Seine islamkritischen Bücher machten ihn berühmt. Seine scharfen Thesen haben ihm Erfolg, aber auch viel Hass und Ärger gebracht. Seit sieben Jahren lebt der Autor unter dauerhaftem Polizeischutz, nachdem islamische Gelehrte zu seiner Ermordung aufriefen. Nun hat er ein neues Buch vorgelegt.
„Aus Liebe zu Deutschland“ ist anders als alle früheren Werke von Abdel-Samad, es ist ruhiger, versöhnlicher. Sein Ton ist weder wütend noch anklagend, sondern empathisch, seine Argumente wie gewohnt klar verständlich vorgetragen und doch auf einem hohen intellektuellen Niveau.
Es ist ein starkes Plädoyer für dieses Land und für die Freiheit. Ein Plädoyer für einen ideologiefreien Umgang mit der Geschichte und die Verteidigung der westlichen Werte. Dennoch spart er nicht mit Kritik. Abdel-Samad behandelt Themen, an denen sich viele gebürtige deutsche Autoren die Finger verbrennen würden, wie „Was macht das Deutsch-Sein aus?“, „Schuld und Scham“, „Erinnerungskultur“, „Willkommenskultur“ und „Leitkultur“. Aber er macht das weder populistisch noch provokativ. Er regt zum Nachdenken an und ermutigt zum Handeln, nicht nur auf politischer, sondern auch auf persönlicher Ebene.
Sein Buch betrifft mich auch persönlich. Die Art wie er auf Deutschland blickt und wie er den Prozess seines eigenen „Deutsch-Werdens“ beschreibt, berührt mich sehr, wühlt aber auch alte Erinnerungen auf, zu deren Aufarbeitung ich lange nicht bereit war. Es tat weh, ihm beim Lesen zu widersprechen, es tat noch mehr weh, ihm zuzustimmen. Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Mann seine Liebe zu Deutschland und seinen Werten unter Beweis stellt. Und es ist nicht das erste Mal, dass er zu spüren bekommt, dass seine Liebe nicht von allen gewünscht wird.
Natürlich war und ist in diesem Land vieles schiefgelaufen, nicht nur was die Integration betrifft. Für mich waren die Thesen des Autors keine theoretischen Analysen, sondern eine Beschreibung meiner eigenen Geschichte und ihrer Verwerfungen. Doch darüber konnte ich mit niemandem sprechen, nicht einmal mit meinen Studienkollegen. Ich dachte zuvor, die Uni sei ein Ort des freien Diskurses, doch bei bestimmten Themen ist eine offene Debatte unerwünscht. Und es sind genau diese Themen, die Abdel-Samad behandelt.
Lange haderte ich mit mir selbst und auch mit diesem Land, weil ich kaum Worte fand für meine inneren und äußeren Konflikte. So ist Hamed Abdel-Samad für mich ein Sprachrohr geworden. Doch nicht nur für mich, sondern auch für viele Menschen, die kaum wahrgenommen werden, weil sie leise sind und weil diese Konflikte so komplex und emotionsgeladen sind, dass oft die Worte fehlen, sie zu benennen, oder die Kraft, sie anzugehen.
Aber es gibt uns. Säkulare Männer und Frauen aus islamisch geprägten Kulturen und Familien, die für die Freiheit, Demokratie, für Humanismus und Aufklärung stehen. Frauen und Männer, die unglaublich viel riskiert und viel verloren haben, weil sie dafür kämpften, hier ein freies Leben zu leben und trotz aller Entbehrungen nicht davon abgewichen sind. Darunter einsame, verlassene, entwurzelte und oft misshandelte Menschen, die immer noch aufrecht gehen und ihren Weg nicht bereuen. Menschen, die wie Abdel-Samad, Deutschland lieben, die es aber schmerzt, erfahren zu müssen, wie diese Liebe verkannt wird.
Manchmal scheint es, als sei es unerheblich, ob man sich angepasst und die westlichen Werte verinnerlicht hat oder nicht – weil sie im heutigen Deutschland oft in der Praxis keine große Rolle spielen. Menschen mit Migrationshintergrund scheinen für die Politik und die Medien erst interessant zu sein, wenn sie sich als Vertreter einer Religion präsentieren oder wenn sie sich über Rassismus beklagen. Selbstbewusste Migranten, die sich weder als religiös noch als Opfer inszenieren, will man nicht hören.
Wir wollen uns nicht als Opfer betrachten, weil wir etwas gewonnen haben, was über jeden Verlust hinwegtrösten kann: unsere Würde als Menschen und – vor allem – Freiheit. Und diese Freiheit ist in Gefahr, wie Abdel-Samad immer wieder betont. Deswegen wollte ich ihn damals hören und sehen. Denn dieser Autor sprach aus, was mich zwar bedrückte, was ich damals aber noch nicht zu denken, geschweige denn zu artikulieren wagte.
Eine Stunde vor Beginn seiner Lesung versammelten sich viele junge Menschen. Die meisten von Ihnen waren Studenten, darunter auch viele junge Frauen mit Kopftuch. Eine nervöse, teilweise beängstigende Stimmung machte sich auf dem Campus vor dem Hörsaal breit, als die massiven Sicherheitsvorkehrungen durch Personenschützer und Polizisten sichtbar wurden. Es dauerte lange, bis alle eingelassen waren, nach akribischer Leibesvisitation, Jacken- und Taschenkontrollen. Es erschien mir damals verrückt, aber der Saal wurde tatsächlich auf Waffen und Sprengsätze durchsucht.
„All das nur, weil er sagt, was auch ich denke? An einer Universität?!“ Zum ersten Mal wurde mir bewusst, was es im heutigen Deutschland bedeuten kann, Wahrheiten anzusprechen, die keiner hören will. Die Buchvorstellung wurde durch viele Störungen unterbrochen. Die Stimmung im Saal war äußerst aggressiv. Es gab viele Studenten, die offensichtlich nur gekommen waren, um demonstrativ wieder zu gehen, oder um die Veranstaltung zu stören. Die Türen wurden unter aggressiven Rufen wie „Rassist“ und „Faschist“ beim Rausgehen zugeschlagen. Dass es sich um eine geplante Aktion handelte, war offensichtlich, denn der Autor wurde auf diese Weise immer wieder unterbrochen.
„Freiheit für alle!“ rief eine junge Dame mit Kopftuch aus der letzten Reihe. Sie merkte gar nicht, dass sie durch ihren Zwischenruf das Recht des Autors auf freie Meinungsäußerung gerade mit Füßen trat. Auch mir und den anderen 400 Studenten, die gekommen waren, um Hamed Abdel-Samad zu hören, wurde unser Recht auf eine offene Debatte geraubt. Sie sabotierte mein Recht auf Selbstentfaltung, meine Befreiung. Wie so oft zuvor. Die lautstarke Frau, die „Freiheit für alle“ schrie, gehörte zu jener Sorte von Frauen, die mich oft als Hure bezeichnet hatten aufgrund meiner Freizügigkeit.
Meinen wir eigentlich dasselbe, wenn wir von Freiheit sprechen? Ich denke nicht. Denn es waren auch die Rufe derer, die eine „Kultur“ vertreten, die es für richtig befand und guthieß, meinen Großvater zu ermorden, um „die Ehre zu waschen“. Seine Kinder fanden ihn blutüberströmt und mit durchgeschnittener Kehle auf. Die Vertreter dieser „Kultur“ hielten es für richtig, meine Tante, die damals 14 Jahre alt war, gegenüber den deutschen Behörden als Volljährige auszugeben, um sie hier in Deutschland mit einem zwanzig Jahre älteren Mann zu verheiraten; damit sie hier nicht zu einer „gottlosen Hure“ verkommt. Wäre es nach ihnen gegangen, würden weder ich noch meine Geschwister existieren, weil meine Mutter ebenfalls von ihrem Bruder ermordetet werden sollte, wegen „unehrenhafter Verhaltensweisen“. Sie entkam. Ihre Narben der vom Messer zugefügten Verletzungen sind nur noch dunkle Flecken und stumme Zeugen der Vergangenheit.
Ich saß im Hörsaal, war wütend und konnte nicht verstehen, wieso dieser Mann so viel Hass auf sich zog. Auch das ist Deutschland. Ein Land wo Salafisten frei herumlaufen und predigen können, während ein Islamkritiker nur mit Personenschutz und einer schusssicheren Weste auftreten kann. An welcher Kruste kratzt Abdel-Samad, dass diese völlig überzogenen Aktionen auf seinen Vorlesungen eher zur Regel wurden, als die Ausnahme zu bleiben – und sein Leben nach wie vor in Gefahr sein muss?
Hamed Abdel-Samad blieb gelassen. Er hatte offensichtlich schon Schlimmeres erlebt. Sie kamen, um ihn zum Schweigen zu bringen, aber er wehrte sich zivilisiert und mit überzeugenden Argumenten.
Und nun hat er ein neues Buch geschrieben. Wieder kritisiert er brennende Probleme und wirbt für eine offene Debattenkultur – auch bei Tabuthemen. Erneut riskiert er sein Leben – die Fatwa gegen ihn hat nach wie vor Bestand. Doch diesmal kritisiert er nicht nur den Islam, sondern alle Ideologen – Rechte wie Linke – nie moralisierend, sondern klug und zielorientiert. Man fragt sich, warum tut dieser Mann sich das an? Die Antwort lautet, wie der Titel nahelegt: „Aus Liebe zu Deutschland“.
Trotz allem kann man ihm keineswegs vorwerfen, durch eine rosarote Brille zu schauen, auch wenn manche Passagen einen Hauch deutscher Romantik tragen. Bei gebürtigen deutschen Autoren wäre dies sicherlich nicht nur ein Angriffspunkt für scharfe Kritik, sondern der ultimative Beweis für das Liebäugeln mit den Rechten. Aber hier schreibt ein Mann, der im Jahre 1995 als 23-Jähriger aus Ägypten nach Deutschland kam. Er wurde von Deutschland stark geprägt. Er setzte sich leidenschaftlich mit der deutschen Geschichte auseinander, weil er dieses Land verstehen will, das „ihm ähnlich ist“, was die traumatischen Erlebnisse und was die Flucht von einem Extrem ins Nächste angeht. Er lädt Deutschland dazu ein, die eigene Geschichte nicht in dunkle Kapitel und Sternstunden zu unterteilen, sondern als Prozess zu betrachten, auch als Heilungsprozess.
Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an ein gespaltenes Land. Und dass es sich bei dieser Liebe um eine aufrichtige und ehrliche handelt, frei von Kitsch, aber nicht ganz frei von deutscher Romantik, die ihn offenbar mehr prägt, als man einem Migranten zutrauen würde, macht er auf 224 Seiten und in neun Kapiteln in präziser und konkreter Sprache deutlich, indem er kritisch betrachtet, was er liebt, und indem er vor fatalen sozialen und politischen Entwicklungen warnt. Er warnt vor der Gefahr, das verloren gehen könnte, was er in Deutschland kennen und lieben lernte: die Freiheit. Und er offenbart, dass es sich auch um eine tragische Liebe handelt. Denn er liebt, was nicht geliebt werden will, weil es sich der Liebe nicht wert fühlt und deshalb nicht zurücklieben kann.
Beim Lesen dieses Buches fühlte ich mich wieder bei Themen und Problemen verstanden, für die ich eigentlich noch nicht bereit war. Ich kann Deutschland jetzt ein Stück besser verstehen. Und ich kann mich selbst besser verstehen. Es ist an der Zeit, damit aufzuhören, uns durch die Schmerzen der Vergangenheit zu definieren. Denn Geschichte soll uns mahnen, nicht vereinnahmen. Abdel-Samad hat etwas geschafft, was ich nie konnte: Er kann damit leben, dass seine Liebe zu Deutschland unerwidert blieb. Ich erwische mich immer wieder dabei, die Frage zu wiederholen: War alles umsonst?
Dem Autor zufolge nicht. Ich hoffe er behält Recht.
Hamed Abdel-Samad, Aus Liebe zu Deutschland. Ein Warnruf. dtv, Taschenbuchausgabe, 224 Seiten, 12,- €.
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Hier das Video zum Buch: https://youtu.be/eV-Xo73CioU
Leider ist der Start in diesen ansonsten lesenswerten Artikel ziemlich missglückt. Und zwar durch ein Framing, das ich durch ein Beispiel offenlegen möchte. In der katholischen Kirche, einer der Umma entsprechenden religiösen Organisation mit machtpolitischer Vergangenheit, gab es ein kriminelles Problem mit Pädophilie von Priestern und anderem Personal. Nun sind diese Kriminellen, die sich in perverser Lust an Kindern vergangen haben, durch bedeutende Universitäten gelaufen, beherrschen Griechisch, Hebräisch und besonders Latein. Sie sind also Gelehrte. Mir ist aber kein einziger Fall bekannt, dass diese Leute als Gelehrte bezeichnet wurden. Hier wird zu einem Mord aufgerufen. Die islamische Elite verhält sich… Mehr
Liebe Firuze B.,
willkommen bei den Dissidenten. Leute wie Sie werden ein großer Teil der Lösung sein. Bitte stören Sie weiter.
Meine volles Mitgefühl an alle aus dem moslemischen Kulturkreis, die sich hier wirklich anständig verhalten wollen. Und Anstand ist: sich hier integrieren und dem Land und auch den Leuten die Wertschätzung entgegenbringen, die sie allemal verdient haben. Denn all die Dinge, nach denen sich vor allem die statusorientierten Orientalen die Finger lecken, die dicken Autos, das gute Gesundheitsystem, den Kühlschrank usw. kommen von HIER, aus DIESEM Geist, aus DIESER Loslösung von der Gläubigkeit. Und ja dieses arbeitsteilige, industrielle Leben hat auch schwere psychologische Nachteile – eine Großfamilie mit einem lokalen Geflecht IST angenehmer – aber brächte nicht diese Dinge hervor… Mehr
Es war nicht um sonst, Firuze. Auch viele einheimische Deutsche bemerken die Entwicklung. Irgendwann wird die Merheit aufstehen.
Bei einem Volk, bei dem sich von Zehnen nur Zwei die Schuhe richtig zubinden können, Acht brauchen einen zweiten Knoten, da der erste falsch ist und nicht halten kann, habe ich so meine Zweifel. Wohlan…
Die Mehrheit ist immunisiert und hält den Kampf gegen Rassismus und Islamophobie für das wichtigste Anliegen unserer Zeit.
Der Deutsche glaubt Weihnachten 42 an der Wolga noch an ein guten Ausgang, auch das ist eine nationale Eigenschaft
ich glaube, das hat etwas mit der angestrebten Psychegesundheit zu tun.
Ich weiß nicht, ob es genau zum Thema passt, aber ich will mal eine Lanze für „Globalisierung“ brechen. Sobald man darunter ein Gefühl der persönlichen und globalen Verantwortung, des fleißigen Lernens, des Könnens, der Arbeitsamkeit, der Gewaltlosigkeit, der Geburtenkontrolle, was noch? verstehen kann, dann hätten wir einen besseren Planeten, auf dem es sich besser leben ließe. Wer aber andere bedroht, ausnutzt, ausraubt, faul herumhängt, nichts kann außer Kindermachen, der zerstört den Traum nachhaltig. Einmal identifiziert, sind solche Freundchen fern zu halten, konsequent. Das ist imA alles.
Da schreibt ein Typ mit einem offensichtlich undeutschen Namen ein Buch, das er „Aus Liebe zu Deutschland“ nennt – er ist ja auch der geschützte Gast, warum sollte er Deutschland da nicht lieben? Und unter dem Artikel der Frau mit dem undeutschen Namen sind lauter Leute, die nichts als Häme und Hass für Deutschland übrig haben. Selbsthass von Nestbeschmutzern hat hier mehr Tradition als Liebe von Ausländern. Denkt mal drüber nach.
Langfristig setzen sich Wahrheit und Gerechtigkeit durch.
Ich rechne aber nicht damit, dass ich es noch erlebe. Womöglich bleibt Deutschland dabei auch auf der Strecke, und sie setzen sich woanders durch, nachdem hier schon alles irrversibel in einem Shithole wie der Sonnenallee versunken ist.
Das Schlimmste ist dass die traditionellen, linken Kräfte des Fortschritts mittlerweile selbst Verrat und Selbstzerstörung betreiben. Woher soll also die Hilfe kommen? Es braucht eine dritte Kraft, aber worauf beruft die sich?
Die aktuellen „Querdenker“ halten die „Liebe“ hoch, edel und schön, aber taugt die um die Massen zu mobilisieren?
….schau einmal in den libanon, einst die schweiz vorderasiens genannt,
doch nun vom bürgerkrieg zerfressen! für deutschland ahne ich ähnliches und
wende mich mit grauen!
all the best aus jasper/can.
Im Grunde hält Hr. Abdel-Samad den Leuten den Spiegel der Realität vor, die gerne eine andere Realität hätten. Wunschdenken eines weltweit homogenen Multikulturalismus steht der Tatsache entgegen, dass Menschen keine beliebig umerziehbare Masse sind. Integration kann nur dort funktionieren, solange eine gewisse Übereinstimmung in den Überzeugungen vorherrscht. Ist dies nicht der Fall, bilden sich Parallelgesellschaften, die wir heute schon haben, und mit der Zeit weiter zunehmen werden. Die Generationen nach uns werden das Nachsehen haben.
Danke, Frau Firuze B!