Michael Wolski hat die Rechtsprechung nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz AGG analysiert und zeigt, dass Deutschland – offenbar als einziges der 28 EU Länder – Muslimen bei der Religionsausübung sehr weitreichende Rechte am Arbeitsplatz einräumt, zu Lasten der Arbeitgeber. Sollten die Richter am EuGH der Sicht der Generalanwältin in einer anhängigen Klage folgen, kippt in Deutschland die Rechtsprechung.
Die erste Phase der Flüchtlingewelle geht ihrem administrativen Ende zu. In wenigen Monaten werden alle Flüchtlinge, die bisher ankamen, registriert sein und die meisten werden bis Jahresende das Asylverfahren durchlaufen haben. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit stehen dann im Sommer bis zu 350.000 Flüchtlinge über die Jobcenter dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Die bisherigen Beiträge in den Medien zu Flüchtlingen sind von kontroversen Standpunkten geprägt. Überwiegend Politiker, Islamwissenschaftler, Sozialarbeiter, die NGO‘ s, Kirchen und Tendenzbetriebe melden sich zu Wort. Liest man die Lesermeinungen in den Medien (ich habe keinen Zugang zu sozialen Netzwerken und kann mich deshalb nur auf die Medien beziehen), so widerspiegelt sich dort kaum der Optimismus der o.g. Gruppen.
Ein Bereich wird ausgeklammert. Die Wortführer sind ja dort nicht tätig und kennen sich offenbar nicht so gut aus. Das ist der Bereich, wo Menschen ihr Brot nicht vom Staat aus Steuern bezahlt bekommen, sondern jeden Monat am Markt erkämpfen müssen. Ich spreche von den etwa über drei Millionen privatwirtschaftlichen Firmen, die keinen staatlichen / halbstaatlichen Eigentümer haben.
Haben Sie schon mal nachgedacht, warum es da so ein lautes Schweigen gibt? Ja, es gibt eine Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums und des Dachverbandes des Industrie- und Handelskammern mit dem Namen: „NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ und auch Initiativen von Wirtschaftsstiftungen.
Aber niemand – auch nicht die IHK und HWK – stellt das Thema „streng religiöse Muslime am Arbeitsplatz integrieren“ in den Mittelpunkt. Etwa 80% der 2015 angekommenen 1,1 Millionen Flüchtlinge sind muslimischen Glaubens und kommen aus den als am strengsten religiös definierten Ländern Syrien, Irak, Iran und Somalia. 2014 waren es noch 63% bei 225.000 Flüchtlingen.
Arbeitgeber kennen – und fürchten – das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) und die dort definierten Gründe für Diskriminierung. Nach dem AGG hat jeder Mensch die gleichen Rechte unabhängig von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Religion, Weltanschauung, Alter oder sexueller Identität.
Wie (fast) alle Gesetze in Deutschland beruht auch das AGG auf Vorgaben der EU. Aber sind dann die mittlerweile 28 Gleichbehandlungsgesetze (oder Anti-Diskriminierungsgesetze) in den EU-Ländern gleich? Die Antwort lautet: Nein.
Schaut man sich generell staatliche Regelungen in einzelnen EU-Ländern an, so ergibt sich der Eindruck, dass Vorgaben aus Brüssel sehr unterschiedlich umgesetzt werden. In einigen Ländern ist man bei 75 % Umsetzung schon sehr zufrieden und sieht dies fast als Übererfüllung an, wogegen in Deutschland eine Umsetzung mit 130 % als noch nicht vollständig betrachtet wird. Das hat dann Konsequenzen, wie beim AGG.
Innenminister Schäubles Hinterlassenschaft
Zum besseren Verständnis, wann und wie das AGG gemacht wurde: Nach Ende der rot-grünen Koalition 2005, wo mit den Arbeiten am Gesetz begonnen wurde, hat dann im Jahre 2006 – also vor 10 Jahren- nach einer intensiven Diskussion der Bundestag das AGG verabschiedet. Es trat im August 2006 in Kraft. Sechs Wochen später sprach der damalige Innenminister Schäuble in einer Regierungserklärung der CDU/SPD Koaltion (zur Vorbereitung der Islamkonferenz) den bekannten Satz:
„Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart und er ist Teil unserer Zukunft. Muslime sind in Deutschland willkommen. Sie sollen ihre Talente entfalten und sie sollen unser Land mit weiter voranbringen.“
Hätte er zuerst diesen Satz gesagt und dann das AGG eingebracht, wären doch einige Abgeordnete stutzig geworden und die Wirtschaft wäre vielleicht rechtzeitig aufgewacht und Sturm gelaufen bei dem Punkt „religöse Diskriminierung“.
Die hier schon lebenden Muslime haben vor den Arbeitsgerichten bisher durchgesetzt:
- 2 bis 3 bezahlte kurze Gebetspausen während der Arbeitszeit (Urteil 2002)
- unbezahlte Freistellung zum Besuch der Moschee am Freitagmittag
- Verweigerung des Transports von Alkohol in Flaschen aus religiösen Gründen (Urteil 2011)
- Tragen des islamischen Kopftuchs (Urteil 2012)
Damit wurde der Boden für die Aufnahme der muslimischen Flüchtlinge in privatwirtschafltichen Unternehmen gelegt. Warum sage ich „privatwirtschaflich“?
Diskriminierung der Wirtschaft
Das AGG gilt bei religiöser Diskriminierung nur eingeschränkt für Kirchen, Staat und Tendenzbetriebe (wie z. B. Diakonie und Caritas). Diese müssen keine muslimischen Gläubigen, die z.B. das Kopftuch tragen oder während der Arbeitszeit beten wollen, als Arbeitnehmer akzeptieren. Sie verdienen ihr Geld mit der Erstaufnahme der Flüchtlinge, bezahlt aus den Steuern. Deshalb die vielen wohlfeilen Worte der Kirchenfürsten und Parteioberen.
Kommen wir zurück auf die 27 anderen EU Länder. Kennt man dort auch diese Zugeständnisse? Ich konnte nicht alle Länder untersuchen, dazu fehlten mir Zeit und Geld. Aber es sieht so aus, dass außer in Deutschland nur in Großbritannien das Gebet am Arbeitsplatz seit 2013 erlaubt ist. Das ist einer der Gründe, warum es in Großbritannien kein „refugees welcome“ gibt und die Flüchtlinge auf der französischen Seite des Kanals zur Abschreckung in elenden Camps hausen müssen.
Vergleicht man die deutschen Regelungen mit Österreich, wo es seit 1912 ein Islamgesetz gibt, welches 2015 novelliert wurde, fällt auf: In Österreich gibt es keine Möglichkeit, am Arbeitsplatz zu beten, für den Freitag-Besuch in der Moschee eine Freistsellung vom Arbeitgeber zu fordern oder den Transport von Alkohol im Betrieb aus religiösen Gründen zu verweigern. Nur das Kopftuch darf getragen werden. Sehen Sie die Tabelle mit den Anmerkungen.
Es wäre eine interessante Aufgabe für den DIHK und die deutschen Auslandshandelskammern (AHK), zu analysieren, in welchen EU-Ländern – außer Deutschland und Großbritannien – das Beten während der Arbeitszeit (z. T. auf Kosten des Unternehmers) und weitere Umsetzung von Anforderungen des Korans gestattet sind. Ich denke: Es gibt keine. Die jetzige Gesetzgebung und Rechtsprechung in Deutschland ist im EU-Kontext ein Wettbewerbsnachteil für die deutsche Wirtschaft, über den die Politik schweigt.
Die Rechtssprechungspraxis ist, dass die Arbeitsgerichte nur Religionsgutachten orientalischer Religionsgelehrter akzeptieren, nicht jedoch deutscher Prediger oder Islamwissenschaftler. Diese werden zwar staatlich ausgebildet und subventioniert, werden aber von den Orientalen nicht anerkannt. Das deutsche Arbeitsgericht hinterfragt diese Gutachten nicht.
„Jedenfalls gehört zum Recht auf ungestörte Religionsausübung nach Art. 4 Abs. 2 GG auch das Durchführen von Gebeten (Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I Art. 4 Rndr. 53 mit weiteren Nachweisen). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es dabei nicht darauf an, ob die Religion das Beten während der vom Kläger begehrten Zeit zwingend vorschreibt. Ausreichend ist, dass der Gläubige die religiöse Handlung als verbindlich ansieht.“ (Böckenförde, NJW 2001, S. 723, 724).
Dieses „ausreichend ist … verbindlich ansieht“ ist die Einladung an die konservativsten Muslime (Wahabisten, Salafisten, Vertreter des Islamischen Staates), die Forderungen des Korans in etwa 3,7 Millionen Unternehmen im größten Land der EU umzusetzen unter dem Schutz der Rechtsprechung zur religiösen Diskriminierung.
Diskriminierung der Nicht-Muslime
Aus meiner Sicht werden dann in Zukunft mit dem AGG in einem säkularen Land die Ungläubigen diskriminiert, ganz im Sinne der „Fatwa zu der Frage, wie der Islam die Ungläubigen ansieht“.
„Unser Prophet [Muhammad] hat uns befohlen, gegen die Ungläubigen zu kämpfen, wenn wir in der Lage sind, sie in ihren Ländern zu erobern und sie vor die Wahl zu stellen, bevor wir ihre Länder erobern:
- Zum Islam überzutreten. In diesem Fall werden sie [die Ungläubigen] wie wir betrachtet, sie haben unsere Pflichten und Rechte;
- Tribut [an Muslime] im erniedrigten Zustand zu zahlen;
- Sich für den Krieg [gegen uns Muslime] zu entscheiden. In diesem Fall werden uns [im Falle unseres Sieges] ihr Eigentum, ihre Frauen, Kinder und Ländereien gehören. Sie gelten den Muslimen als Kriegsbeute …“
Aus Sicht eines streng religiösen muslimischen Flüchtlings ist die – für ihn im Vergleich zum bisherigen Leben, sehr reichliche deutsche Sozialhilfe, verbunden mit einer warmen Wohnung und der Chipkarte der Krankenkasse – eine erste Rate des Tributs, den die Ungläubigen zu zahlen haben. Tribut [an Muslime] im erniedrigten Zustand zu zahlen – so sieht man aus islamischer Sicht die Zahlungen der Bundesregierung an nordafrikanische Länder und die Türkei, um abgewiesene Flüchtlinge zurückzunehmen, die aufgrund fehlender Grenzkontrollen erst ins Land gelassen wurden.
Vermutlich deshalb gibt es keine detaillierte Berichterstattung in den Mainstreammedien zur Integration von streng gläubigen Muslimen am Arbeitsplatz unter Verweis auf die Regelungen des AGG und die Rechtsprechungspraxis.
Dieser 1. Teil beruht auf Untersuchungen des Autors. Sein Buch „Gebetspausen am Arbeitsplatz – Erwartungen geflüchteter Muslime. Basiswissen für Arbeitgeber“ ist bei Amazon.de erhältlich.
Lesen Sie im 2. Teil die Bewertung des Schlussantrages der Generalanwältin des EUGH vom 31.05.2016 im Falle der Rechtssache C‐157/15, „Kopftuchverbot am Arbeitsplatz“ und welche Veränderungen sich im AGG und der Rechtsprechung ergeben werden, sollten die Richter im Herbst dem Schlussantrag folgen.
Ein interessanter Fakt vorab: Außer der belgischen Regierung gaben auch die französische und britische Regierung sowie die EU Kommission Stellungnahmen an die (deutsche) Generalanwältin ab. Das zu erwartende Urteil des EuGH bindet alle EU-Länder. Es gibt also Hoffnung, dass das Buch zum Jahresende größtenteils Makulatur wird und die Rechte der Arbeitgeber Primat erhalten.
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