„Man muss für seine Meinungsfreiheit kämpfen!“

Der Hamburger Anwalt Joachim Steinhöfel hat gezeigt, wie man sich gegen Giganten wie Facebook als Bürger erfolgreich zur Wehr setzen kann. Derzeit werden kritische Bürger von Politikern mit Strafanzeigen eingeschüchtert. Seine Grundrechte sollte man allerdings heftig verteidigen, findet er

Tichys Einblick: Herr Steinhöfel, wie frei ist das Internet noch?

Joachim Steinhöfel: Wir beobachten gerade den Versuch, das freie Internet in den Griff der Politik zu bekommen. Aber ich glaube nicht, dass dieser Versuch erfolgreich sein wird. Nehmen wir den Digital Services Act (DSA) der EU. Das ist ein Nachfahre des verfassungswidrigen Netzwerk-Durchsetzungsgesetzes, aber auf EU-Ebene. Darin wird der machttrunkenen EU die Befugnis eingeräumt, in Krisenzeiten Plattformen wie Facebook und Youtube abzuschalten. Er ist ein Dokument der Panik, der Angst, der Missachtung elementarer Grundrechte und entspringt dem Geist eines restlos übergriffigen Staates.

Ein hartes Urteil …

Der DSA ist mit verfassungsrechtlichen und Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen. Das ist ein Zeichen der Angst; er demonstriert aber auch, wie effektiv die Kommunikation, trotz aller Einschränkungsversuche, in den sozialen Medien ist. Natürlich, das muss man immer dazusagen: Es gibt im Netz Straftaten, es gibt dort Übergriffe. Aber es gibt eben auch Informationen, die man woanders nicht bekommt, die richtig sind, wichtig sind und schnell verbreitet werden, schneller als die „Tagesschau“, deren rechtswidrige Faktenchecks wir schon mehrfach mit gerichtlicher Hilfe verboten haben.

Während der Corona-Krise mussten wir aber erleben, dass kritische Stellungnahmen von Ärzten und Wissenschaftlern massiv unterdrückt wurden. Gesagt werden konnte nur, was die Regierungen für richtig hielten. Und in diesem Kontext soll die Wahrheit auch in Zukunft Platz haben?

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Die Geschäftsbedingungen von YouTube heben explizit hervor, dass nur solche Informationen verbreitet werden dürfen, die den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder staatlicher Stellen wie dem Paul-Ehrlich-Institut entsprechen. Wir wissen jetzt auch durch die durch Klagen öffentlich gewordenen Akten, dass viele Verlautbarungen von Karl Lauterbach schlicht falsch waren.

Die WHO ist eine Behörde der Vereinten Nationen (UN), die ebenfalls nicht demokratisch legitimiert sind. Die UN sind eine Gruppierung von Staaten, die überwiegend nicht demokratisch sind, sondern totalitär, autoritär, Hybridsysteme und so weiter. Dass die WHO nun das letzte Wort darüber haben soll, was wissenschaftlich richtig ist oder was in Deutschland gesagt werden darf, über den Transmissionsriemen YouTube, ist absurd und skandalös.

Und die Meinungsfreiheit?

Man kann hier schon von einer massenhaften digitalen Exekution der freien Rede sprechen. Dennoch waren die sozialen Medien trotz dieser massenhaften rechtswidrigen Löschungen die Orte, an denen man Informationen bekam, die man sonst nicht bekam. Denn in den „Tagesthemen“ wird nicht verlesen, wenn der Staat Grundrechte aussetzt oder in Hamburg ein Polizeiwagen völlig außer Rand und Band einen Jugendlichen verfolgt, als hätte er gerade Geiseln genommen – nur weil er keine Maske trug. Da haben der Staat und seine Organe ihre autoritäre Fratze gezeigt.

Man muss für seine Rede- und Meinungsfreiheit kämpfen. Man muss publizieren, wenn Politiker die Grundrechte einschränken, wenn Politiker Strafanzeigen stellen oder Journalisten vor Gericht verfolgen. All das muss in die Öffentlichkeit. Man kann das ruhig und nüchtern dokumentieren, und dafür setze ich mich auch vor Gericht ein.

Den Kampf muss man führen, sagen Sie. Freiheit sei nicht zu stoppen. Doch die Bundesregierung versucht es mit immer neuen Gesetzen. Jüngst betitelte ein Kleinstnutzer auf X (Ex-Twitter), Annalena Baerbock als „die dümmste Außenministerin der Welt,“, weil sie für die Verhaftung Putins plädierte. Und da gibt es dann im hessischen Innenministerium ein Meldeportal „Hessen gegen Hetze“. Die haben das aufgegriffen, das Außenministerium angeschrieben, und Frau Baerbock persönlich hat Strafanzeige gestellt. Wie soll ein Bürger gegen den Milliardenapparat Staat vorgehen?

Das ist leider kein Einzelfall. Es gibt das Beispiel aus Miesbach am Tegernsee, wo ein Plakat hing, auf dem Baerbock als trotzige Göre abgebildet war und Ricarda Lang auf einer Walze saß, die das Land platt machte. Dafür hat tatsächlich ein Richter einen Strafbefehl unterschrieben. Darüber konnte jeder, der studiert hat, wirklich nur lachen. Das war rechtlich vollkommen lächerlich! Der Strafbefehl wurde dann Gott sei Dank vom selben Richter wieder aufgehoben – in Sachen Meinungsfreiheit ist wohl nicht jeder besonders sattelfest.

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Jetzt hoffe ich, dass das Plakat wieder aufgestellt wird. Einmal im Jahr, am Annalena-Baerbock-Meinungsfreiheits-Erinnerungstag, sollten wir das alle in unseren Profilen veröffentlichen, um deutlich zu machen, dass wir uns nicht wegen harmloser Satire einschüchtern lassen. Ich meine, wie dünnhäutig muss man sein, wenn man möchte, dass jemand für so etwas von der Strafjustiz belangt wird? Habeck hat den „Welt“-Kolumnisten „Don Alfonso“ angezeigt, der über ihn geschrieben hat, er würde unter Bahnhofsalkoholikern nicht auffallen. Darunter setzte er ein Foto, in dem Habeck sich in Freizeitklamotten auf einen Bahnsteig lümmelt. Habeck ist mit seiner Strafanzeige gescheitert.

Wenn sogar unbescholtene Bürger auf dem Lande verfolgt werden können, wirkt das aber, als stünde eine regelrechte Prozessmaschine hinter den Anzeigen.

Manche haben daraus ein regelrechtes Geschäft gemacht. Marie-Agnes Strack-Zimmermann zum Beispiel verdient – nach meiner Einschätzung – mit ihren Abmahnungen mehr als durch ihr Abgeordnetengehalt. Sie verweigert dazu auf Presseanfragen über Art und Umfang klare Antworten. Der Anwalt, der ihre Anzeigen schreibt, verlangt geringere Gebühren als üblich, aber dafür fordert Strack-Zimmermann Geldentschädigungen von 500 bis 1000 Euro. So verfolgt sie strafbare Äußerungen, aber auch lediglich grenzwertige und sogar solche Äußerungen, die völlig legal sind. Da hat sie als angeblich Liberale eine Verfolgungsmaschinerie aufgebaut, die mit den Grundwerten der FDP kollidiert.

Man kann einen solchen Prozess vielleicht gewinnen, aber das ist ein weiter Weg. Wie kann man sich als Bürger versichern, dass man vor Gericht recht bekommt?

Die Gerichte schützen immer wieder die politische Auseinandersetzung. Da darf man dann auch ordentlich rein holzen. Allerdings stelle ich auf Seiten der Strafjustiz eine deutliche Tendenz fest, in den unteren Instanzen rechtlich mangelhafte und verbotsfreudige Fehlurteile zu fällen. Zwar ist Ehrverletzung strafbar, und die muss auch niemand hinnehmen, aber scharfe Kritik und Satire sind erlaubt, besonders wenn sie direkt mit einer politischen Entscheidung verbunden sind – wie bei dem Beispiel der „dümmsten Außenministerin der Welt“, das sich konkret auf ihre Forderung bezog, Putin verhaften zu lassen.

Also ein zulässiger Kommentar…

Allein dass die Zulässigkeit dieser Meinungsäußerung überhaupt diskutiert werden muss, ist ein katastrophales Zeichen für die Diskussionskultur im Land. Es gibt auch Fälle, in denen Menschen wegen Twitter-Likes den Job verloren. Machtkritik ist ein elementarer Baustein der Demokratie. Man darf sich nicht einschüchtern lassen, sollte stets seine Meinung sagen – und vor Gericht verteidigen. Klar, man sollte besonnen sein; und wenn man mal was geschrieben hat, bei dem man im Licht des Morgens sagt, „Das war zu viel“, dann sollte man es löschen. Aber die Meinungsfreiheit ist zu wertvoll, um sie einfach so aufzugeben.


Joachim Steinhöfel, Die digitale Bevormundung. Wie Facebook, Twitter und Google und vorschreiben wollen, was wir denken, schreiben und sagen dürfen. FBV, 224 Seiten, 18,00 €.


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Kommentare ( 8 )

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MalNachgefragt
1 Tag her

Es ist eine Gratwanderung. In der virtuellen Welt muss das gleiche Recht gelten wie in der reellen. Beleidigung war in letzterer schon immer strafbar und das Netz darf kein rechtsfreier Raum werden. Als Plattformbetreiber steckt man da in der Zwickmühle. Wie mit möglichweiser strafrechtlichen Beiträgen umgehen? Facebook, X (ex-Twitter) etc. schalten Beiträge erst mal frei, ohne vorherige Überprüfung durch Administratoren. Es wäre bei der Masse an Beiträgen auf diesen Megaplattformen auch gar nicht möglich. Anders bei Tichys Einblick. Hier werden Beiträge „moderiert“, erscheinen erst nach Überprüfung („Warten auf Bestätigung“). Es wird sogar explizit darauf hingewiesen: „Ihre Kommentare werden moderiert, da… Mehr

rainer erich
1 Tag her

Korrektur : Die Beschreibung “ überwiegend nicht demokratische Staaten“ vermittelt einen doch erstaunlich positiven Eindruck. Formal ist die Bezeichnung “ demokratisch“ in den vermutlich gemeinten Faellen korrekt, inhaltlich natuerlich nicht. Grob vereinfacht koennte man logisch ableiten, dass die hier zutreffend festgestellten Zustaende in einer “ richtigen“ Demokratie gar nicht vorkaemen. Die, vorsaetzlich betriebene, totalitaere Entwicklung im Wertewesten ist mit dem Haenden zu greifen. Die Beseitigung der Meinungsfreiheit ist kein Selbstzweck, sondern ein wichtiger Teil der gesamten Transformation. Deshalb bleibt es dabei, dass das Problem nicht juristisch zu loesen ist, zumal die Rechtsprechung eher Teil des Problems als der Loesung ist.… Mehr

ceterum censeo
1 Tag her

Der Normalbürger wird schon an den horrenden Rechtsanwaltskosten scheitern, um sein normalerweise verbrieftes Recht der freien Meinungsäußerung durchsetzen zu können! Politiker wie Flack-Zimmermann können auf ein Heer guter und gutbezahlter Anwälte (zur Not parlamentarisch unterstützt – es geht ja um die „gute Sache“) zurück greifen. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Was nützt mir, ggf. Recht zu bekommen, wenn anschließend kein Geld für eine Scheibe Brot übrig bleibt? Es wie auf dem Grabstein die Inschrift: „Er hatte Vorfahrt“…

Last edited 1 Tag her by ceterum censeo
verblichene Rose
1 Tag her

Zitat:
Man muss für seine Rede- und Meinungsfreiheit kämpfen.
Tja, da bin ich ganz anderer Meinung, denn DAFÜR haben eigentlich Politiker, egal welcher Cou­leur, zu kämpfen!
Aber scheinbar gibt es diese von mir vermutete Politik schon lange nicht mehr, wobei die Regeln -siehe Frankreich- schon lange nicht mehr die Ausnahme bestimmen.
Ich muss mich in einer Demokratie nämlich nicht selber darum kümmern, dass meine Bürgerrechte eingehalten werden!
Schliesslich erlaubt man mir auch nicht, ein evtl. Strafmass gegen mich selber zu bestimmen!


Mausi
1 Tag her

verfassungswidrigen Netzwerk-Durchsetzungsgesetzes: Könnten Sie bitte noch das entsprechende Urteil verlinken. Vielen Dank.
Herr Steinhöfel hat recht. Aber um vor Gericht zu ziehen, braucht der Nicht-Jurist Geld wahrscheinlich für mehrere Instanzen und einen guten Anwalt.

Last edited 1 Tag her by Mausi
JuergenR
1 Tag her
Antworten an  Mausi

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde zu später Stunde im Bundestag ohne die erforderliche Mehrheit beschlossen. Einen ‚Hammelsprung‘, der in diesem Fall unbedingt notwendig gewesen wäre, gab es nicht. Daß Claudia Roth die Beschlußfähigkeit einfach feststellte, ändert nichts daran.

Tacitus
1 Tag her

Ich nehme seit vielen Jahren wahr, dass die freie Meinungsäußerung in meinem Deutschen Vaterland zunehmend eingeschränkt wird. Ich habe für mich entschieden, dass ich da nicht mehr mitmache. Punkt! Ich sage immer und bei allen Gelegenheiten ganz offen, was ich denke. Natürlich immer sachlich und emotionslos (sofern das möglich ist). Kann das negative Folgen für mich haben? Vielleicht. Ist mir allerdings auch egal. Es sind schon ganz andere Persönlichkeiten in der Menschheitsgeschichte für ihre Überzeugungen verurteilt oder getötet worden. Großartige Menschen, mit denen ich mich nicht im Ansatz vergleichen möchte. Herr Steinhöfel ist ein absoluter Experte und ich höre ihm… Mehr

Alf
1 Tag her

Seine Grundrechte sollte man allerdings heftig verteidigen? Hier ein Beispiel, wie es nicht funktioneren kann. Bild schreibt: Top-Boss hat brisanten Verdacht: Will die Ampel viele Probleme gar nicht lösen?Adrians brisanter Verdacht: Die Ampel habe einige Probleme zwar erkannt, wolle sie aber gar nicht lösen! Er habe viele Gespräche mit Top-Politikern geführt, schreibt der DIHK-Boss. Fazit: Es gebe „durchaus eine zunehmende Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung“. Gleichzeitig gebe es aber viele „diffuse Botschaften. Manchmal entsteht bei mir der Eindruck, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Lieber Herr Adrian, die Ampel will es nicht, sie will und macht das Gegenteil… Mehr

Last edited 1 Tag her by Alf