CDU und SPD wollen die Staatskultur

Die Ampel ist mit dem Versuch gescheitert, die Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz zu schreiben. Nun soll es einen neuen Anlauf geben. Für den vor allem Abgeordnete der Union werben – ihnen geht es um den Kampf gegen die oppositionelle AfD.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Die deutschen Theater spielen keine zehn Prozent ihrer Kosten ein. Der Film hängt an dem Tropf der staatlichen Förderung. Direkt durch staatliche Zuschüsse. Oder indirekt aus den 9 Milliarden Euro, die das Staatsfernsehen den Bürgern per Zwangsgebühren jährlich abpresst. Die deutsche Kultur ist schon staatlicher, als ihr gut tut. Produziert „Kunst“, die oft nicht mehr als zur Selbst-Bespiegelung der Produzierenden dient. Doch das ist CDU, CSU und SPD noch zu wenig. Sie wollen die Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz schreiben.

SPD, Grüne und FDP hatten sich das bereits als Ziel in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Die Christdemokraten sprachen sich dagegen aus. Vor der Wahl. Doch mit der Schuldenbremse scheint die CDU gleich all ihre anderen bisherigen Positionen mit aufgegeben zu haben. Mit Monika Grütters ist es eine christdemokratische Abgeordnete, die in einem Interview mit Radio 3 für das Staatsziel Kultur wirbt.

Wofür das gut sein soll? Die Kultur sei aus „bestimmten Kreisen“ immer wieder Druck ausgesetzt, werde „ganz explizit“ bedroht. Ach sei sie „Anfechtungen“ in Form von Etat-Kürzungen ausgesetzt. Außerdem sei es schwer, ohne sie auszukommen. All das sei nicht mehr gegeben, wenn die Kultur als Staatsziel in der Verfassung stünde. So Grütters. Das ist zum einen ein schwülstiger Wulst aus toten Worten, die über die Unschärfe in den Gedanken hinwegtäuschen soll – und diese dabei so gnadenlos offenlegt.

Zum anderen stecken gefährliche Ideen hinter Grütters unscharfen Gedanken einer Christdemokratin. Wenn Grütters sagt, Etat-Kürzungen in der Kultur seien „Anfechtungen“, vor denen die Verfassung die Kulturschaffenden beschützen soll, dann zeigt sich: Das Gift der unbegrenzten Schuldenmacherei wirkt rasend schnell. Würden sich CDU und SPD mit ihrer Idee durchsetzen, könnte ein Regisseur künftig einen millionenteuren Trip nach Ibiza beanspruchen, um dort einen verwitternden Stein zu filmen als Symbol der Vergänglichkeit des Lebens. Wer ihm das nicht staatlich finanzieren wollte, wäre dann ein Verfassungsfeind.

Noch gefährlicher ist der Gedanke, die Kultur von „Druck“ befreien zu wollen. An späterer Stelle sagt Grütters im Interview, dass es ihr um die AfD gehe und deren Wunsch, keine Kultur staatlich zu finanzieren, die für Ideen der CDU und SPD werben. In der Konsequenz hieße das: Wer Kultur macht und sich an die Vorgaben der regierenden Parteien hält, wird mit unbegrenzt viel Steuergeld entlohnt. Wer oppositionelle Gedanken vertreten will, erhält indes keinen Cent. Alles vermeintlich im Sinne der Verfassungstreue. Die CDU will an dieser Stelle nichts anderes als eine Staatskunst, wie es sie in der DDR gegeben hat. Dort wurden Künstler wie der Regisseur Heiner Müller nach eigenen Angaben zu Millionären, solange sie Inhalte der SED teilten. Äußerten sie Opposition, dann drohten Berufsverbot, Haft oder Abschiebung.

Apropos SED. Noch ist der Wunsch, die Verfassung zu ändern, nur eine Verabredung der Arbeitsgruppe von CDU, CSU und SPD. Die Steuerungsgruppe um die Parteivorsitzenden Friedrich Merz, Markus Söder und Lars Klingbeil müsste sie zum Regierungsauftrag erheben. Aber selbst dann bräuchten die Koalitionäre im Bundestag die Stimmen der AfD. Die wird es nicht geben. Allerdings genügen auch die Stimmen der Linken. Die dürfte für einen staatlich gelenkten Kulturbetrieb offen sein. Die Erben Konrad Adenauers und der SED-Nachfolger würden dann mit Hilfe der SPD und der Grünen die Staatskultur ins Leben rufen. Selten zuvor hat eine Partei sich selbst derart hemmungslos und mit Spaß an der Freude aufgegeben wie die CDU.

Die Probleme mit der Unklarheit und die Angst vor dem politischen Missbrauch einer unscharfen Formulierung in der Verfassung teilen Verfassungsrechtler. Sie sprachen im September 2023 anlässlich einer Anhörung im Bundestag zum Thema. Im besten Fall hätte eine solche Änderung nur symbolischen Charakter, sagte Professor Steffen Augsberg von der Gießener Justus-Liebig-Universität. Schwierig sei, dass der Kulturbegriff juristisch äußerst unbestimmt sei. Daraus leitet sich immer die Gefahr ab, damit machen zu können, was den jeweils Mächtigen gerade recht ist. Und das ist im Falle der CDU, im Jahr 62 nach dem Rücktritt von Konrad Adenauer, die Staatskultur.

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Kommentare ( 16 )

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Schwabenwilli
2 Tage her

Warum noch ins Theater, mir reicht schwarzrotrotgrüngelb.

Deutsche
2 Tage her

Die Staats“kunst“ ist ja nur eines der vielen Mosaiksteinchen in Richtung dominanter Machtsicherungs „Staat“.
Noch dieses Jahr scheint der programmierbaren Euro eingeführt zu werden. Alle haben nur EIN Konto, möglich sind dann Minuszinsen, Verfallsdatum, Enteignung durch Knopfdruck, Sperrung aller Aktivitäten z.B. bei Bankencrash oder „ungebührlichen“ Verhalten.
Die ganze Debatte, die geführt wird als würde sich der Polit „Eliten“ Moloch sich noch im normalen, demokratischen Rahmen bewegen trifft nicht den Kern.
Der ganze „Staat“ wird zur Fesselungsmaschine für den Bürger umgebaut.
„Unsere Demokratie“.

W aus der Diaspora
3 Tage her

Die CDU will an dieser Stelle nichts anderes als eine Staatskunst, wie es sie in der DDR gegeben hat.

Warum nur wird immer wieder nur bis zur DDR zurück gedacht? Die Staatskunst, die gab es doch bereits im 3. Reich!
Damals gab es dann die Kunst und die entartete Kunst – das wird es jetzt auch wieder geben – nur wird sie nicht entartet heißen sondern wird rechte Kunst geschimpft werden …
Nicht nationalistisch, das könnte sonst ein Problem geben, denn der Schutz der Kunst steht ja dann im Grundgesetz einer Nation …

Skeptiker
3 Tage her

Es ist freilich nur folgerichtig, dass nach den NGOs auch die Kunst, die ja zu 98% auch linksgrün ist, vor möglichen Etatkürzungen geschützt wird.

Waldschrat
3 Tage her

„Die CDU will an dieser Stelle nichts anderes als eine Staatskunst, wie es sie in der DDR gegeben hat.“ Müsste man nicht auch ergänzen „und in Nazideutschlkand“?

Axel Fachtan
3 Tage her

Der Staat muss zurückgefahren werden, auch in Sachen Kultur. Kunst und Kultur dürfen nicht politisch vergewaltigt werden, sondern sie müssen finanziell und finanziell aus der Mitte der Gesellschaft her, also durch Mittelschicht und Mittelstand getragen werden. Das, was für Mittelschicht und Mittelstand keine Bedeutung hat, gehört zurückgefahren. Gerade in Zeiten der substantiellen Not. Welcher deutsche geförderte Film der letzten 10 Jahre hatte Weltniveau und hat auch weltweite Anerkennung erhalten. Filme wie „Das Boot“ oder „Der Untergang“ sind nun deutlich älter als 10 Jahre. Und danach ? Welche deutsche geförderte Film hat seit 2015 die Welt bewegt? https://ddr-im-film.de/de/film/das-leben-der-anderen Das Leben der… Mehr

Skeptiker
3 Tage her
Antworten an  Axel Fachtan

Die rot-grüne+jetzt-auch-schwarze „Kultur“ muss aber unter die Lemmingen gebracht werden.

Budgie
3 Tage her

Es gibt offenbar von der „Wissenschaft“ unbemerkte tektonische Plattenverschiebungen. Augenscheinlich haben die politischen Eliten Deutschlands am Norden der Koreanischen Halbinsel Anker geworfen zu haben. Oder sind sie doch an den Gestaden des Persischen Golfes, an der Küste des Irans gestrandet?
Nichts davon ist unmöglich!
Aber auch die Briten und Franzosen sind im schwarz-rot-grünen Fahrwasser der Deutschen dem Ruf der Diktatur gefolgt.

sunnyliese
3 Tage her

Die europäische Kultur ruht auf dem Projekt der Aufklärung, deren zentrale Bestimmungsstücke das Selbstdenken (eben auch das Denken des Denkens, die permanente Prüfung, die keine Absolutheitsansprüche akzeptiert) und die Selbstbestimmung. Gegen beide Momente führt die Politik und die Mainstream-Ideologie einen regelrechten Krieg, denn sie stören deren Machtanspruch, der auf Kontrolle durch Gehirnwäsche setzen muss, um sich realisieren zu können.

Klaus Kabel
3 Tage her

Will der Watschenmann Merkels, der Lügner Merz, nun in die Spuren Ulbrichts und Honeckers kriechen? Was für eine traurige Gestalt .

Montesquieu
3 Tage her

Es geht um die Bestechung und Sicherung potentiell wirkstarker Agitpropszenen. That’s all. Mit Kultur hat das nichts zu tun. Kultur ist rassistisch, jedenfalls die ehemals unsere. Die ideologische Gleichförmigkeit der deutschen Kulturszene erinnert mich an den Heimatstaat der besten Kanzlerin, die wir hoffentlich je gehabt haben werden.