut, hat weder begriffen, was Kunst und Kultur IST, noch wie diese ENTSTEHT bzw. entstanden ist. Hurz!
Ich finde es gut, dass jetzt die Kulturszene blutet. Zu woke, zu linksgrün.
Wenn ich in die Oper gehe, sehe ich die Generation Rollator und danach dünnt es sich aus. In meiner Branche (IT) geht kein Mensch in ein Klassik-Konzert, noch liest jemand etwas, was nicht irgendein Ratgeber ist. Und da unterscheiden sich die Auszubildenden nicht von irgendwelchen CEOs. Tragisch.
Es stimmt, in klassische Konzerte muss man sich, wie es scheint, altern – aber es ist wunderbar und überaus bereichernd, in einer Philharmonie zu sitzen und solches live erleben zu dürfen, was Komponisten aus allen Zeiten mitzuteilen haben. Und wie es von Dirigenten und verschiedensten Orchestern interpretiert werden kann.
Ein Onkel war gut 40 Jahre Mitglied der Berliner Philharmonie und er war der Motor für mich, schon als Kind die klassische Musik wie ein Schwamm aufzusaugen, was bis heute zu meinen Grundfesten, neben der plastischen Kunst in Eigenleistung gehört und was wäre ich ohne diese beiden Komponenten, wenn man noch nahestehende Menschen mit einbezieht, die das Leben in Wirklichkeit ausmachen, während das frühere materielle immer mehr in Vergessenheit gerät, weil es keine Priortität mehr besitzt. Man benötigt nicht viel im Leben, wenn man von der Erwerbsbiographie absieht um existieren zu können und der ganze Hype drum herum ist ehedem… Mehr
Aus meiner Sicht ist zum Beispiel Verdi unabhängig vom Alter hörens- und sehenswert. Wie wir gesehen haben, eignet sich der Gefangenenchor vom Giuseppe Verdi sogar für Proteste gegen unsinniges Coronagedöns. Zum Beispiel sehr zum Missfallen von Draghi und seinem „Gesundheitsminister“ auf dem Mailänder Domplatz