Oben ist unten, dumm ist schlau, grün ist rot, und die Justiz ist tatsächlich blind im Land, in dem die Neurosen blühen. Das und vieles mehr im Logbuch der Fahrt ins Grauen…
Sollten Sie angesichts der Lage der Nation unter Kopfschmerzen leiden, können Sie natürlich ein Heidengeld für Massage und Physiotherapie ausgeben – oder Sie lesen Stephan Paetows gesammelte Sonntagskolumnen, die das Jahr Revue passieren lassen: Vom steten Kopfschütteln lösen sich die Verspannungen ganz von allein, versprochen. Andererseits könnte sich als Nebenwirkung latente Weltverachtung einstellen:
Denn wenn der Irrsinn, der sich Tag für Tag in Deutschland manifestiert, etwas Gutes hat, dann, dass der Bundesbürger nie lang über einen Politwahnsinn nachsinnen kann, da der nächste bereits über ihn hereinbricht. Unsere Politiker bemühen sich redlich, ein atemberaubendes Feuerwerk an Idiotien über uns niedergehen zu lassen, so dass wir uns auf gar keinen Fall langweilen: Ein Skandal überlagert den andern, ein abstruses politisches Vorhaben verdrängt das nächste, und die Säue, die unablässig durchs Dorf gejagt werden, sind kaum noch voneinander zu unterscheiden.
Und so würde sich unerbittlich das Vergessen über die Geschehnisse der vergangenen Woche, des vergangenen Monats, des vergangenen Jahres senken, verdrängt von immer neuen Tollheiten. Ja, wenn da nicht der scharfe Beobachter eben jenes Irrsinns wäre, der unverdrossen festhält, was uns ärgert; dem nichts entgeht, und der uns nichts erspart.
Wir verfolgen die On-Off-Beziehung zwischen Merz und den Grünen, wobei man korrekterweise anmerken sollte, dass es sich hier eher um eine obsessive und selbstzerstörerische Leidenschaft seitens des CDU-Vorsitzenden handelt: Der aufmerksame Paetow-Leser wusste das schon seit Kalenderwoche 6 (spätestens), lange vor der legendären Maischberger-Sendung, die dem entsetzten Wähler ein CDU-geführtes Kabinett mit „Merz als Kapitän und Habeck als erstem Offizier“ (Paetow) als realistisches Bedrohungsszenario für die nächste Crew auf dem Narrenschiff Deutschland präsentierte.
Abmahnorgien, Peinlichkeiten auf internationalem Parkett, Vertuschung im Covid-Komplex, korrupte Politeliten, und, wie könnten wir ihn vergessen, der alles überstrahlende Kampf gegen rechts: Die roten Fäden laufen zusammen bei Stephan Paetow und ergeben ein Panorama, bei dem man meistens nicht weiß, ob man lachen oder weinen sollte. Diese Entscheidung nimmt uns Stephan Paetow dankenswerterweise ab, spießt er den wirren Politbetrieb im Land doch so unnachahmlich kurz, prägnant und vergnüglich auf, dass man nicht anders kann als in bitterbös-gute Laune zu verfallen.
Wer etwa hätte sich wohl in seinen tollkühnsten Albträumen ausgemalt, dass sich als Vorreiter einer Abmahnindustrie, die kleingeistig und zickig „Beleidigungen“ ahndet, ausgerechnet Mitglieder der liberalen Partei hervortun würden? Oder wem wäre wohl eine Geschichte eingefallen wie die von Jonathan A.? Eine ganz besonders schöne Anekdote aus Deutschland 2024, die Paetow für die Nachwelt festhält: Der Nigerianer hatte sich vor deutschen Ämtern als Vater von 24 Kindern bekannt und soll über 20.000 Euro vom deutschen Staat kassiert haben – pro Monat. Aber wer weiß, vielleicht war das ja bloß Satire in Form einer von Claudia Roth mit Fördergeldern unterstützten Live-Performance, um Deutschland als das zu entlarven, was es mittlerweile ist: Absurdistan.
Solche Episoden dem Vergessen anheimfallen zu lassen, wäre sträflich, und so gebührt Stephan Paetow nicht zuletzt Dank dafür, lapidar darzulegen, was ist, und das dann für sich selbst sprechen zu lassen. Das Ergebnis ist eine beredte Chronik des Jahres 2024, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
Nicht nur, um Annalenas Sprachakrobatik, Scholz‘ Vergesslichkeit, Ursula von der Leyens Machtbewusstsein, Faesers Auffassung von Meinungsfreiheit oder Steinmeiers Fettnäpfchenaffinität in bester Erinnerung zu behalten, sondern auch, um sich für 2025 zu wappnen: Lachen stärkt das Immunsystem, und auch die Resilienz, um mit dem täglichen Wahnsinn klarzukommen. Denn besser wird es sicher nicht: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“, lässt Billy Wilder den glühenden Kommunisten Otto Ludwig Piffl, gespielt von Horst Buchholz, in seiner herrlichen Komödie „1,2,3“ sagen: So ist es, und damit wir letzteres nicht vergessen, gibt es Paetows Blackbox-Jahresrückblick.
Stephan Paetow, Blackbox 2024. Die satirischen Sonntagskolumnen. Wishing Well Media, Paperback, 112 Seiten, 19,80 €.
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