„Ohne Bestand“ soll unsere Lebensform sein, wir erleben einen „Angriff auf die Lebenswelt“: so betitelt Michael Esders sein jüngstes Buch. Dem brutalen Veränderungsdruck der Regierungskoalition stellt er ein intellektuelles Manifest gegenüber.
Seit Hermann Hesse wissen wir: „ … jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“. Doch der Zauber des Beginns verfliegt schnell. Eine „Fortschrittskoalition“ nannten SPD, Grüne und FDP vertraglich den Anfang ihres gemeinsamen Regierens. Heute geben sie allesamt zu: Es muss erst sehr viel schlechter werden für viele Menschen, damit es nicht mal besser wird. Sondern damit sie überleben.
Das ist das Tremolo aller Äußerungen von Christian Lindner, Robert Habeck bis hin zu Olaf Scholz: Wir werden alle ärmer. „Wohlstand für Alle“, wie ihn in den 50er Jahren Ludwig Erhard versprochen hatte, gibt es nicht mehr. Fliegen und fahren nur noch eingeschränkt und verteuert, Wohnungen im Winter kälter, Fleisch seltener bis gar nicht mehr, wohnen künftig wieder im Plattenbau statt im Eigenheim. Bisher gab es keine Regierung, die Bewährtes und Bestehendes so schnell zerstört hat wie die Ampelkoalition. Die stattdessen nur vage in Aussicht stellt: Wenn es uns schlecht geht, überleben wir vielleicht die „Klimakatstrophe“, die wir in Deutschland für nahezu die ganze Welt bekämpfen.
Aber es geht nicht nur ums Klima und die Reduktion von Wirtschaft auf ein Überlebensniveau. Die Deutschen werden aus ihren Grundüberzeugungen und Gewohnheitsgefügen herausgeschüttelt und sogar mit Gewalt herausgebürstet wie Motten aus dem Wintermantel. Sie sollen ihren Alltag und ihr Zusammenleben „täglich neu aushandeln“, wie es die frühere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und heutige stellvertretende Bundestagspräsidentin Aydan Özoğuz in einem Strategiepapier schon 2015 in aller Schärfe formuliert hat: verschleierte Frauen und kulturelle Gebräuche aus dem vorderen und hinteren Orient sollen nicht nur toleriert, sondern als überlegen akzeptiert und das eigene Verhalten daran ausgerichtet werden.
Das Geschlecht ist nicht mehr biologisch gegeben, sondern Ansichtssache und Kindern wird eingebläut, dass sie es per Medikament und Operation jederzeit ändern können, wenn sie sich im vorgefundenen unwohl fühlen. Genug der Aufzählung zu der auch gehören würde, dass Eigentum über vielerlei Wege umverteilt und letztlich abgeschafft werden soll – per Wärmepumpe oder vorgegebener Quadratmeterzahl von erlaubter Wohnfläche für Ältere.
Aber Esders ist nicht nur eine brillante Analyse des Schreckens der politisch geforderten Gleichbehandlung gelungen, einer Gleichbehandlung, bei der sich diejenigen durchsetzen, die die höchste politische Durchsetzungskraft besitzen und damit in eine Ungleichbehandlung umwandeln, er setzt auch ein konservatives Manifest dagegen. Esders führt aus:
„Was schon lange so war, wie es ist, muss darum nicht notwendigerweise gut, richtig oder wahr sein. Aber umgekehrt sind die Üblichkeiten des Vorverständnisses nicht schon deshalb verdächtig oder verwerflich, weil sie überdauert haben. Was unterschiedlichen Menschen in verschiedenen Zeiten als bewahrenswert erschien, was Loyalität verdiente und begründete, hat einiges für sich. Zu einem nicht geringen Teil sind Üblichkeiten auch das Ergebnis eines evolutionären Prozesses, einer kulturellen Selektion, was sie gegen den Eifer normativer Letztbegründer ein Stück weit abschirmen sollte. »Zumindest Argumente von der Art, etwas könne nicht mehr hingenommen werden, weil es schon sehr lange ungeprüft hingenommen worden sei, haben nicht die rationale Plausibilität, die ihnen zeitweise zugebilligt wird«, notiert Hans Blumenberg, der unter »Institution« vor allem eine »Regelung von Beweislastlagen« versteht. »Wo eine Institution besteht, ist die Frage nach ihrer Begründung nicht von selbst ständig akut und liegt die Beweislast immer bei dem, der gegen die mit ihr gegebene Regelung aufsteht.« Auf das Gesellschaftsexperiment der Multikulturalisierung bezogen bedeutet dies: Die Beweislast haben die ‚Veränderer‘ zu tragen, nicht die zu Probanden degradierten Kritiker des sozialen Experiments.“
Die Sprache wird zerstört und manipuliert, führt aber nicht zu einer gerechteren Welt, sondern schlicht zur kommunikativen Unverständlichkeit, die weiteste Teile der Bevölkerung ausschließt, die nicht in der Lage ist, die jeweils aktuellen Buchstabenkombinationen nachzuvollziehen, mit denen sexuelle Minderheiten sich immer weiter ausdifferenzieren aber trotzdem die Mehrheit gnadenlos als intolerant denunzieren.
Geschichte und Herkunft werden ausradiert, weil frei durch den historischen Raum treibende Menschen mit dem Kescher der neuesten Marotte staatlich abhängiger Rechtfertigungsideologen eingefangen werden können. So werden auch gesellschaftliche Untersysteme in das neue Korsett der Transformation gezwungen – eine alberne Sozialwissenschaft als Produzent von Bestellware nach Regierungsvorgaben, eine Kirche als „Überwachungskirche“, die um ihren Segen und Glauben eine Brandmauer zieht und Menschen, die ihr noch nicht davongelaufen sind, ausschließt.
„Der Raubbau an den symbolischen, sozialen, kulturellen und normativen Beständen, dessen verheerendes Ausmaß sich in der Lebenswelt zeigt, ist schwerwiegender, als es der an den natürlichen Ressourcen und Lebensgrundlagen je war und sein könnte. Zugleich vollzieht er sich lautlos und findet weder mediale noch wissenschaftliche Beachtung.“
Es ist Esders Verdienst, diese Analyse geleistet zu haben und die Umrisse eines Gegenmodells aufzuzeigen.
Michael Esders. Ohne Bestand. Angriff auf die Lebenswelt. Manuscriptum, Klappenbroschur, fadengeheftet, 284 Seiten, 24,00 €.
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Es wird immer noch viel zu viel geschrieben!
Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns nun zu Taten schreiten. Da weitere, deutlichere Aufrufe aus nachvollziehbaren Gruenden der Zensur zum Opfer fallen wuerden, ist die Phantasie eines jeden Einzelnen gefordert.
Es kann so nicht weiter gehen! Der Michel muss auf die Strasse!
eben. Der Michel muss sich bewusst werden, er muss aufwachen aus seiner Selbstzufriedenheit, er muss endlich wieder muendig werden! Dass er das kann, hat er bereits bewiesen und mit Hoffnung blicke ich auf Mitteldeutschland.
Das Buch ist wichtig, wird aber nur von einer kleinen intellektuellen Minderheit gelesen werden. Viel wichtiger ist die Unzahl der kleinen Dinge: der Rentner, der statt der Nachrichten in SWR 1 Kontrafunk einschaltet, der frisch arbeitslose Industriearbeiter, der die Gewerkschaft verlässt, der junge Berufsschüler, der aus Trotz gegen die Lehrer AFD wählt, der ehemalige Messdiener, der zornig und frustriert aus seiner Kirche austritt, der Erbe, der den Ökofonds der Erblasserin verkauft und Uranaktien erwirbt, der ehemalige Redakteur, der seinen alten Arbeitgeber öffentlich kritisiert, der Arzt, der in die Schweiz auswandert, der Amerikaner, der sich im Deutschlandurlaub über die Funklöcher aufregt… Mehr
Die Wählerschaft hat es zugelassen, dass diese Ideologen ihr absurdes Werk immer weiter ausdehnen können. Die einzige Hoffnung sehe ich in einem Erstarken der AfD. Aber auch andere, im Augenblick noch kleine Parteien (Die Basis, Freie Wähler etc.) müssten massiv gestärkt werden. Das Zerstörungskartell aus Union, SPD, Grünen und FDP muss durch merkliche Stimmenverluste so sehr geschwächt werden, dass es kein Unheil mehr anrichten kann.