Wie Frauen unter der Vielehe in Afrika leiden

Während der "Spiegel" positive Seiten der afrikanischen Vielehe behauptet, zeigt die kamerunische Schriftstellerin Djaïli Amadou Amal in einem bemerkenswerten Roman, was das für die betroffenen Frauen tatsächlich bedeutet.

„Während es im Westen als Unterdrückung gilt, findet die Mehrheit dort das Konzept okay.“ Das schreibt ein Spiegel-Autor über die Vielehe im Senegal – ohne allerdings eine Umfrage oder ähnlichen Beleg zu bieten. Fast schon wie Satire erscheint es, wenn das Magazin eine Senegalesin berichten lässt, die nach eigener Aussage „Gender Studies und Soziologie studiert“ hat: „Der polygame Haushalt gibt mir Freiheiten, die ich sonst nicht hätte. Hier im Senegal wird erwartet, dass man als Ehefrau immer für seinen Mann da ist und sich obendrein noch um dessen Familie kümmert. So will es die Tradition. Aber ich will auch Zeit für mich haben, meine eigenen Interessen verfolgen, unabhängig sein.“ Also sei die Vielehe „die beste Option, denn so kann ich mir die Last mit den anderen Frauen teilen“.

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Einen weniger fatalistisch-wohlwollenden Blick bietet die Kamerunerin Djaïli Amadou Amal (geb. 1975), die mit ihrem dritten Roman „Munjal/ Les Impatientes“ (Die ungeduldigen Frauen, Orlanda, 2022) den internationalen Durchbruch als Schriftstellerin geschafft. Das Buch über die Leiden von drei Frauen in Maroua im Norden von Kamerun erinnert an die klassisch gewordene Erzählung der Senegalesin Mariama Ba (1929-1981) „Ein so langer Brief“ (deutsch 1998, Ullstein TB) wie sie als moderne Afrikanerin zu einem Opfer der überlieferten islamischen Polygamie wurde. (Auf dem Vorblatt des Romans schreibt die Autorin Amal: „Diese Geschichte ist eine Fiktion nach wahren Begebenheiten.) Wie Mariama Ba hat auch Djaïli Amadou Amal viel Autobiografisches verarbeitet. Wie ihre erste Heldin Ramla wurde sie im Alter von 17 Jahren von ihren Onkeln mit einem Mann in den Fünfzigern zwangsverheiratet.Es ist in einer ländlichen Bevölkerung üblich, dass Mädchen sehr jung verlobt und verheiratet werden, von den Männern ihrer Familie einen Ehepartner aufgezwungen bekommen, von den Frauen zum Gehorsam ermahnt werden und oft dazu verurteilt sind, still unter gewalttätigen und herrschsüchtigen Männern zu leiden. In der Polygamie müssen sie mit anderen Ehefrauen rivalisieren.Ramla und ihre Schwester Hindou werden von ihrem Vater verabschiedet: „Von nun an gehört ihr euren Ehemännern, ihnen gebührt absolute Unterwerfung, so will es Allah. Ohne Erlaubnis eures Mannes dürft ihr das Haus nicht verlassen, nicht einmal, um an mein Sterbebett zu kommen! Nur so und unter dieser einen Bedingung werdet ihr gute Ehefrauen sein!… (Ramla wird die zweite Frau eines Politikers. Ihre Eltern haben ihre Verzweiflung – sie liebt ihren Verlobten – ignoriert. Schließlich gelingt ihr die Flucht. Ihre Schwester Hindou muss einen brutalen Cousin heiraten. Sie wird von ihm mehrfach vergewaltigt und krankenhausreif geschlagen.)

Wir sind weder die ersten noch die letzten Mädchen, die mein Vater und meine Onkel verheiraten werden. Im Gegenteil: Sie sind eher froh, ihre Pflicht so reibungslos erfüllt zu haben. Sie warten schon seit unserer Kindheit auf den Augenblick, in dem sie ihre Verantwortung endlich abgeben und als Jungfrauen einem anderen Mann übergeben können.“ (Seiten 16-18)

„Wir sind eine vielköpfige Familie. Mein Vater führt sie mit strenger Hand. Vier Frauen haben ihm um die dreißig Kinder geschenkt, von denen die ältesten, hauptsächlich Mädchen, verheiratet sind.“ (S. 23)

Beide Mädchen sind unglücklich in ihrer Ehe. Die Familie wacht jedoch darüber, dass sie als Ehefrauen ihren Männern „Unterwerfung und Respekt“ schulden. Es geht immer um emotionale Erpressung der Familie.

Hindou: „Alle wissen, dass Moubarak mich schlägt, und finden es normal. Es ist ganz natürlich, dass ein Mann seine Frauen zurechtweist, beschimpft oder verstößt. Weder mein Vater noch meine Onkel sind da eine Ausnahme. Sie alle mussten schon mal eine ihrer Frauen schlagen.“ (S. 90)

Historisch bedingte Loyalität
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Schließlich flieht sie vor ihrem gewalttätigen Mann und findet Schutz bei einer freundlichen Frau. Sie wird jedoch von der Familie aufgespürt und zum Vater gebracht: „Du Hure! Sag mir sofort, mit wem du zusammen warst!… Der Riemen der Peitsche zerreißt meinen Pagne und schneidet mir in die Haut. Mit unbewegter Miene wohnen Moubarak und meine Onkel der Geißelung bei.“ (S. 100) Schließlich wird sie für geisteskrank erklärt und festgebunden.

Safira ist verbittert, weil ihr Ehemann sich eine weitere Ehefrau, Ramla, nimmt. Ramla ist jünger als die erste gemeinsame Tochter. „Als er nach zwanzig Jahren Ehe den Wunsch nach einer neuen Frau äußerte, war das ein einseitiger Entschluss, der ihm zufolge überhaupt nichts mit mir zu tun hatte. Er hat sich einfach das Recht genommen und jede Diskussion abgelehnt.“ (S. 122)

Das Thema der drei Romanfiguren kreist um die Zwangsehe, Polygamie und häusliche Gewalt. Von den Frauen wird ständige Ergebenheit und Opferbereitschaft für die Familie erwartet. Die Mütter wissen, was ihren Töchtern angetan wird, aber sie fügen sich wegen der Tradition.

Djaïli Amadou Amal, die wie ihre literarischen Figuren in Maroua im Norden Kameruns in einer großen Gemeinschaft von Verwandten in der Fulani Tradition aufwuchs, wurde als gefügige Tochter mit 17 Jahren an einen älteren Politiker verheiratet. Damals begann sie Tagebuch zu schreiben. Nach fünf Jahren gelingt es ihr, diesen Mann zu verlassen. Sie will sich nicht mehr klaglos unterwerfen.
Dennoch ging sie mit einem polygamen Mann eine zweite unglückliche Ehe ein, aus der zwei Töchter stammen. Der Mann war bedenkenlos gewalttätig, aber sie kann sich erst nach 10 Jahren von der Ehe befreien. Amal sagte in Interviews, dass sie mit dem Buch keine Autobiografie verfasst habe, aber die Protagonistin Ramla sei ihr am ähnlichsten. Keimzelle des Romans sei ein Text in ihrer Muttersprache Ful gewesen: „Ratschläge eines Vaters an seine Töchter.“ In dem Roman wird der für uns schwer erträgliche Text auf den Seiten 14 und 15 wieder gegeben.

Zur Unterwerfung der Frauen im Islam schrieb auch Ayan Hirsi Ali (Ich bin eine Nomadin, Piper 2012):
„Verweigern die Frauen einem Mann die Unterwerfung, beschädigen sie ihn, seinen guten Namen, seine Autorität, den Eindruck, dass er loyal, stark, verlässlich ist. Diese Sitte rührt von der Grundüberzeugung her, dass das Individuum keine Rolle spielt. Die Entscheidungen, Wünsche des Einzelnen sind ohne jede Bedeutung, insbesondere, wenn es sich um eine Frau handelt. Diese Vorstellung von Ehre und männlichem Machtanspruch schränkt die Handlungsmöglichkeiten von Frauen drastisch ein…“

Erste Schreibversuch von Djaïli Amadou Amal

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Nachdem sie ihren zweiten Mann verlassen hatte, machte sie in der 1200 km entfernten Hauptstadt Jaunde ihre ersten Schreibversuche. Auch ihr erster Roman Walaade 2010 handelt von Polygamie, Zwangsehe und Gewalt. Aber erst ihr dritter Roman „Die ungeduldigen Frauen“ 2017 brachte ihr internationale Aufmerksamkeit. Sie erhielt den von Jugend-Jury vergebenen wichtigen französischen Literaturpreis Prix Goncourt des lycéens.

Amal gründete den Verein „Femmes du Sahel“ (Frauen des Sahel), der sich für Frauenrechte und Bildung einsetzt.

Das Buch widmet sie ihrem dritten Mann, dem Schriftsteller Hamadou Baba und ihren Kindern. Die Familie lebt heute in der kamerunischen Hafenstadt Duala (1600 km entfernt von der Familie). Amal gilt heute als eine der wichtigsten Schriftstellerinnen Kameruns.

„Die ungeduldigen Frauen“ ist in drei Teile gegliedert. Jede Frau schildert ihr Schicksal (Zwangsehe, häufige körperliche Züchtigung und Polygamie) auf eine Weise, dass man das Buch kaum mehr aus der Hand legen will. Man merkt, dass die Autorin viel Autobiografisches verarbeitet hat und spürt ihre Empathie für die geschundenen Frauen. Sie weiß, wovon sie spricht, und wiederholt nicht nur Plattitüden des Mainstreams, sondern hat selbst fundiertes Wissen. Das Buch ist ein gelungenes Stück Aufklärung über das Tabu der Kinderheiraten und das abschätzige Frauenbild in Nordkamerun. Der Orlanda-Verlag schafft es durch Bücher wie dieses gegen das im Sahel herrschende Unrecht aufzubegehren – das erfordert nicht nur bei der Autorin Mut und Zivilcourage. Der Text tut weh, aber vielleicht hilft er, die weit verbreitete Mauer der Verleugnung der Missstände (leider manchmal auch in Europa) zu durchbrechen. Mit Verschweigen und Verharmlosen kommen wir nicht weiter.


Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zu afrikanischen Themen und hält Vorträge.

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Kommentare ( 12 )

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12 Comments
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giesemann
2 Jahre her

Wer nicht „verschweigt und verharmlost“ wird hierzulande wegen Volksverhetzung verurteilt. https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-58571?hl=true
Noch Fragen?

Innere Unruhe
2 Jahre her

Wir müssen uns mit ihren Rechten befassen – aus Selbstschutz.
Wir müssen uns damit befassen, um die Perspektive zu erkennen – unsere Perspektive. Ist eine weiße Frau einem solchen Kameruner mehr Wert als eine afrikanische?
Auch hier soll eine „Nie wieder“ Bewegung für die Gleichberehtigung der Frauen entstehen. Oder wir sollen unsere eigene Ordnung verteidigen und Personen, die diese potentiell gefährdern könnten, draußen lassen.

Innere Unruhe
2 Jahre her

Würden Frauen leiden, würden sie fliehen. In den Booten sitzen aber die Männer. Selbstverständlich leiden die Frauen, aber wir ziehen es vor, den Männern in den Booten zu helfen – zu einem sehr hohen Tagessatz. Dann ist das Geld alle und die Frau kann weiter leiden. Wir sehen es ja nicht. Und wir holen uns Frauen aus Afghanistan. Und – damit es ihnen wie zu Hause geht – die Männer gleich dazu. Ändert dieser Umzug irgendwas an ihrem Leid? Nicht wirklich, sie die bekannt gewordenen Verbrechen an den Frauen. Und wir sollen tolerant diesen Männern gegenüber sein. Wieso eigentlich? ———–… Mehr

Manfred_Hbg
2 Jahre her

Jo, die -auch- hier beschriebenen muslimischen „MÄNNER“ brauchen wir als Bereicherung im Land.

Da kann ich es kaum erwarten bis bald auch bei uns endlich der erste senegale Moslem mit seinen 4 Frauen und 30 Blagen zwecks Daueralimentierung und Bereicherung auftaucht und dann neben sein Haus und sein Auto auch noch seine 5. 11- oder 13-jährige Ehefrau verlangt.

Deutschland ist bunt und weltoffen…., (Zynismus/Ironie off).

Innere Unruhe
2 Jahre her
Antworten an  Manfred_Hbg

„„Von nun an gehört ihr euren Ehemännern, ihnen gebührt absolute Unterwerfung, so will es Allah. Ohne Erlaubnis eures Mannes dürft ihr das Haus nicht verlassen, nicht einmal, um an mein Sterbebett zu kommen! Nur so und unter dieser einen Bedingung werdet ihr gute Ehefrauen sein!…“ Wenn Allah es so will, sollten wir das tolerieren – aus Religionsfreiheit. Und diese Religionsfreiheit sollen wir auch in anderen Ländern tolerieren. Schutz brauchen diese Frauen nicht – sie zu schützen, bringt uns in den Konflikt, zwischen der Unabhängigkeit der Frau und der Religionsfreiheit entscheiden zu müssen. Wollen wir das? Müssen wir uns mit diesem… Mehr

giesemann
2 Jahre her

„… das Tabu der Kinderheiraten“ – das ist alles seit langem bekannt*, wird aber immer noch ignoriert. Warum wohl? Und stimmt natürlich alles, ein gigantisches Verbrechen an Mädchen und Frauen. Wobei der Moslem schon recht hat: Es ist völlig egal, ob zB vier Frauen von EINEM Kerl ständig schwanger gehalten werden oder von vier plus X Kerlen. Entscheidend ist: Frühe Schwangerschaft mit 14/15 bedeutet Generationenfolge von 14/15 Jahren, bei ohnehin vielen Kinderchen. Weltweit sind davon 650 Millionen Mädchen betroffen, wie viele Kinderchen von Minderjährigen bedeutet das? Paar Milliarden? Nicht paar Millionen! EINE Milliarde sind 1000 (tausend) Millionen. Menschenrechte für junge… Mehr

Innere Unruhe
2 Jahre her
Antworten an  giesemann

Ein Muslim kann so viele Frauen haben, wie er ernähren kann.
Das ist ein klares Zeichen dafür, jegliche Hilfe einzustellen. So und nur so werden Familiengrößen und Kinderanzahl minimiert.
Wir sollten Afrika in Ruhe lassen. Sie sollen ihre Selbstregulierung selbst übernehmen und nicht von uns stören lassen.

giesemann
2 Jahre her
Antworten an  Innere Unruhe

Absolut. Und wir müssen https://www.spiegel.de/politik/die-reichen-werden-todeszaeune-ziehen-a-628d4249-0002-0001-0000-000014344559?context=issue
Griechenland und Polen haben gezeigt: Es wirkt. Denn das Problem ist eher: Weder Afrika noch Moslems lassen UNS in Ruhe. Mit ihrem unsäglichen Zeugs.

giesemann
2 Jahre her

Problem: Kümmerst du dich, mischst du dich ein, wirst du hierzulande als Volksverhetzer verurteilt, https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-58571?hl=true

Fieselsteinchen
2 Jahre her

Was, Herr Seitz, hat sich für die Frauen, belassen wir es bei Westafrika, in den letzten 30 bis 40 Jahren geändert? Welche Richtung wurde insgesamt eingeschlagen – in die Moderne oder zurück in die Vormoderne? Welchen Einfluss auf die Entwicklung der Polygamie hat der sich ausbreitende Islam in diesen Gegenden? Das wäre im Zusammenhang interessant zu erfahren und dann in Vergleich setzen, wie viele Milliarden an internationaler Entwicklungshilfe in Frauen- und Mädchenprojekte geflossen sind. Die Ergebnisse scheinen sehr zu ernüchtern. Dennoch: die Veränderung muss von den Afrikanern selbst kommen. Wenn Religion/Tradition als mehrheitlich positiv wahrgenommen wird, hat niemand das Recht… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Fieselsteinchen
Petra Horn
2 Jahre her
Antworten an  Fieselsteinchen

Mehr Kinder überleben durch den dortigen medizinischen Fortschritt. Woher kommt eigentlich das Essen für die vielen Kinder?

Kri-Kri
2 Jahre her

Die Sahel Zone bis zum 6ten Breitengrad ist eine andere Welt die ich nicht gut kenne. Allerdings gibt es im christlichen Äquatorgürtel auch das Phänomen der Polygamie in verschiedenen Ländern (z.b: Kamerun). Eine Ehe entspricht dort nicht unseren romantischen westlichen Vorstellungen von ewiger Liebe sondern dem Bedürfnis nach materieller Versorgungssicherheit. Eine attraktive junge Frau wird lieber die Zweitfrau von einem älteren adipösen Minister werden als ihren jungen attraktiven Liebhaber zu heiraten der bei einem Wachdienst für 150€ beschäftigt ist. Selbstverständlich wird sie in der Ehe (ob Zweitfrau, Erstfrau…) wissen wie sie ihre finanziellen Interessen verteidigt, und zwar mit Zähnen und… Mehr