„Bonnie Propeller“ ist eine leichtfüßige Erzählung, geschrieben mit Nähe, Liebe und – was bei Tiergeschichten nicht ganz einfach zu vermeiden ist – ohne Sentimentalität. Wir danken Monika Maron – nicht nur für diese - beglückende Lektüre und gratulieren ihr (oder besser: uns!) zu ihrem 80. Geburtstag.
„Manche Menschen finden es herzlos, einen Hund gleich durch einen anderen zu ersetzen, weil sie in dem Hund vor allem ein Objekt ihrer Liebe sehen wie in einem geliebten Menschen, den man schließlich auch nicht innerhalb von Wochen oder sogar Tagen durch die Anschaffung eines anderen Menschen ersetzen kann. Natürlich habe auch ich Momo geliebt als den einzigartigen, ganz besonderen Hund, der er war. Gleichzeitig war er aber ein Vertreter aller Hunde, auch aller Tiere, eine Art Institution. Und wenn der Vertreter einer Institution stirbt, der Papst oder ein Staatspräsident oder ein Parteivorsitzender, dann muss er auch sofort ersetzt werden, weil sonst ein ganzes Gefüge in Unordnung geraten kann. In diesem Fall war das Gefüge, das in Unordnung geraten konnte, mein eigenes Leben. Ich brauche ein Wesen um mich herum, das nichts anderes ist als Leben, das nichts weiß vom Aufstieg und Niedergang Roms, vom Dreißigjährigen Krieg und von der Shoah, nichts von Platon, Joyce und Kafka, nicht einmal von Konrad Lorenz; ein Lebewesen, das sich nicht für die neuesten Nachrichten interessiert und dem das Wort Zukunft nichts bedeutet.
Zwischen dem Hund und mir geht es nur um das Elementare, um die Nahrung, die Gemeinsamkeit und um Liebe. Es ist das Bündnis von zwei Kreaturen mit dem einzigen Zweck, einander Freude und Beistand zu sein. Den Hund verstehen bedeutet auch, das Tier in mir zu verstehen. Und abgesehen von diesem ideellen Aspekt des Zusammenlebens gab es auch noch den ganz profanen, die vom Hund bestimmte Ordnung eines Tages. Momo war tot, niemand zwang mich, auf die Straße zu gehen, niemand stand pünktlich um halb eins vor mir mit forderndem Blick, weil es Essenszeit war, kein Momo stupste mich, weil er gestreichelt werden wollte. Ich saß verloren in meiner Wohnung und fragte mich, was ich hier eigentlich soll. Mein Hund war gestorben und hatte mich in die Einsamkeit entlassen. Ich brauchte einen neuen Hund.“
Um Abschied, Tod und Neubeginn, um Suchen, Finden und Zusammenwachsen geht es in dieser dichten und doch leichtfüßigen Erzählung. Der Tonfall balanciert virtuos zwischen wahrhaftig und zart, sehnsüchtig und skeptisch, lakonisch und einfühlsam. „Diese meisterhafte Erzählung über einen Hund sagt alles über uns Menschen“ befand Ulrich Wickert. Und etliche Rezensenten zogen die Erzählung „Herr und Hund“ als Vergleich heran, so auch Judith von Sternberg, die festhält: „Gegen Thomas Manns Beschreibungs- und Satzbaufuror setzt Monika Maron eine gewisse Schlichtheit.“
Die Leser aber werden beglückt: „Etliche Figuren in Monika Marons Romanen werden fälschlicherweise als Selbstbildnisse gedeutet. Hier gibt sie ausnahmsweise viel von sich preis,“ stellt Alexander Wendt in seiner Besprechung fest. „Ihren Text über Hund und Mensch, Erwartung und Anpassung hat Hoffmann und Campe mit handwerklicher Sorgfalt gestaltet, vom Umschlag bis zum Schriftbild – ein Buch, das der Leser gern in die Hand nimmt. Auch für Nichthundebesitzer ist der schöne kleine Band einschränkungslos geeignet.“
Es ist ein schmales Bändchen, man kann es fast in der Jackett-Tasche mit sich tragen. Elegant gestaltet, wie aus jener Zeit stammend, in der das Büchermachen noch eine Kunst war und die Frage nach dem angemessenen Papier von Bücherliebhabern entschieden wurde und nicht von den Controllern in lesefernen Konzernzentralen. Und daher passen Form und Inhalt so perfekt zueinander. Es ist eine Beziehungsgeschichte. Beziehungen entstehen, wenn die Liebe nicht auf den ersten Blick einschlägt und die Herzen zerschmettert. Wahre Liebe wächst.
Liebe sagt ja viel über den Liebenden aus, über die Tiefe seines Herzens. Der Verfasser gesteht, dass er aus Kindertagen eine Scheu vor Hunden hat; „Berry“ war ein knurrender Schäferhund aus einem SS-Lager, der auf dem Hof meiner Großeltern sein Gnadenbrot durch scharfe Wacht verdiente und dessen bedrohliches, tiefes Knurren ich noch heute hören kann in bösen Nächten, wenn der Wind ums Haus heult und die Angst unter die Bettdecke kriecht. Bonnie Propeller hat mich ein wenig versöhnt mit Berry. Späte Liebe soll es ja auch geben.
Monika Maron, Bonnie Propeller. Erzählung. Hoffmann und Campe, Hardcover mit Überzug, farbiges Vorsatzpapier, 56 Seiten, 15,00 €.
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Naja, das Geschichtchen scheint mir schon sentimental zu sein. Ich lebe während meiner 62 Jahren mit Hunden zusammen. Alle (außer zwei) begleitete ich bis zu ihrem Tod. Das sind so im Mittel 12 Jahre, solange halten viele Ehen nicht und die Ehepartner beenden sie oft ohne die geringste Rücksicht auf ihre eigenen Kinder. Die zwei, die ich her oder zurückgab liebten mich beide und es tat mir sehr weh. Der eine liebte nur mich und zerbaß jedem, den er als Konkurrenten witterte, wie meinen Mann, die Hände und bevor er einem Kind das Gesicht zerbaß, vermittelte ich ihn an einen… Mehr
Wir haben einen großen Hund, der ist inzwischen 16 Jahre alt und hat unser Leben diese 16 Jahre begleitet. Aber nicht nur das, so ein Hund ist wie ein Kind mit seinen Bedürfnissen, Gefühlen und Forderungen. Ab und zu will er einfach im Bett liegen, da ist nichts zu machen. Und dann wird es eng im Bett. Aber das ist dann einfach so, was will man machen, er ist immer freundlich und wohlgesonnen im Gegensatz zu anderen Weggefährten.
Auch wir schließen uns den Glückwünschen für Monika Maron an, lieber Herr Tichy. Frau Maron ist eine wunderbar kluge, kritische und warmherzige Frau. Gerade hat uns wieder „ Artur Lanz“ bestens unterhalten und amüsiert. Wir haben festgestellt, dass wir mit Frau Maron „ auf einer Längenwelle“ liegen. Herrlich! Ihnen, lieber Herr Tichy, ist viel in Ihrem Leben entgangen. Frei nach Loriot: …..“ ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos..“ Es gibt keinen treueren und liebevolleren Tierpartner…als ein Hund.
Ein schönes Buch. Nicht nur für Hundebesitzer – aber diese erkennen viel vom Hund und auch von sich.
Gelesen und mehrfach verschenkt.