Ludwig Erhard führte Deutschland aus den Ruinen zum Wohlstand

Als Bundeswirtschaftsminister erfolgreich und populär wie keiner seiner Nachfolger, hat Ludwig Erhard das Bild der Bundesrepublik maßgeblich geprägt. Am 4. Februar 1897 in Fürth geboren, schaffte es der Ökonom aus dem bescheidenen elterlichen Wäschegeschäft an die Spitze der Bundesregierung.

Realschulbesuch und Kaufmannslehre, Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg, betriebswirtschaftliches Studium in Nürnberg, im Anschluss volkswirtschaftliche Studien in Frankfurt am Main, wo Erhard 1925 bei Franz Oppenheimer mit einer Kritik an der Arbeitswertlehre promoviert wurde. Die Nazizeit überstand Erhard ohne Parteimitgliedschaft, Beamtenstatus oder Beitritt zu einer NS-Organisation und bereitete bereits die Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit vor. Im Oktober 1947 wurde er Leiter der „Sonderstelle Geld und Kredit“, 1948 Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, praktisch der Wirtschaftsminister der amerikanisch-britischen Bizone.

Mit der Währungsreform im Juni 1948 und der Aufhebung der staatlichen Preissetzung legte er die Grundsteine der Sozialen Marktwirtschaft. Er wurde 1949 in Konrad Adenauers erster Bundesregierung Wirtschaftsminister, bevor er 1963 zum Bundeskanzler gewählt wurde. Lange Vorbild und Maßstab für erfolgreiche Wirtschaftspolitik, wird sein „Wohlstand für Alle“-Konzept von der Ampelkoalition zugunsten staatlicher Planwirtschaft, Umverteilung durch Inflation und Preismanipulation abgelehnt.

„Das Bekenntnis von Ludwig Erhard zur Freiheit und zum Wettbewerb in der Wirtschaft, zieht sich wie ein roter Faden durch die streitbare Auseinandersetzung mit Meinungen und Irrlehren seiner wie unserer Zeit in seinem Werk ›Wohlstand für Alle‹. Nach seiner Überzeugung mehrt der Wettbewerb den Wohlstand aller und hilft so, den alten Gegensatz zwischen einer früher nahezu unbegrenzt konsumfähigen Oberschicht und der vielfach noch in bescheidenem Rahmen lebenden Unterschicht zu überwinden.

Dieser ehrlichen Lösung, nämlich über eine höhere Leistung aller zum Wohlstand für alle zu gelangen, stehen die Scheinlösung einer inflationären Politik und die Ideologie des Versorgungsstaates entgegen, die Erhard entschieden ablehnt. Die Darlegungen über die Gestaltung eines Gemeinsamen Marktes, einer guten zwischenstaatlichen Ordnung, über die Methoden einer modernen Außenhandelspolitik, über die Erweiterung der menschlichen Grundrechte im wirtschaftlichen Bereich, über den Anspruch auf Währungsstabilität, über die Soziale Marktwirtschaft als Voraussetzung für eine optimale Reallohnsteigerung und eine Erhöhung der sozialen Leistungen dort, wo es notwendig ist, über eine Senkung der individuellen Belastungen durch Steuern, über den Verlust der Maße für das Mögliche und das Angemessene spiegeln unverkennbar den kämpferischen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitiker Erhard – und haben seit dem ersten Erscheinen seines Grundlagenwerks im Jahr 1957 bis heute nichts an ihrer Gültigkeit verloren.“

Jubiläum und Ende
Wie Robert Habeck die Soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards beerdigt
So stand es im Klappentext der letzten vom Autor autorisierten Nachauflage, die 1964 erschien und im September 2020, anlässlich des 70. Verlagsjubiläums, originalgetreu wieder aufgelegt worden ist. An Neuauflage und Einleitung habe ich als Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung noch mitgearbeitet. Das erschien mir wichtig. Die Neuauflage war auch mein persönlicher Abschied. Es gehört zum Ritual der Wirtschaftspolitik bei CDU und FDP, sich auf sein Werk zu berufen. „Was hätte Ludwig-Erhard dazu gesagt“, lautet ein Buchtitel des Wirtschaftsrats und viele Symposien, Preise und ähnliche Veranstaltungen ranken sich darum.

Sie haben den Vorteil, dass Erhard tot ist und die von ihm errichtete Stiftung angepasst und ein Ludwig-Erhard-Museum errichtet wurde. So droht also keine Störung, kein Grollen aus dem Grab und keine Mahnung, die Gewicht hätte. Ist ein Gegenstand musealisiert, ist er aus der Gegenwart entfernt, hinter Glasscheiben und in verstaubten Regalen neutralisiert. Denn in die heutige Politik passt Erhard überhaupt nicht mehr; und insofern ist das Blättern in diesem Buch lehrreich.

Erhard wollte Wettbewerb. Wettbewerb? Das ist heute ein Schreckenswort. Wettbewerb wird in der Wirtschaft dadurch ersetzt, dass immer mehr Sektoren staatlich geschützt, reguliert und subventioniert werden, weil sie Produkte herstellen, die kein Mensch will. Auch die Stromindustrie ist so ein Bereich. Der Wettbewerb wurde durch die Vorrangregelung für erneuerbare Stromerzeugung auf den Kopf gestellt und die dadurch entstehenden Kosten, wenn billiger Strom gegenüber viel teurerem benachteiligt wird, trägt der Verbraucher. Die Automobilindustrie stellt gerade auf Elektromobilität um, wobei die Kosten für nicht nachgefragte Autos vom Staat hochgradig subventioniert werden und der Ausbau der extrem teuren Ladeinfrastruktur staatlich gefördert wird; der dafür benötigte Strom wiederum, siehe oben, muss ebenfalls subventioniert werden.

Kann staatliche Subventionierung von Allem eine gute Idee sein? So entsteht in immer mehr Bereichen eine unwirtschaftliche Wirtschaftsstruktur, die vom Staat subventioniert, also von den Bürgern über Steuern finanziert werden muss. Das kann nicht gut gehen. Aber deutsche Politik stört das nicht, im Gegenteil. Sie will ja die Kosten für Produktion und Preise erhöhen.

Die Erfindung der sozialen Marktwirtschaft
Ludwig Erhard - Der Exot im Kanzleramt
Ludwig Erhard wollte genau den umgekehrten Weg gehen: Wohlstand für alle zu erzeugen, indem die Kosten und die Preise sinken. Und damit die Preise sinken, muss billiger produziert werden. Der Wettbewerb wird dafür sorgen, dass die Preissenkungen auch beim Verbraucher ankommen und nicht in den Kassen von Produzenten und Händlern kleben bleiben. Während zurzeit die Parteien allesamt darüber reden, inwieweit Mindestlöhne erhöht werden sollten, hatte Erhard ein anderes Rezept: Höhere Nachfrage bewirkt höhere Löhne, und zusammen mit sinkenden Preisen, die in der Zange des Wettbewerbs kleingedrückt werden, ergibt das steigenden Wohlstand.

Wettbewerb ist ein wesentlicher Faktor seines Erfolgsrezepts. Aber wer will noch Wettbewerb? Druck auf die Preise und Druck durch Wettbewerb – von diesem Rezept Erhards ist nichts mehr übriggeblieben. Es wird vielmehr als schädlich zurückgewiesen. Kann das gutgehen? Die jederzeit einsehbaren Zahlen der explodierenden Staatsverschuldung, sinkender Reallöhne und steigender Steuern, die Krise der Sozialversicherung, eine ungeheure Geldschwemme der EZB und anziehende Inflation zeigen:

Es geht nicht gut. Und zwar gar nicht. Die Gesellschaft spaltet sich; die Schere zwischen einer mehr schlecht als recht versorgten und in Passivität gegängelten Unterschicht und einer von der Euro-Geldschwemme und staatlicher Subventionierung profitierenden Oberschicht öffnet sich.

Es lohnt sich also, Erhard zu lesen, um zu verstehen, wo die Fehler der Gegenwart liegen – und wie sie zu beheben wären. Erhard führte Deutschland aus den Ruinen zu Wohlstand. Gerade wird der Weg in die andere Richtung beschritten. Bald wird das Werk brennend aktuell.

Ludwig Erhard, Wohlstand für Alle. Originalgetreue Neuausgabe, Econ, Hardcover mit Schutzumschlag, 400 Seiten, 20,- €


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Kommentare ( 29 )

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EinBuerger
2 Jahre her

Es braucht sicherlich die richtige Wirtschaftspolitik. Das allein reicht aber nicht. Man wird nicht in Somalia einen Erhard installieren können und dann kommt es zum Wirtschaftsboom. Es braucht auch einen bestimmten kulturellen Hintergrund. Sieht man aktuell an China. Und dann vielleicht noch die Erfahrung von politischen Katastrophen, so dass es den Leuten von Ideologien und politischen Botschaften reicht und sie einfach nur noch durch harte Arbeit reich werden wollen.

Boris G
2 Jahre her
Antworten an  EinBuerger

Ja, in ihrem Buch „Intelligence and the Wealth of Nations“ haben das R. Lynn und Tatu Vanhanen analysiert. Heiner Rindermann lieferte in „Cognitive Capitalism“ dazu eine umfassende Literaturzusammenfassung: Nichts korreliert derart stark mit dem BIP wie die durchschnittliche Intelligenz der Bevölkerung eines Landes (Korrelationsfaktor 0.7).

K. Sander
2 Jahre her

Immer wieder wird Bertolt Brecht zitiert: „Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich“. Da hat der wohl etwas nicht bemerkt. Es müsste heißen: „Wärst du nicht reich, wär ich noch arm“. Wenn jemand sein Geld in die Investitionen seiner Firma steckt, dann steigert er sein „Vermögen“. Es entstehen mehr Arbeitsplätze und die Einkommen steigen. Wenn der Staat das für Investitionen ausgegebene Geld (das nicht mehr als Geld existiert) immer mehr versteuert und mehr Gebühren will, dann können die Löhne nicht erhöht werden und die Arbeitsplätze werden abgeschafft. So ähnlich hat es damals Ludwig Erhard begründet. Der Staat darf nicht… Mehr

Deutscher
2 Jahre her

„Es lohnt sich also, Erhard zu lesen, um zu verstehen, wo die Fehler der Gegenwart liegen – und wie sie zu beheben wären.“

Es gibt da einen feinen, aber bedeutenden Unterschied: Das Volk von heute ist nicht mehr das von Erhards Zeiten – sonst wäre es zu den heutigen Zuständen gar nicht erst gekommen.

Last edited 2 Jahre her by Deutscher
Boris G
2 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Ja, damals waren die Babyboomer zu härtester Arbeit bereit. Heute sind nachrückenden Jahrgänge schwach und werden durch Zuwanderer noch nach untern gezogen.

Manfred_Hbg
2 Jahre her

Die Politik und (Markt-)Wirtschaft betreffend bin ich auch auf diesen Seiten hier mit Sicherheit der gröste Dummi. Dennoch sagt mir alleine schon nur meine Logik, WARUM bitte etwas zerstören oder ändern wollen was Jahrzehnte lang dafür gesorgt hat was aus diesem Deutschland geworden ist? Und das auch hinzu, wo doch auch in anderen sogenannten westlichen Staaten das gleiche wirtschaftliche System zum Erfolg geführt hat.

Warum also soll und muß man das nun unbedingt ändern und damit alles an erreichten Wohlstand und Fortschritt zerstören? Ich zumindest verstehe es jedenfalls nicht.

Emsfranke
2 Jahre her

Hinter einem erfolgreichen Politiker bzw. Minister steht immer ein kluger Kopf. Zu den Wirkzeiten eines Ludwig Erhard musste die persönliche Expertise nicht „aus dem Völkerrecht“ abgeleitet werde, es war nicht notwendig das Talent eines künftigen Wirtschaftsministers aus dem Bereich „Schweine, Hühner und Kühe melken“ herzuleiten. Es war damals auch nicht üblich, Unfähigkeit mit kopierten Doktorarbeiten zu kaschieren. Schon gleich war es nicht erforderlich mit Kursteilnahme bei Harvard aufzuwarten und daraus die falschen politisch verheerenden Schlüsse zu ziehen. Staatssekrätere rekrutierten sich nicht aus Versorgungsfällen parteipolitischer Rohrkrepierer, mit Hang zu ideologisierten Wahnvorstellung. Nein, die Anzahl der Staatssekretäre war wirklich noch begrenzt auf… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Emsfranke
Nibelung
2 Jahre her

Dem muß man nichts hinzufügen weil es eine Beschreibung ist die man nicht besser hätte machen können und ergänzend würde ich gerne nur noch hinzufügen, daß im Gegensatz zu damals auch die Bereitschaft von allen Seiten bestand, das Land mit dieser Form der sozialen Marktwirtschaft wieder nach oben zu bringen und daran waren Unternehmer, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Parteien und Kirchen sich alle über diesen Weg einig, der dann auch zum Erfolg führte, weil man auch die Enthemmung des Kapitalismus und des Sozialismus gleichzeitig im Griff behalten konnte. Heute ist es völlig gegensätzlich, wo sich große und bedeutende Gesellschaftsteile immer mehr von… Mehr

Boris G
2 Jahre her

Die Nachkriegsgeneration hatte es mittels Erhards Rezepten, Fleiß, Erfindungsreichtum und Glück tatsächlich fertiggebracht, ein phänomenales BIP zu generieren. Nur die Verwaltung des angesammelten Kapitalschatzes ging gründlich schief, weil die Eliten spätestens seit 1990 in den Verschenkemodus umschalteten und das Heil im grenzenlosen Teilen suchten. Die Billionen schmolzen für „Rettungsaktionen“ nur so dahin: Mehr als zwei Billionen für die Rettung der 17 Millionen Habenichtse aus dem untergegangenen Paradies der Arbeiter und Bauern. Mehr als zwei Billionen für die Rettung der Staatshaushalte der Südländer über die Gemeinschaftswährung Euro. Mehr als zwei Billionen für die Rettung von Armutsprekariat aus der Dritten Welt. Mehr… Mehr

bkkopp
2 Jahre her

Ludwig Erhards Buch, Wohlstand für Alle, war eines der ersten Wirtschaftsbücher das ich mir als junger Student ca. 1960 gekauft habe. Meine Verehrung für Erhard ist seitdem ungebrochen. Ich habe dann mindestens 10 Jahre gebraucht um einigermaßen zu verstehen, warum sich Erhard nicht als Bundeskanzler halten konnte, und schon 1966 vom vormaligen Marinerichter (!) Kurt Georg Kiesinger abgelöst wurde. Die wahre Macht in Bonn war nicht so sehr für “ Wohlstand für Alle „. Die Schonung und Mehrung des hinter Nebelwänden verborgenen Reichtums derer, die mit unternehmerischer Tüchtigkeit, ererbtem Produktivvermögen und aus Arisierungen, seit der Währungsreform richtig reich geworden waren,… Mehr

Mario Schweizer
2 Jahre her

Die statische Pyramidendarstellung der Maslowschen Bedürfnisstrategie erscheint mir hier als sehr gutes Modell für den momentanen Zustand der BRD zu sein. Wir sind in der  Selbstverwirklichungsphase Geistig gestörter gelandet  die ihre Lebensform und Ideologie der „Masse“ aufzwingen wollen. Das Endergebnis wird ein Zigeunerleben sein. Maslow hat bei seinen Studien/Untersuchungsmethoden bewusst keine psychisch gestörten oder labile unreife Personen mit einbezogen. Hätte er das getan wäre eventuell an der Spitze noch eine Warnung vor dem gesellschaftlichen Untergang gestanden. Allerdings konnte das nur geschehen weil Faulheit und gesellschaftliches Desinteresse die letzten Jahrzehnte   prägten und das muss sich die „Masse“ auch gefallen lassen. Ohne… Mehr

Hoffnungslos
2 Jahre her

Wer einen Kinderbuchautor zum Wirtschaftsminister macht…., das Außenministerium zum Lehrberuf und das Innenministerium radikal besetzt, lebt jenseits der Realität. Die reale Welt ist kein Kinderzimmer mit Tante.