Sie leben in der besten aller grünen Welten; privilegiert öko, voll bio, reich, vegan, wohlanständig woke und ständig darauf bedacht, bloß kein falsches Wort zu äußern. Doch dann geschieht das Unerwartete. Und das grüne Weichei wird zum Mann. Im Roman
Große Literatur nervt die Herrschenden und entlarvt die von ihnen geschaffenen und benutzten Zustände: Emile Zola, Guy de Maupassant, Charles Dickens, auch Norman Mailer, Monika Maron. Eine Gruppe neuer deutscher Literaten nimmt sich die Windkraftprofiteure vor, wie Juli Zeh – ironisch, verspielt. Kritik in Deutschland wird am liebsten biedermeierlich getarnt, gibt sich gern edel und gefällig; man will ja Häppchen abgreifen im staatlich subventionierten Literaturbetrieb im Zeitalter von Cancel Culture. Und da kommt Thor Kunkel, und der Donnergott im Namen ist Programm, aber zufällig. Die Mutter hatte während der Schwangerschaft „Die Nibelungen“ gelesen. Schaffen sich Vornamen ihre Träger, lebt man nach dem Namen – nomen est omen?
Lange hat ihn der Betrieb der Sprachregler als deutsche Antwort auf „Pulp Fiction“ gefeiert. Walser lobte ihn, Rowohlt bewarb sich um ihn, der linke „Guardian“ sah in ihm den „heißesten Jungautor der deutschen Literatur“. Dann legt er seinen Roman „Endstufe“ vor, schreibt schräg über Nazis und ihre Pornos der „Sachsenwaldproduktion“, und unsicher geworden, gehen die Häppchenesser und Mundverbieter auf Distanz: Könnte irgendwie ein Nazi sein. Es folgt die Entfernung aus dem Garten Eden der Subventionsliteratur. Es muss ja nicht immer Kaviar sein, aber gleich so ein Höllensturz?
Sein „Wörterbuch der Lügenpresse“ soll helfen, die unaussprechliche Gendersprache und ihre nur Eingeweihten bekannten Codes zu übersetzen, wird aber als subversive Tat entlarvt.
Und jetzt: „Im Garten der Eloi – Geschichte einer hypersensiblen Familie“, ein Roman aus dem edelsten Grünenviertel Berlins, aus einer „politischen Lebensgemeinschaft“, der direkt oder indirekt aus öffentlichen Mitteln finanzierten „Tafelrunde der Guten“. Ein Roman, der über weite Strecken in einer Gedankenwelt spielt, die der gesunde Menschenverstand als traumatisierend und verstörend empfindet – die längst herrschende gesellschaftliche Realität.
Es ist die Gedankenwelt derer, die mittlerweile die Regierung wie auch ihre vielen Medien beherrschen und eine Sprache sprechen, die nur noch schwer zu verstehen ist. Sie wollen die Welt durch Benennung verändern, deshalb gurgeln sie in Schlucklauten um das generische Maskulinum herum, als ob Sprachreinigung zur Ablösung vom biologischen Geschlecht bei Neugeborenen beitragen könnte.
Ritt durch die Sprachverhunzung
Es ist ein apokalyptischer Ritt durch Sprachverhunzung und Beschönigung einer Entwicklung, die Thor Kunkel auf eine Kurzformel bringt: „… wir leben in einer römisch renovierten Demokratie. Was bedeutet, je verfallener es im Inneren zugeht, umso sorgfältiger, ja perfekter wird das Äußere übertüncht.“
Das politische System ist nur noch Camouflage für ganz andere Vorhaben, wie Kunkel seinem Romanprotagonisten erklären lässt: „Alle Parteien arbeiten heute nach übergeordneten Ideen, die so in keinem Wahl-Programm stehen. Wen immer die Wähler wählen, der Kurs ändert sich nicht. Die Einwanderung ist nur die praktische Umsetzung der Erkenntnis, dass eine einzige biopolitische Maßnahme wirkungsvoller ist als hundert Plenarsitzungen. Für einen Deutschen ist es ein Risiko, sich zu wehren. Wer sich wehrt, beweist, dass er nichts dazugelernt hat und morgen wieder die Hand heben könnte. Die rechte, wohlgemerkt.“
Kunkels Sprache erzwingt den Lacher, ist auf die Pointe konstruiert wie Werbung auf die Kaufbotschaft. Die Handlung folgt ein paar Kurven, die aber nicht verraten werden sollen: Ein Werber der grünen Wunderwelt erlebt in der eigenen Familie, an der geliebten Tochter „Ikea-Eden“, den Einbruch der Wirklichkeit von außerhalb des Raumes, in dem sich die grünen Privilegierten gut eingerichtet haben.
Es ist die Welt in „einem der besseren Bionade-Gettos der Stadt und nicht unpassend für ein Paar, das seine Brötchen am Empörungs-Everest der Deutschen verdiente. Der hufeisenförmig gebaute Wohnkomplex inmitten eines buddhistisch anmutenden Parks verfügte über eine Waldorfschule, ein Yoga-Zentrum, ein Dutzend exotischer Restaurants und eine auf Öko getrimmte Mall.“
Harro Grunenberg, genannt „Grünchen“, hat der ethischen Werbung zum durchschlagenden Erfolg verholfen, die jedes Produkt moralisch überhöht um ihren Nichtkäufer unter Druck zu setzen. „Obwohl er inzwischen zur Geschäftsleitung zählte, war sein Markenzeichen noch immer der schlichte Jutebeutel geblieben, Aufschrift: ‚Plastic Bags are for plastic people‘. Andere Seite: ‚Außen Jute, innen Geschmack!‘ Damit waren in Grünchens Fall Bio-Remoulade, Algenaufstrich nach Landmannart, Naturdarm-Knackwurst … und veganes Katzenfutter gemeint.
Aber es ist keine Welt, die jedem offensteht, Inklusion ist nicht vorgesehen, wenn Hautfarbe und Herkunft nicht stimmen. Die innere Brutalität des Geschehens packt er in einen Satz: „Der Islam – und ich weiß das aus Gaza – ist ein Jagd-Kollektiv. Sein Vormarsch wird heute von zwei Grundgeräuschen begleitet – dem Schmatzen eines muslimischen Säuglings und dem letzten Schnaufer eines abgestochenen Deutschen …“. Damit wird auch klar, dass die Publikation oder auch nur eine Besprechung dieses Buchs schon ein Anschlag auf die alles durchdringende Lehre der neuen Welt ist.
Dem Irrsinn entflohen
Thor Kunkel selbst ist dem entflohen, lebt mit seiner Frau in 2000 Meter Höhe auf der Schweizer Rieder Alp, verfeinert das Gletscherwasser mittels einer Gaspatrone zu Soda. Das gute Leben ist dem Jungen aus dem Frankfurter Gallus – von den Einheimischen auch „Kamerun“ genannt – durchaus geläufig.
Grünchen schafft es zurück aus der Unterwelt des real existierenden Sozial-Stalinismus Berliner Prägung, bleibt bei Frau, Tochter und Sohn, der seine geistige Beschränktheit mit Antifa-Zugehörigkeit kompensiert. Er wird nach einem Schweijk’schen Streich wieder in die Familie der grünen Absahner aufgenommen, die jeden aufkeimenden Widerstand der Urbevölkerung mittels Antidepressiva zum Erliegen bringen und unangefochten an der Spitze des Fortschritts stehen.
Dafür muss Grünchen akzeptieren: „Indem wir die Ersten waren, die sich von der Idee eines eigenen Volks lossagten, sind wir zum Inbegriff des neuen Europas geworden. Das Entwurzeln einer Bevölkerung von achtzig Millionen war nicht immer leicht, aber inzwischen hat auch der letzte Dunkeldeutsche kapiert, dass er sich seinen Lebensraum in Zukunft mit Orientalen, Schwarzafrikanern, Vulkaniern, Proto-Shoggotten und weiß Gott wem teilen wird! Abwählen können sie uns nicht mehr, also bieten wir ihnen jetzt ein pharmakologisches Selbstmanagement an. Die Optimismus-Pille … Nimm zwei, wenn du dein eigenes Wort in der U-Bahn nicht mehr verstehst und glaubst, dass du in Istanbul bist. Nimm drei, wenn der Messerheld kommt …“
Thor Kunkel, Im Garten der Eloi. Roman. Europa Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag, 448 Seiten, 24,00 €.
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Interessiert bloß keinen, deshalb bleibt es auch erlaubt, ein paar Tropfen Wahrheit in einem Meer von Lüge schaden nicht, im Gegenteil.
Wenn dieser Autor einen FB Account mit 1 Million Followers < 30 Jahre hätte wäre er sofort weg vom Fenster, so ist eine Art Sterbebegleiter der bürgerlichen Boomer…
Der Humor stirbt zuletzt.
Da die Mehrheit der Deutschen (mittlerweile?) aus rückgratlosen Opportunisten und Denkfaulen besteht, wird dieses Sterben ohnehin immer akzeptabler.
Auf der Suche nach den letzten echten Deutschen, bin ich Alt-Hippie in einen Schützenverein eingetreten, um dort genau dies fest zu stellen. Diese Episode würde jeden dystopischen Roman dieser Art bereichern.
Meine Assoziation hier Wells Roman, Eloi und Morlock. Ich denke schon länger darüber nach, ob wir uns in die Richtung entwickeln, 2 Arten von Menschen. In den Schulen wird der Spalt zwischen unmotivierten Gesamtschülern und trainierten Gymnasiasten und Privatschülern immer grösser, die haben nur noch wenig gemeinsam.
Nun so ganz ungeschoren werden die Bobos auch in Deutschland nicht davonkommen. T.C. Boyle hat das in seinem kurzen Roman „Amèrica“ schon 1995 hellsichtig für die Südkalifornier zu Papier gebracht, denn der Vertrauenverlust, der schleichend einsetzt, sobald nicht-assimilationsfähige Problemethnien einwandern, ist für jede hochentwickelte Gesellschaft ein zersetzendes Gift, wie Oxford-Professor Paul Collier in „Exodus“ darlegt. Irgendwann nehmen dann sogar liberale Migrantophile reißaus, siedeln auf Inseln, die mit dem Hexenkessel buntes Miami nur noch über Zugbrücken zu erreichen sind (Tom Wolfe in „Back to blood“) oder wandern nach Australien aus wie Nobelpreisträger und Antiapartheidsaktivist John Maxwell Coetzee („Schande“).
„Und das grüne Weichei wird zum Mann.“ Nein, er bleibt weiterhin ein Bestatter von Andenmäusen in seiner Grunewald-Villa. Da hilft auch kein „Dammriss II“ bei seines arabophilen Töchterchen infolge der Neujahrsnacht auf der Domplatte.
Thor Kunkels „Wörterbuch der Lügenpresse“ ist sehr interessant strukturiert. Der Wörterbuchteil ist schon ziemlich böse/deutlich, aber der Nicht-Wörterbuchteil ist entlarvend und grandios. Da sieht man, daß Thor Kunkel schreiben kann. Und Roland Tichy habe ich heute als super Buch-Rezensor entdeckt.