Sarrazin ist der Beleg für die wachsende Kluft zwischen dem, was die Deutschen lesen sollen und dem, was sie lesen wollen. Seine Gegner glaubten, ihn zum Verstummen gebracht zu haben, doch sie täuschten sich. Sarrazin ist kein feiger Typ, er versteckt sich nicht. Er antwortet seinen Kritikern mit einem neuen Buch.
Ironie ist eine feine Waffe. Auf dem neuesten Buch von Thilo Sarrazin prangt ein Aufkleber: „SPIEGEL-Bestseller“. Thilo Sarrazin ist ein Autor, der von der Mainstream-Presse allenfalls beschimpft wird, aber nicht besprochen. Trotzdem sind seine Bücher Bestseller; Sarrazin ist sogar der erfolgreichste Sachbuch-Autor der Nachkriegszeit.
Diesen Ruf hat er sich mit „Deutschland schafft sich ab“ schon 2010 erschrieben. Sarrazin wird nicht nur zum Lesen gekauft – sondern als politisches Statement. Presse und Staatsfernsehen verschweigen ihn, Buchhandlungen weigern sich, sein Buch ihren Kunden anzubieten und wenn, dann widerstrebend, nicht groß präsentiert, sondern unter dem Ladentisch hervorgeholt. Als „nicht hilfreich“, hat Angela Merkel sein Buch bezeichnet. Damit stand das Urteil fest, Berufung war nicht vorgesehen, Widerspruch zwecklos.
Und wie es eben so ist mit einer staatsgläubigen Journaille, alle folgten dieser Beurteilung. Fast alle überschlugen sich in wachsender Ablehnung. Rassismus wollten sie gefunden haben – und als sich diese Behauptung nicht halten ließ entstand eine Kette von imaginären Behauptungen. Dabei hatte Sarrazin nur auf die Folgen der Masseneinwanderung hingewiesen. Das Publikum ließ sich nicht beeindrucken, und der Bestseller-Autor ward geboren.
Man reibt sich etwas verwundert die Augen: Seine Bücher sind wie Vorahnungen. Mit „Deutschland schafft sich ab“ hat er die Folgen der Einwanderungswelle vorweggenommen, und mit „Der neue Tugendterror“ die „freiwillige Gleichschaltung“ (ein Wort der SZ-Autorin Evelyn Roll) der Medien. Dabei ist Sarrazin kein Roman-Schriftsteller, der dystopische Zukunftsszenarien entwirft. Er ist geradezu ein Fakten-Fanatiker: jede Zahl und jede Behauptung wird belegt, ist nachprüfbar. Faktenfinder waren nicht in der Lage, Fehler zu finden. Sarrazin ist und bleibt der an exakten Zahlen orientierte Analytiker, der als Finanzsenator der Pleitestadt Berlin berühmt wurde.
Und im Zweijahresrhythmus legt er pünktlich im Sommer ein neues Werk vor. Immer die Probleme der Zeit vorwegnehmend. Immer eine Fundgrube. 2016 zeigt er mit Wunschdenken. Warum Politik so häufig scheitert wie sich Politik verändert hat. Sie beginnt nicht mehr mit dem Betrachten der Wirklichkeit, sondern setzt ihre Träume als bereits realisiert voraus. Oder zumindest als unmittelbar vor ihrer Verwirklichung. Der Verzicht auf Realität führt zwangsläufig zum Scheitern. Weder ist das vereinte Europa so demokratisch und wirtschaftlich leistungsfähig, wie es vorgibt zu sein, noch seine Währung langfristig solide, Bildung zukunftsorientiert – und die Einwanderung ist ein weiteres, neues Problem, statt die Lösung eines vorhandenen.
Die Strategie seiner Gegner hat sich seither geändert. Statt massiver Angriffe setzt man jetzt auf ehernes Schweigen. Sarrazin gibt es gar nicht, folgt man den Mainstream-Medien. Aber das dröhnende Schweigen wirkt wie ein Trommelwirbel, wenn Sarrazin unerschütterlich ein neues Werk vorlegt. Sein Fokus verlegte sich auf die Folgen von Zuwanderung (Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht, 2018) und einen Staat, der immer mehr Kompetenzen und Aufgaben an sich zieht und dabei weder seine Kernaufgaben hinreichend gut erfüllt und schon gar nicht die vielen neuen, die er sich anmaßt (Der Staat an seinen Grenzen. Über Wirkung von Einwanderung in Geschichte und Gegenwart, 2020).
Diese Frage bearbeitet er in seinem neuen Buch, mit dem er die Feinde der Vernunft identifiziert und analysiert. Denn wo Logik und Empirie durch sogenannte alternative Fakten ersetzt werden, weitet sich der Raum für ideologisch geprägtes Denken und es sinkt die Toleranz.
Thilo Sarrazin beobachtet diese Tendenz in den letzten Jahren auf allen Seiten des politischen Spektrums und in vielen Medien. Sie passt nicht zum Geist der abendländischen Aufklärung und sie kann die Grundlagen unserer demokratischen und liberalen Gesellschaftsordnung beschädigen.
Sarrazin analysiert die Gefahren ideologischen Denkens für unsere Gesellschaft, unsere politische Kultur und beschreibt typische Irrwege. Ideologien wirken verlockend durch die trügerische Klarheit ihrer Rezepte und die Schlichtheit, mit der sie Gut und Böse trennen. Doch so stolpert die Menschheit in immer neue Irrtümer.
Die einzige Hoffnung ist: Vielleicht ist die Realität doch in der Lage, die Scheuklappen der Ideologie abzureißen. Sarrazins klarer Blick und seine nüchterne Analyse können dazu beitragen.
Thilo Sarrazin, Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen des ideologischen Denkens. LMV, Hardcover mit Schutzumschlag, 392 Seiten, 26,00 €.
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Nachdem Herr Sarrazin zuerst Stefan Luft und Herwig Birk für seine zwei Teile von „Deutschland schafft sich ab“ als — nennen wir es einmal — „Inspirationsquelle“ nutzte, deren Struktur und Erkenntnisse durch die Originalquellen zum zweiten Mal belegte und dadurch als korrekter Zitierer erscheinen musste, klingt es für mich jetzt so, dass Egon Flaigs „Niedergang der politischen Vernunft“, Roger Scruton und weitere intellektuell Unbestechliche eine unfreiwillige Neuauflage erfahren haben. Verschweigen von Original-Autoren der Gliederung eines Werkes oder eines wesentlichen Teils mit Neu-Präsentation aller Zitate der einschlägigen, analysierten Links-Agitatoren und Pseudo-Intellektuellen — da ist auch Plagiatsjäger Stefan Weber machtlos. Nun ja,… Mehr
„Vielleicht ist die Realität doch in der Lage, die Scheuklappen der Ideologie abzureißen.“
Die Hoffnung ist vergebens – ideologisierte Menschen lassen sich nicht von Fakten und Folgen irritieren. Ideologie frisst Hirn, unwiederbringlich. Und dann ist da noch die andere Seite. Um es mit Yuri Bezmenov zu sagen:
„Man kann keinen Feind zersetzen, der nicht zersetzt werden möchte“
Über die Kunst der Subversion und ihre Taktik, lehrreich und ein Augenöffner in Bezug auf die heutige Zeit und ihre Auswüchse.
Yuri Bezmenov deutsch
Wen man nicht wiederlegen kann, den muß man diffamieren, diffamieren,…..
Trifft in unglaublichem Umfang auf den Umgang mit Herrn Sarrazin zu.
Wie können Bürger in einem formal so klugen Land so viele Fehler begehen? Deutschland war und ist auch ein formal kluges Land, aber nicht nur, wie ein Blick in die Geschichte zeigt. Eugen Sorg schrieb vor einigen Jahren zur Aufklärung vor 250 Jahren u.a. dies: „Der sklerotisch erstarrten katholischen Kirche wird von den französischen Aufklärern eine idealisierte, gleichsam deistisch geläuterte islamische Gegenwelt ohne Papst, Dogma oder Scheiterhaufen vorgehalten. Wie der Rousseausche edle Wilde wird auch die Figur des edlen Muslim oder Orientalen von Pierre Bayle, Montesquieu, Voltaire und anderen zum zivilisationskritischen „Tugendmodell und Beschämungsinstrument“ (Siegfried Kohlhammer) ausgeformt. In Herders pädagogisierender… Mehr
Es ist keineswegs nur „die“ Politik, der es an Vernunft gebricht. Es ist das schnatterfräßige Volk, das diese Politik/er hervorbringt. Wenn die Leute glauben, dass es mit immer mehr Menschen immer so weiter gehen kann, der glaubte auch die Devise vor dem großen crash 1929: Alle werden schnell reich, ohne was dafür arbeiten zu müssen. Und das sagten alle, einschließlich dem damaligen US-Präsidenten Hoover – schließlich wollte keiner Spielverderber sein und den Traum zerreißen. Ähnlich 2008 etwa, als alle meinten, sie könnten sich eine Immobilie für eine Million US-Dollar leisten, auf Kredit, obwohl sie nur 1200 USD im Monat verdienten… Mehr
Die letzten 30 Jahre waren nicht anderes als ein Praxisseminar in Geschichte. Sie haben mir die letzten Illusionen über den Sieg der Demokratie(n) genommen. Im Prinzip ist es die alte Leier: die erste Generation baut es auf, die zweite verwaltet es, die dritte versaut’s. Mit einem kleinen Unterschied: wir hatten keine erste Generation, die unsere Demokratie aufbaute; die haben wir von den Amerikanern geschenkt bekommen.
Herr Tichy, Sie formulieren vorsichtig: „Seine Bücher sind wie Vorahnungen.“ Vorahnungen, die hatte ich als politisch interessierter und mässig vorgebildeter Bürger. Ich habe ebenfalls – sicher Folge der Lektüre der Bücher vieler Miesmacher und Abweichler – Voraussagen für die Zukunft gemacht, die sich, hm,ja, nun zufällig bewahrheitet haben. Ein Sarazzin hat im Gegensatz zu mir keine Vorahnungen; dazu ist er zu sytematisch, zu pingelig.
Natürlich lesen wir Sarrazin, Telkam und „Co.“
Und je mehr die Lügenredaktion um Spiegel und all den anderen, radikalen Stürmern dagegen anschreiben, umso mehr lese ich davon.
Den Spiegel hingegen würde ich geschenkt nicht mal dazu nutzen mir den Allerwertesten abzuwischen Selbst meine Darmentleerung hat diesen Ideologisch irgendwo Zeichen SED und RAF-Fanboys angesiedelten Dreck nicht verdient!.
Hoffnung? Natürlich wird „die Realität in der Lage sein, die Scheuklappen der Ideologie abzureißen“ – nur wird das Land dann wieder abgebrannt sein, so wie 1945 und 1989. Es ist das dritte mal in einhundert Jahren, daß minderbemittelte Sozialisten in Deutschland alles zerstören, was Unternehmer, das Bürgertum und fleißige Menschen aufgebaut haben (um angeblich ein besseres Deutschland zu schaffen). Wer noch alle Tassen im Schrank hat, bei dem sollten spätestens seit 2010 alle Alarmglocken klingeln.
Wie viel soziale Intelligenz wäre bei manchen Zeitgenossen, die in politischer Verantwortung stehen, nötig, um das eigene Verhalten selbstkritisch reflektieren zu können, wenn es darum geht, das eigene Handeln immer weiter der Lächerlichkeit preiszugeben? Der Schleimspur politischer Korrektheit folgend und gestärkt von der bittersüßen Droge der Macht, wird mit aller Sturheit – koste es was es wolle – die perverse Agenda ihrer kapitalistischen Gönner und Auftraggeber vorangetrieben. Wer völlig losgelöst und fern jeglicher Realität mit völliger Enthemmung eine Politik verantwortet, die die Zukunft der eigenen Kinder, Enkel und Urenkel verspielt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Die Medien als „vierte Gewalt“ im Staat, jene Instanz, die die Politik kritisieren, überwachen, hinterfragen und den Mächtigen auf die… Mehr
„Die Medien als ‚vierte Gewalt‘ im Staat […] sind bereits größtenteils auf Kurs gebügelt.“ Ho.mann, wie so viele andere unterliegen auch Sie hier einem Irrtum. Ich meine: umgekehrt wird ein Schuh draus. Denn es sind nicht die Politiker, welche die Journalisten auf ihren Kurs bringen, sondern es sind die Journalisten, nach deren Pfeife auf dem politischen Parkett getanzt wird. Es ist diese fatale „freiwillige Gleichschaltung“ der Medien unter den totalitären Anspruch von „richtiger Haltung“ und vermeintlicher Moral. Und diese Haltung entsteht nicht auf Druck der Politik, sondern entspringt dem „Sendungsbewusstsein“ eines überwältigend großen Anteils der Journalisten. Sie sehen sich nicht… Mehr