Susanne Schröter: Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht

Die viel beklagte „Spaltung der Gesellschaft“ in Deutschland hat weniger materielle Ursachen als kulturelle, konkret: ein Weltbild, das die „Objektivität“ der Wissenschaft, die Emanzipation der Frau oder den Nationalstaat Deutschland nicht mehr anerkennt. Schadensbilanz einer Ethnologin.

„Ich war eine undogmatische linke Studentin“, schreibt Susanne Schröter rückblickend (Jahrgang 1957), die dann eine konventionelle wissenschaftliche Karriere machte: 1994 Promotion in Ethnologie, 1998 Habilitation (Habilitationsschrift: „Die Austreibung des Bösen:  Ein Beitrag zur Religion und Sozialstruktur der Sara Langa in Ostindonesien“),  2004 Berufung an die Universität Passau (Lehrstuhl für Südostasienkunde) und 2008 an die Universität Frankfurt (Lehrstuhl für Ethnologie), wo sie 2014 ein Forschungszentrum „Globaler Islam“ gründete.

In Südostasien erlebte Schröter, wie der vorher tolerante Islam sich zum Islamismus radikalisierte und zu einer politischen Kraft wurde. Dieser politische Islam erreichte um die Jahrtausendwende Deutschland und schaffte Konflikte im Alltag der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft, von der Verschleierung der Frauen, den Essensvorschriften, dem Fasten während des Ramadans bis zu terroristischen Gewalttaten.

Schröter nahm öffentlich Stellung und wurde bald zur „umstrittenen“ Person, man beschuldigte sie des „antimuslimischen Rassismus“ und forderte ihre Entlassung: „#Schröter raus“, lautete ein Hashtag im Internet. Diese – beamtenrechtlich unsinnige – Forderung hat sich inzwischen erledigt: Am 1. Oktober 2023 erreichte Frau Schröder die Altersgrenze und wurde pensioniert. Sie kann nun ganz frei sich äußern, aber das vorliegende Werk ist keine „Abrechnung“: Es geht weniger um Personen als um Strukturen, nämlich die ideologischen Netze, die von der herrschenden politisch-medialen Klasse mit wissenschaftlicher Hilfe über die Wirklichkeit gespannt werden, um diese nicht sehen zu müssen.

TE-Interview
Susanne Schröter über den neuen Kulturkampf
Der Text ist in drei Teile gegliedert, mit jeweils drei Kapiteln. Teil I „Universitäten im Griff woker Ideologien“ (S. 13-88) ist ein persönlicher Erfahrungsbericht. Schröter schildert hier – so die Kapitelüberschriften – „Wie man in der Wissenschaft zu einer umstrittenen Person wird“, „Angst und Einschüchterung im Wissenschaftsbetrieb“ und „Die woke Linke an den Universitäten“, deren Herrschaft die „akademischen Debattenräume“ verengt und abweichende Meinungen „cancelt“.

Teil II „Die Ausdehnung der Tabuzonen und die Erschaffung einer neuen Wirklichkeit“ (S. 89-161) behandelt drei aktuelle politische Bereiche: Die deutsche Migrationspolitik, die vom „Ende des Nationalstaats“ träumt; die „Islamophobie-Lobby“, welche den Deutschen „Islamfeindlichkeit“ unterstellt, und „die Irrwege des Feminismus“. In diesen Bereichen werden Fakten durch Sprachregelungen ersetzt. Am bekanntesten ist die Gendersprache, welche die biologische Tatsache zweier Geschlechter durch sprachliche Konstruktionen (Genderstern u. Ä.) unsichtbar zu machen versucht.

Für die Migrationspolitik gilt der Satz „Deutschland ist ein Einwanderungsland“, gemeint ist: „Einwandererland“ (nicht der Staat sucht die Einwanderer aus, sondern die Migranten den Staat), als unfehlbares Dogma, mit dem Ergebnis: „Die überwiegende Mehrheit der Migranten, die als schutzsuchend verbucht werden, ist unqualifiziert, bildungsfern, und arbeitet auch nach Jahren nicht, sondern belastet die öffentliche Hand jährlich mit Milliardenbeträgen.“ (S. 104)

Faeser und Haldenwang scheinbar unbesorgt
Deutschland wird unverhohlen mit feindlicher Übernahme gedroht
Wer auf diese Migrationsrealität hinweist, wird als „islamophob“ oder „muslimfeindlich“ gebrandmarkt; die entsprechende – staatlich finanzierte – „wissenschaftliche“ Unterstützung geben das „Jahrbuch für Islamophobieforschung“ (seit 2010) und die Berichte der 2020 vom damaligen CSU-Innenminister Seehofer eingerichteten „Unabhängigen Expertenkommission Muslimfeindlichkeit“.

Teil III „Diskurshoheit und Geschäftsinteresse“ (S. 163-248) zeigt, wie lukrativ in den beiden letzten Jahrzehnten die Verbreitung der woken Ideologie für deren „Aktivisten“ geworden ist: „[Es] hat sich ein dichtes Netzwerk aus universitären Lehrstühlen, außeruniversitären Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Antidiskriminierungs- und Beschwerdestellen sowie aktivistischen Nichtregierungsorganisationen und Kulturinitiativen gebildet, die den Kampf für das vermeintlich Gute zum einträglichen Geschäftsmodell ausgebaut hat.“ (S. 165)

Damit dieses Geschäftsmodell floriert, müssen allerdings die Deutschen – zumindest tendenziell – „rassistisch“, „islamfeindlich“, „queerfeindlich“ usw. sein und bleiben. Der „Ausblick“ (S. 245-248) ist für „diejenigen, die schon länger hier leben“ (O-Ton Bundeskanzlerin Merkel 2007), also die Deutschen, trübe: „Es ist offenkundig, dass uns ein Weiter-so die Zukunft kosten kann. Die sozialen, kulturellen, bildungspolitischen und monetären Kosten der … ungesteuerten Zuwanderung sind nicht mehr zu stemmen. Ämter, Schulen, Kitas und das Gesundheitswesen sind heillos überfordert.“ (S. 245)

Die kürzlichen Demonstrationen für ein „Kalifat Deutschland“ zeigen, dass diese „Zukunft“ schon begonnen hat.

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„Trau keinem über 30!“ war ein beliebter Spruch der 1968er Studentenbewegung. Da Professoren nur selten unter 30 Jahre alt sind, waren sie als Gruppe von diesem Misstrauen stark betroffen. Heute, in Zeiten politisierter Wissenschaft, müsste der Spruch lauten: „Trau keinem unter 65!“; denn erst gegen Professoren im Ruhestand gibt es keine Sanktionen mehr: Sie können zu politisch brisanten Themen – Klimawandel, Corona, Gendern, Migration usw. – die ungeschminkte wissenschaftliche Wahrheit sagen. Susanne Schröter hat dies schon vor ihrer Pensionierung als Einzelgängerin getan; nun ist sie nicht mehr allein, sondern in guter und zahlreicher Gesellschaft.


Susanne Schröter, Der neue Kulturkampf. Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht. Verlag Herder, 272 Seiten, 20,00 €


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Kommentare ( 4 )

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LiKoDe
7 Monate her

Hypermoralische, bornierte und verbalradikale Kleinbürger stellen sich seit Anfang der 1960er als ‚Linke‘ dar. Dabei half und hilft ihnen eine allmählich durch CDU+SPD+FDP+Grüne verdummte Gesellschaft.

Das seit den 1960ern zahlenmässig stetig angewachsene sowie leistungslos wohlversorgte Kleinbürgertum schuf und schafft sich auch an Universitäten seine eigene Versorgung, die sie mit Klauen und Zähnen verteidigen.

Joerg Gerhard
7 Monate her

Ich las gerade einen amerikanischen Artikel in dem ein Statement vieles davon und mehr sehr treffend auf den Punkt brachte:
Es gibt keine ethische Linke mehr.
Sarah Wagenknecht in D vielleicht ausgenommen, was auch ihren relativen Erfolg erklaert.

Haba Orwell
7 Monate her

> gemeint ist: „Einwandererland“ (nicht der Staat sucht die Einwanderer aus, sondern die Migranten den Staat)

Etliche andere Staaten suchen sich künftige Bürger selber aus. Wenn der Michel stattdessen Chaos irgendwie erhaben findet, wird die Evolution kollektiv zuschlagen. Die erste Nation, die den Darwin-Award bekommt?

Erinnerung: 30% für schwarze Grüne, 15% für grüne Grüne… bis 5% für SED-Grüne… immer noch.

pcn
7 Monate her

Ich werde einen Kommentar schreiben, wenn ich das Buch gelesen habe. Vorab nur meine bescheidene Meinung. Es war spätestens mit der Grenzöffnung, die bis heute offen ist, abzusehen, in welche Zerstörung dieses einstmals schöne Land entgegensieht. Und genau das war auch Merkels Absicht. Es ging ihr nicht um eine humanitäre Geste, sondern um einen grundsätzlichen Umbau in eine fast identitätslose Nation, deren Identität von Woche zu Woche mehr und mehr verschwindet. Die offene Gesellschaft, eine Kreation nicht zuletzt dem Unverständnis der akademischen Lehre, einstmals als unverbrüchlicher Hort des wissenschaftlichen Diskurses an vorderster Front des weltweiten Ansehens, mutiert nun Stück für… Mehr