Um „Freie Marktwirtschaft, Vorschule für alle und 99% Erbschaftssteuer“ ging es im ersten Teil der Besprechung des Buches „Nationale Renaissance“. Am Beginn des zweiten Teils steht die Kritik des Jungautors, wonach Politik nach der Ansicht gemacht wird, „dass man Geld erst über Steuern wegnimmt und anschließend den Bürgern über Sozialleistungen schenkt. Wenn wir nicht endlich zu den Prinzipien von ökonomischer Freiheit, individueller Möglichkeit und Leistung zurückkehren, ist die Wahrscheinlichkeit nicht klein, dass wir in zehn Jahren am Rand des sozioökonomischen Kollaps stehen.“
Dass aus deutschen Schulen ein Abiturient mit solchen Ansichten hervorgehen kann, liegt nicht an diesen, sondern an Finn Meurers eigenem Wissensdrang. „Schulbücher quellen über von marktfeindlichen Irrlehren und antikapitalistischer Rhetorik“, daran erinnerte erst vor kurzem Die Welt. Dass der Wohlfahrtsstaat schneller wächst als die Wirtschaft bestätigt eine aktuelle Studie, von der die FAZ berichtet.
Meurer will die „Prinzipien der freien Marktwirtschaft wieder ungehindert in Kraft setzen.“ Die Steuerlast mittelständischer Familien will er um 20 Prozent senken, was zwei Prozent Wachstum auslöst, das nur ein Anfang wäre. Nur neue Produktivität, die mit schöpferischer Zerstörung einhergeht, kann Deutschland stärker machen, ist er überzeugt: „Tatsächlich können viele den Begriff Produktivität kaum richtig definieren, während die meisten Menschen von Schöpferischer Zerstörung noch nie etwas gehört haben. Unter anderem deswegen muss in den Schulen das Fach Wirtschaft und Recht dringend eingeführt werden.“ Wie sollen Bürger die richtigen Politiker wählen, fragt er, wenn sie nicht wissen, wie Wirtschaft funktioniert. Meurer hat sein Abitur in der Tasche. Sein ambitioniertes politisches Ziel lautet: „Unser Ziel als Nation muss sein, nicht nur militärisch und technologisch unseren geopolitischen Gegenspielern überlegen zu sein, sondern auch wirtschaftlich. Dies können wir nur erreichen, wenn wir global in Einkommen, Produktivität, Wachstum und Innovation führend sind.“
Meurer erläutert uns ausführlich, warum es in Deutschland keine freie Marktwirtschaft gibt und was getan werden muss, um das zu ändern. Staatliche Interventionen sind nötig, aber zur Beflügelung der Produktivität, „etwa durch Ausbau der Schulen und Infrastruktur, Grundlagenforschung oder durch Förderung des Freihandels“, aber nicht zu ihrer Behinderung: „Doch das beste, was der Staat für die Wirtschaft tun kann, ist schlicht und einfach, dass er ihr aus dem Weg geht (Hervorhebung von mir).“
So verlockend es ist, auch die weiteren Kapitel des Erstlingswerkes im einzelnen darzustellen, sollen Kostproben für sich selbst sprechen:
Finanzen und Kapital
„Die selben Regulierungsbehörden, die es schon nicht geschafft haben, uns vor der Finanzkrise von 2007-2009 zu schützen, wollen nun die Finanzwelt regulieren“. „Auch wenn es unpopulär ist zu sagen, so steht fest, dass vor allen Dingen die Jammerlappen, die neidisch auf die Reichen und Manager sind und den Banken alles in die Schuhe schieben, für die Finanzkrise verantwortlich sind.“
„Die USA sind die Weltmacht Nummer eins, aber Kapitalbeteiligungsgesellschaften und Märkte sind die Supermacht.“
„Ich mag Regulierung. Ich mag Bürokratie. Beide sind in einer starken und freien Marktwirtschaft die Grundbausteine für Sicherheit und Wohlstand. Was ich jedoch nicht will, ist Überregulierung und Überbürokratisierung. Beide hemmen Deutschlands Wirtschaft; sie stellen ein Hindernis für Wirtschaftswachstum, Innovationen, Unternehmensgründungen und Einkommenszuwächse dar.“
„Zum Abbau von Bürokratie gehört auch die Streichung von überflüssigen Ministerien und Bundesbehörden … die Regierung leiht sich nicht nur Geld und macht damit Schulden, sondern verschwendet dieses Geld auch noch.“
„Zu diesem Zweck würde es einen Stresstest geben. Sämtliche Ministerien, Bundesbehörden, Landesbehörden, Projekte, Subventionen und kommunale Posten würden auf ihre Wirtschaftlichkeit, ihre Leistungsfähigkeit und ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.“
90 Bundesprogramme, die er streichen würde, benennt Meurer auf sieben Seiten.
Arbeitsmarkt und Renten
„Eines der größten Probleme in Deutschland ist, dass unser derzeitiges Wirtschaftswachstum nicht auf gesteigerter Produktivität, sondern auf Niedriglöhnen und ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit basiert.“
Meurers Maßnahmenmix sprengt die Links-Rechts-Schablone völlig:
- Gesetz zur gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit
- Gesetz, das befristete Verträge und Zeitarbeit verbietet
- Lockerung des Kündigungsschutzes in Richtung Hire & Fire
- Senkung des Arbeitslosengeldes II um 50 Prozent
- Mindestlohn ja
- Geringerer Abstand zwischen Transferempfängern und Niedriglöhnern
- Erhöhung des Renteneintrittsalters von 63 auf 70 Jahre
„Früher war es so, dass sich die Menschen mit 60 Jahren zur Ruhe gesetzt haben und mit 61 Jahren gestorben sind … Die Weltbank hat Deutschland 2012 eine durchschnittliche Lebenserwartung von 80,9 Jahren zugeschrieben. Wenn sich die Menschen jetzt mit 63 Jahren zur Ruhe setzen und schließlich noch 20 Jahre oder sogar länger leben …, gleichzeitig die Zahl der Unter-20-Jährigen nur noch 13% beträgt, dann werden uns die Kosten durch die Decke schießen.“
Steuern
- Steuern für 95% aller Deutschen senken durch Streichung der Steuern auf Kapitalerträge, Dividenden und Zinsen für Jahreseinkommen unter 200.000 Euro.
- Solidaritätszuschlag abschaffen.
- 20% Flat Tax statt progressiver Einkommensteuer: für Eltern mit einem Kind 15%, Eltern mit zwei Kindern 10%; in Ehen zahlt der weniger verdienende keine Steuer.
- Einheitliche Umsatzsteuer 19% und Körperschaftssteuer für kleine Unternehmen von 15% auf 10 senken.
- Startups müssen in drei Tagen durch die Bürokratie sein und zahlen in den ersten drei Jahren keine Steuern.
Der spannendste Satz von Finn Meurer ist für mich: „Aber überhaupt die Idee, dass man Erfolg und Leistung bestraft, halte ich für absurd (Hervorhebung von mir).“ Damit ist er ganz nahe an einem deutlich älteren Freidenker, Gero Jenner, der Ausgaben und Ressourcenverbrauch besteuern will statt Einnahmen: nachzulesen in dessen Buch „Das Ökonomische Manifest“. Freidenker Meurer will eine Bundeserbschaftssteuer für Superreiche von 99% – Erstwohnsitz und Unternehmen ausgeschlossen. Seine Begründung ist höchst bemerkenswert.
„In einem starken und erfolgreichen Deutschland kann jeder so viel Geld verdienen, wie er will, doch die Kinder von Multimillionären und Milliardären sind in meinen Augen für ihr Leben wieder selbst verantwortlich (Hervorhebung von mir). Sie sollen kein Geld und keine besseren Positionen erben, sondern sollen möglichst die gleichen Chancen haben wie Kinder aus mittelständischen oder einkommensschwachen Familien. Deswegen spreche ich mich dafür aus, dass man in Zukunft als wohlhabende Privatperson so gut wie nichts vererben kann. Das Geld oder das Eigentum geht dann an den Staat. Dieser kann dafür die Steuern senken und mehr Geld in unsere nationale Sicherheit und in ein gutes Bildungssystem fließen lassen.“
Meurer weiter: „Leistung darf man nicht attackieren, sondern muss belohnt werden. Aber genau das ist auch der Grund, warum Söhne und Töchter von Multimillionären und Milliardären nichts vererbt bekommen sollten – es ist nicht ihre Leistung … Durch die Erbschaftssteuern würden einige … keine Partys auf ihren Yachten mehr schmeißen können. Aber hunderttausenden Kinder aus einkommensschwachen Familien würden durch eine bessere frühkindliche Betreuung und Stipendien deutlich profitieren.“
Damit liefert Finn Meurer einen ebenso emotionalen Diskussionsstoff, wie sich seine rationale Diskussion lohnt.
So viel „Nationale Renaissance“ von Finn Meurer heute im zweiten Teil der Buch-Besprechung. Morgen der dritte und letzte Teil mit „Infrastruktur, Energie und Militär“.
Finn Meurer, Nationale Renaissance – Damit Deutschland stark und erfolgreich bleibt“, Books on Demand, Norderstedt. https://medium.com/@finnmeurer
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