Im Interview: der Ewige Vorsitzende Mao zu Corona

Um das Leben in einer Parallelwelt handelt es sich im neuen Roman von Bernd Wagner, einer souverän und humorvoll erzählten Dystopie, die den überraschten Leser mit einer schockierenden Nachricht konfrontiert

Die Weltgeschichte muss umgeschrieben werden: Mao Tse-tung, der kommunistische Diktator Chinas, der nach sehr zurückhaltenden Schätzungen die Verantwortung für den Tod von 80 Millionen Menschen trägt, ist nicht am 9. September 1976 gestorben. Er wurde vielmehr bereits zehn Jahre zuvor anlässlich eines Besuchs seines Heimatdorfes von einem daoistischen Priester auf einem Berg der Welt entrückt und verbringt seither im Shaolin-Gebirge seine Unsterblichkeit in Gesellschaft von 72 Affen. Die Staatsgeschäfte führt derweil bis 1976 einer seiner Doubles. In den heißen Quellen sitzend vermag er, in einer Art Fernseher (den er „Nahseher“ nennt) alle Ereignisse auf der Welt zu verfolgen und mittels zauberkräftiger Zwiebeln Einfluss auf das Wirken der Politiker zu nehmen, indem er ihre Astralkörper beschwört und sie so manipuliert. Der satirische Roman gipfelt in der burlesken Schilderung der Anleitung von Maos talentierter Schülerin Angela Merkel und wir erfahren in einem Interview, was es mit der Pandemie, die er nur Pandämonie nennt, auf sich hat …

WAGNER: Herr Großer Vorsitzender, auf meiner Reise durch die Provinz Hubei habe ich, wenn überhaupt, nur maskierte Menschen gesehen, die als Grund ihrer Vermummung eine gefährliche Seuche (wenyi) angaben. Können Sie mir darüber nähere Auskunft geben?

MAO: Kann ich darüber Auskunft geben? Ich denke, ja, Genosse, denn in mir hast du den Initiator und in meinem Stellvertreter, dem Genossen Rothand, hast du den Auslöser der Maßnahme »Große Reinigung« vor dir, die das einfache Volk als Seuche und die Wissenschaft als Corona-Pandemie bezeichnet.

WAGNER: Wie ist das zu verstehen?

MAO: Das ist folgendermaßen zu verstehen: Auf der letzten Tagung des aus mir und Bruder Rothand bestehenden Politbüros haben wir einstimmig festgestellt, daß die in unserem Perspektivplan »Utopia« angestrebte Entwicklung zwar gewisse Fortschritte zeigte, doch eines neuen Großen Sprunges bedurfte, um in absehbarer Zeit zum Erfolg zu führen. Der Mensch ist nun mal ein träges Wesen und muß zu seinem Glück gezwungen werden. So diskutierten wir verschiedene Maßnahmen und kamen zu der Überzeugung, daß eine der Virusepidemien, wie sie in China ohnehin von Zeit zu Zeit auftreten, am erfolgversprechendsten wäre.

WAGNER: Aber die wird doch Tausende von Menschenleben fordern. Wie können Sie das verantworten?

MAO: Du mußt das dialektisch sehen, Genosse. An unserer Generallinie, die darin besteht, alle Menschen gleich glücklich zu machen, ändert sich grundsätzlich nichts. Aber was verhindert das Glück der Menschen? Natürlich ihr Unglück. Und was anderes ist verantwortlich für dieses Unglück als ihre drei oberen Seelen. Diese müssen wir, wenn nicht töten, so doch derart betäuben, daß sie das Unglück nicht mehr und somit ihr Glück ungetrübt zu empfinden in der Lage sind. In welchem Zusammenhang steht diese anzustrebende Bewußtlosigkeit nun mit unserer Epidemie?

Rettet den gesunden Menschenverstand
Eine Besichtigung der menschlichen Dummheit
Ich werde es dir sagen, Genosse. Anfangs diskutierten wir die Möglichkeit eines großen heilsamen Schocks in der Art der Spanischen Grippe, die, übrigens ohne mein Zutun, mehr Tote forderte als der gerade zu Ende gehende Weltkrieg, nämlich 50 Millionen. Welches Resultat aber hatte dieses Opfer – vornehmlich junge Männer, deren Immunsystem so stark war, daß es überreagierte und sich selbst vernichtete? Kein nachhaltiges. Inmitten der Kriegs-, Nachkriegs- und Revolutionswirren fielen die Seuchentoten kaum auf und waren bald vergessen. Inzwischen haben wir eine vollkommen andere Situation. Die Menschheit hat sich auf eine beispiellose Weise vermehrt und befindet sich, mit einigen Ausnahmen, in einer so lange wie noch nie andauernden Ära der Prosperität und des Friedens. Darauf heißt es sich einzustellen und angemessen zu reagieren. Auf Vorschlag von Bruder Rothand setzten wir vorerst ein recht schwaches Virus aus der Familie der Coronas ein, das nur für Alte und Kranke tödlich ist … Du bist erstaunt, Genosse?

WAGNER: Ich muß an 1-2-3 Corona denken, den Lieblingsfilm meiner Kindheit, in dessen Hauptdarstellerin wir Jungs alle verliebt waren. Es war ein Zirkusmädchen, das über ein Seil zwischen den Trümmern Berlins balancierte.

MAO: Sehr schön. Wie Konfuzius schon bemerkte, ist die Benennung einer Sache äußerst wichtig. Wir haben uns für eine Corona entschieden, weil ihr Name zwar majestätisch, doch auch so anheimelnd klingt, daß man gern mit ihr lebt und der Schrecken umso größer ist, wenn sie eine derart finster klingende Angelegenheit wie die Lungenkrankheit Covid-19 gebiert … Doch dazu später. Vorerst ließ sich unser Bruder Rothand mit einem Bananentransporter auf den Markt von Wuhan bringen und nutzte dort einen Moment, in dem der Kessel mit der Hufeisennasenfledermaus-Suppe unbeaufsichtigt war, um in ihn hineinzuspucken.

WAGNER: Pfui!

MAO: Was sollen die bürgerlichen Sentimentalitäten, Genosse? Kennt nicht auch ihr Deutschländer die Weisheit, daß der Zweck alle Mittel heiligt? (Ich nickte.) Siehst du. Nun, da das Virus in Umlauf gebracht war, konnten wir in Ruhe abwarten und den Astralkörper von Generalsekretär Xi Jinping hierherbestellen, um das weitere Vorgehen gemeinsam abzustimmen. Mein Nachfolger ist ein so einfältiger wie einsichtiger Genosse, daß ich inzwischen durchaus zufrieden mit ihm bin. Wir einigten uns, daß der Ausbruch der Epidemie anfangs Geheimsache bleiben muß und erst der Weltöffentlichkeit präsentiert werden darf, wenn genügend abschreckende Bilder von röchelnden Kranken, Leichnamen in Plastiksäcken und überfüllten Krankenhäusern zur Verfügung stehen.

Dann aber müsse mit eiserner Hand durchgegriffen werden, um der Welt ein Beispiel zu geben, wie sie mit einer solchen Krise umzugehen habe. Totales Ausgangsverbot in Wuhan, Isolation der Provinz Hubei, Aus- und Einreiseverbot in ganz China, allgemeine Maskenpflicht und flächendeckende medizinische Untersuchungen, die rasant steigende Zahlen von Infizierten, Kranken und Toten zu liefern hätten. Der Anfang gestaltete sich schwierig, indem die Zahl der Todesopfer kaum über die 3000 steigen wollte, und insbesondere weil die erhoffte Ansteckungswelle in unseren Nachbarländern unter den Erwartungen blieb. Nipponesen, Koreanesen und Taiwanos schlossen sofort die Flughäfen für meine Landsleute, isolierten die wenigen Infizierten und brachten die Epidemie mit Hilfe widernatürlicher digitaler Methoden unter Kontrolle, ohne nach unserem Beispiel die Schulen, Universitäten, Fabriken und alle anderen Örtlichkeiten zu schließen, an denen sich Menschen versammeln. Dafür waren aber unsere Erfolge in Europa umso durchschlagender.

WAGNER: Wie, das Virus hat es bis nach Europa geschafft!? (…)  Wie konnte das passieren?

MAO: Nun, wie konnte das passieren? Ich werde es dir sagen, Genosse. (Mao holte zu einer Rede wie auf einem Parteitag aus, so daß mir kaum noch Gelegenheiten zu Gegenfragen blieben.) Nach eingehender Beratung wählten wir das obere Italia als Einfallstor für die Seuche, so wie die Pest es im Jahre 1347 getan hatte, als sie im Hafen von Venedig zusammen mit chinesischen Handelsgütern erstmals das europäische Festland betrat.

Diesmal waren es unsere Gastarbeiter, die nach dem Neujahrsfest das Virus von ihren Heimatbesuchen mitbrachten. Für eine rasche Ausbreitung ist die Poebene besonders gut geeignet. Sie hat eine ähnlich hohe Bevölkerungsdichte wie die Provinz Hubei, wie diese ist ihre Himmelssphäre stark verschmutzt, so daß, besonders unter den Alten, Lungenkrankheiten weit verbreitet sind, an denen in jedem Winter zahlreiche Patienten sterben.

Und wie wir Chinesen sind die Italier ausgesprochene Familienmenschen, die in ihren Wohnungen eng zusammenleben und es sich nicht nehmen lassen, ihren sterbenden Großeltern in den Kliniken beizustehen und, nach einer uns unbekannten Sitte, sie mit einem Kuß auf die Wange oder gar den Mund zu verabschieden. Wenn nun einer der Angehörigen mit dem für ihn selbst ungefährlichen Corona-Virus infiziert war, übertrug er es auf den Sterbenden, und dort wurde es bei den abschließenden Untersuchungen von den Ärzten entdeckt. Da man, um das medizinische Personal zu schützen, keinerlei Obduktionen vornahm und somit die Todesursache nicht zweifelsfrei ermitteln konnte, faßte man sicherheitshalber alle Toten, bei denen das Virus gefunden wurde, als dessen Opfer zusammen, was zu einem die ganze Welt erschütternden explosionsartigen Anstieg der entsprechenden Zahlen führte.  (…)

Jetzt zahlte sich aus, daß wir den Tod aus unserem Leben verbannt haben, zu dem mir nun einige grundsätzliche Worte erlaubt seien. Kommunismus und Konsumismus sind sich einig in dem Ziel, nicht erst im Jenseits, sondern im irdischen Leben das Höchstmaß an Glück zu erreichen und damit die Ewigkeit vorwegzunehmen. Alles außerhalb von ihm Liegende, ob man es nun Himmel oder Hades, Paradies, Fegefeuer oder Jenseits nennt, ist genauso vernachlässigenswert wie der Tod, der angeblich dorthin führt. Allerdings ist es nun mal so, daß nur ich unsterblich bin und alle anderen Menschen weiterhin dem Tod geweiht sind. Diese aber haben, wie sich nun zeigt, eine unüberwindliche Angst vor ihm entwickelt, die desto stärker wird, je mehr man ihn in Hospitälern und Hospizen vor ihnen verbirgt und je weniger Rituale, Zeremonien und Festlichkeiten seinen Schrecken zu bannen versuchen. Obwohl er doch das einzig Zuverlässige im Leben ist, sorgt man sich permanent um ihn. Und diese Sorge gilt vor allem dem Umstand, daß man lebt, und nicht dem, wie man es tut.

Wie sonst ist zu erklären, daß sich die europäische Bevölkerung, einig wie selten, so willig den Zwangsmaßnahmen der sie Regierenden unterwarf? Deren Eifer, endlich einmal den ganzen parlamentarischen Unsinn ignorieren und sich zu diktatorischen Maßnahmen aufschwingen zu können, ist wiederum allzu verständlich. Die glorreichen Taten, zu denen sie dabei fähig waren, beweisen, daß das zuerst in den Volksdemokratien praktizierte Prinzip, die Partei- und Regierungskader mittels einer Negativauslese zu rekrutieren, auch in den herkömmlichen Demokratien von Erfolg gekrönt war.

Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft
Der Topos des gesunden Menschenverstands bei Hannah Arendt
Seit in der Politik ein Personal dominiert, das für eine anspruchsvollere Berufskarriere zu wenig Ausdauer, Fleiß und Intelligenz besitzt, dafür aber die für die Regierungstätigkeit unabdingbaren Eigenschaften wie ausdauerndes Sitzfleisch, Rückgratlosigkeit und scharfe Ellenbogen, sind solche Leistungen wie bei der Bekämpfung der Corona-Pandämonie möglich. Wenn dazu noch wissenschaftliche Berater kommen, die die Menschen ebenfalls nur noch als statistisch erfaßbare Größen ihres jeweiligen Fachbereichs kennen, sind solch glänzende Lösungen möglich, bei denen man, um den Tod einer begrenzten Bevölkerungsgruppe zu vermeiden, diesem durch kollektiven Selbstmord zuvorkommt. Wie nun wurde diese Strategie umgesetzt?

WAGNER: Ja, wie?

MAO: Um eine Gesellschaft zu einen, Genosse, braucht sie einen gemeinsamen Feind. Die bekannte Methode, sie zum Ausgleich der Spannungen in zwei Lager zu spalten – nenne man sie nun Optimisten und Pessimisten (er meint Optimaten und Popularen – Anm. d. Autors) wie die Romanen, Grüne und Blaue wie die Byzantinier oder Linke und Rechte wie unsere Väter –, ist veraltet und für die globale Massengesellschaft nicht mehr zu verwenden. Erste Versuche zu einer Einheitsfront, indem man die Leugner der menschlichen Kraft zum Klimawandel sowie anderer Gesetzmäßigkeiten, wie etwa der beglückenden Wirkung geöffneter Grenzen, als außerhalb der humanen Gesellschaft stehende Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten brandmarkte, waren vielversprechend, doch längst nicht so wirkungsvoll wie der gemeinsame Kampf gegen eine Seuche.

Was für einen besseren Feind als Tod und Krankheit kann man finden? Befriedigt konnten die Verantwortlichen feststellen, daß die von ihnen Verantworteten jede ihrer Maßnahmen widerstandslos befolgten. Es fing bei den an sich auch von mir geliebten Massentreffen wie Parteitagen, Sportveranstaltungen, Kongressen und Konzerten an, die aus begreiflichen Gründen für schädlich befunden wurden. Nach der selbstverständlichen Schließung von Museen, Universitäten, Hoch- und niederen Schulen sowie der Kindergärten und der Kirchen folgte nach und nach auch die von Betrieben, Büros, Gaststätten und sämtlichen Geschäften, die nicht der Stillung des Überlebensbedarfs dienten.

In manchen Ländern gab es außer für die notwendigsten Einkäufe Ausgangssperren, in anderen Passierscheine für gewisse Stunden, in denen aber ein Mindestabstand von anderthalb bis zwei Metern voneinander eingehalten werden mußte. Eine herrliche Stille zog in die Städte ein, und die Bevölkerung konnte sich ungestört dem von mir so geschätzten Nahsehen hingeben. Dabei war es von Vorteil, daß sich diese Erfindung den Namen »Massenmedium« redlich verdient hatte und ihm alle Ehre machte, indem es sich ausschließlich der Mobilisierung dieser Massen im Kampf gegen das Corona-Virus widmete. Stimmt es übrigens, daß in Deutschland auch Blinde und Taube Nahsehgebühren zahlen müssen?

WAGNER: Ja.

MAO: Sehr gut. (…) Nun, alles in allem bin ich mit der Reaktion der europäischen Genossen sehr zufrieden. Es zeigte sich, daß auch in ihnen ein tiefes Bedürfnis nach Gehorsam und Pflichterfüllung lebt, auf das vor allem im Kriegszustand, den auszurufen etliche Regierungschefs nicht versäumten, Verlaß war. Besonders freute mich, daß die Mittelmeervölker, auf die als das historische Herz des Kontinents unser erster Angriff zielte, sich als würdige Erben des Romanischen Reiches bewährten und mit gutem Beispiel vorangingen. Laßt sie doch nachts auf ihren Balkonen singen, wenn sie am Tag im Hause bleiben und bei ihren seltenen Einkäufen Masken tragen.

Die Kluft zwischen Denken und Handeln
Vom Vorteil der Dummheit
Daß das Vorbild der chinesischen Maskentragepflicht willig nachgeahmt wird, bürgt für weitere Erfolge bei der Überwindung des bürgerlichen Individualismus. Die Wirkung der Maske ist so tiefgreifend wie vielfältig. Zum einen macht sie die Menschen so gleich, wie sie es schon längst zu sein wünschen. Zum anderen markiert sie noch deutlicher als ein Parteiabzeichen oder eine rote Armbinde all diejenigen, für die Disziplin das oberste Gebot ist. Und drittens ist sie über die Funktion als symbolischen Maulkorb hinaus auch recht effektiv bei der Seuchenintensivierung, indem sie Bakterien, Viren und Kohlenstoffdioxid im Atembereich des Maskenträgers zurückhält und leicht zu Erstickungsanfällen und Panikattacken führt. Denn unsere wichtigste Waffe im Kampf um die allgemeine Glückseligkeit ist der Drang des Menschen zur Selbstauslöschung. Er hat in dem Maße zugenommen, in dem sich die Zahl der Erdbewohner erhöht hat. Nehmen wir deine Landsleute, Genosse …

WAGNER: Ja, bitte! Wie sieht es in Deutschland aus?

MAO: Objektiv betrachtet sind die aufgrund des vergleichsweise ordentlichen Gesundheitssystems geringen Opferzahlen steigerungsfähig. Es starb etwa ein Drittel soviel Menschen wie bei der letzten Grippewelle im Winter 2018. Das Durchschnittsalter liegt bei 81 Jahren, die Hälfte der Toten war in Heimen untergebracht, was die Effektivität der kollektiven Verwahrung von Nicht-mehr-Berufstätigen unterstreicht. Da man nicht mehr weiß, wie man Kranke auf eine Weise sterben lassen kann, die Heuchler als würdevoll bezeichnen, isolierte man sie vollkommen, ließ statt ihrer Angehörigen nur noch Pfleger in Schutzanzügen an sie heran und ihre letzten Atemzüge unter den Masken von Sauerstoffgeräten tun. Denn, wie ich schon ausgeführt habe, die absoluten Zahlen sind nur die eine Seite der Medaille, ihre psychischen Auswirkungen dagegen die wichtigere.

Niemand hat zum Glück die Opfer gezählt, die nicht dem Corona-Virus, sondern dessen Bekämpfung geschuldet sind, also die Krebs- und anderen Patienten, die nicht operiert wurden, die Selbstmörder in dieser Zeit, die alleingelassenen psychisch oder geistig Kranken, die den Depressionen verfallenen Arbeitslosen und die bankrott gegangenen Kleinunternehmer. Daß dies nicht den weltweiten Elan beim Kampf gegen die Pandämonie bremsen konnte, ist einerseits dem Nachahmungstrieb aller Primaten (…) andererseits dem schon erwähnten Todesdrang der menschlichen Spezies zu verdanken. Nur von den alten Schweden, unseren ehemals treuen Freunden, bin ich enttäuscht. Aus unbegreiflichen Gründen setzen sie ungerührt ihr Alltagsleben fort und denken trotzdem nicht daran, häufiger zu sterben als andere.

Doch zurück zu den Deutschländern. Für sie ist das Abstandhalten kein Problem, da sie sich ohnehin gern aus dem Weg gehen und ihre Kontakte lieber auf digitaler Ebene pflegen. Die revolutionäre Ungezwungenheit ihrer Sitten hat den Handschlag längst aus der Mode gebracht; daß sie nun auch auf Bruder- und Schwesternkuß verzichten müssen, verschmerzen sie leicht angesichts ihrer Neigung zu Distanz und Pflichterfüllung. Diese Neigung gibt auch der von ihnen gern beschworenen Solidarität einen neuen Sinn, nämlich den von »Paßt aufeinander auf!«, was zu einem erfreulichen Anstieg der Meldungen an die staatlichen Organe über ungenehmigte Zusammenrottungen, heimlich genutzte Kinderspielplätze und die Mißachtung der Hygienebestimmungen geführt hat. Der Genossin Merkel habe ich die Wiedereinführung von Schandhüten empfohlen, konnte sie aber noch nicht davon überzeugen.

WAGNER: Sie haben mit der Kanzlerin über dieses Thema gesprochen?

MAO: Natürlich. Über ihre zusammengelegten Fingerspitzen stehen wir in ständigem Kontakt.

Leicht gekürzter Auszug aus: Bernd Wagner, Mao und die 72 Affen oder Die geheimen Memoiren des Ewigen Vorsitzenden samt dem Interview über die Corona-Pandämonie. Edition Exil im Buchhaus Loschwitz, 264 Seiten, 19,00 €.


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Kommentare ( 2 )

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Mausi
3 Jahre her

Unter all den Verschwörungstheorien, die glücklicherweise im Internet gleich über Faktenchecker richtig gestellt werden, ist diese doch super. Fällt unter „nicht kleckern, sondern klotzen“.

Babylon
3 Jahre her

Mich interessiert, wie hat Herr Wagner, besser Genosse Wagner, dieses doch sehr informative Gespräch mit dem großen Vositzenden geführt? Wurde er selber (temporär) auf Berg der 72 Affen im Shaolin entrückt oder wurde dieses Gespräch telephatisch geführt. Reicht es, einfach die Fingerraute (Hakini Mudra) zu parktizieren oder sind spezielle Atemübungen notwendig, um den Kontakt herzustellen? Mögliche Alternative wäre das „Kreisen des LIchts“ zur „Erfahrung der goldenen Blüte“, T´ai-i Chin-hua Tsung-chi