Der Wohlstand einer Nation hängt wesentlich von der Wirtschaftspolitik ihrer Regierung ab und auch von den Lehrmeinungen, die sich hinter ihren Maßnahmen verbergen. Woher sie kommen, welchen Einfluss sie auf die Geschichte nahmen, welchen historischen Entwicklungen sie entstammen, erfährt man in Josef Schlarmanns verständlich und spannend zu lesendem Werk.
Die Angst wächst, dass aus Ludwig Erhards „Wohlstand für Alle“ künftig „Not für Alle“ oder „Wohlstand nur für Parteimitglieder und Beschäftigte von NGOs“ werden könnte. Immer neue Volten schlägt die Wirtschaftspolitik, verschlingt ungeheure Steuersummen, statt über gestiegene Steuereinnahmen Mittel für genuine Staatsausgaben bereitzustellen; trotz Rekordeinnahmen steigt die Verschuldung. Dabei wurde uns doch ein „grünes Wirtschaftswunder“ (Olaf Scholz) versprochen.
Aber was ist das, „Wirtschaftspolitik“? Welchen Beitrag kann sie leisten zum Wohlstand einer Nation?
Josef Schlarmann nimmt seine Leser mit auf eine Zeitreise durch Deutschlands Wirtschaftspolitik – von der Zeit des Absolutismus bis zur Klimapolitik von Angela Merkel. In einer großen historischen Gesamtschau verbindet er die wirtschaftspolitischen Prozesse mit den verschiedenen Phasen der deutschen Geschichte.
Die Zeitreise beginnt mit der Wirtschaftspolitik des Merkantilismus, mit der die absoluten Fürsten des 17. und 18. Jahrhunderts unter feudalen Bedingungen ihre Kasse anreichern wollten. Es waren die preußischen Reformer Stein und Hardenberg, welche die deutsche Wirtschaft von den Fesseln des Mittelalters befreiten, indem sie die Zünfte aufhoben und die Bauern befreiten.
So konnte Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Beseitigung der Kleinstaaterei und mit einer liberalen Wirtschaftspolitik zu den erfolgreichen westlichen Nachbarn aufschließen. Diese erste Wohlstandsperiode endete jedoch dramatisch aufgrund von zwei Weltkriegen, in deren Verlauf die liberale Wirtschaftsordnung durch staatliche Kriegswirtschaftssysteme ersetzt wurde.
Sehr lange allerdings hat sich Deutschland nicht an diese Prinzipien gehalten. Zunächst versuchte sein Nachfolger Karl Schiller, Wachstum durch die „keynesianische Nachfragesteuerung“ zu verstetigen. Es war ein Irrweg, der in niedrigen Wachstumsraten bei hoher Arbeitslosigkeit, hoher Inflation und exorbitanter Verschuldung endete. Gegen Ende ihrer Zeit näherten sich bezeichnenderweise Erhard und Schiller in ihren Einschätzungen an und riefen gemeinsam zur Rückkehr zur Marktwirtschaft auf.
Seitdem bewegte sich die deutsche Wirtschaftspolitik zwischen den Polen Marktliberalismus und Staatsinterventionismus, dauert die Konsolidierung der Haushalte nach Schuldenexzessen immer noch länger und schwinden der Erfolg der Unternehmen und mit ihnen die Jobs.
Neuerdings nimmt die Wirtschaftspolitik unter Robert Habeck eine radikale Position ein: Der Staat will über Produkte und Prozesse entscheiden; nur noch innerhalb amtlicher Leitplanken dürfen Unternehmen noch wirken; auch dabei von immer neuen Regelungen beschränkt und in der Wahl behindert. Innovationen werden verordnet, nicht entwickelt.
Ausführlich und kritisch behandelt der Autor diese Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in eine „sozialökologische Marktwirtschaft“, mit der zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine neue Epoche der Wirtschaftspolitik begonnen haben soll. Kennzeichnend dafür sind insbesondere die Neuinterpretation des Begriffs „Wohlstand“ im Sinne von Klimaneutralität und die politische Bereitschaft, sie mit staatlichen Zwangsmitteln – komme, was wolle – durchzusetzen. Dabei ist „Klimaneutralität“ nicht etwa ein Ziel, sondern die Rechtfertigung für immer massivere Eingriffe des Staates, die zu der bekannten Interventionsspirale geführt haben, in der beispielsweise fossile Kraftwerke gleichzeitig abgeschaltet, im Notbetrieb weitergeführt und 60 neue gebaut werden sollen.
Hätte man das nicht alles billiger und einfacher haben können?
Auch Wirtschaftsgeschichte wiederholt sich nicht, und wenn doch, dann als schleichender Bankrott. Schlarmann beschreibt Wirtschaftspolitik anschaulich, nachvollziehbar und nüchtern. Er ist kein papierener Theoretiker. Von 2005 bis 2013 war er Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU/CSU und Mitglied des Bundesvorstands der CDU.
In dieser Zeit war er Mahner und Warner. Dass er sich nicht durchgesetzt hat, ist Deutschland zum Schaden geraten, denn unter Angela Merkel und der von ihr geführten CDU wurde Erhard entsorgt – so wie kurz nach Habecks Amtsantritt die Ludwig-Erhard-Büste aus dem Foyer des Ministeriums entsorgt wurde: Sie war eine Leihgabe, und der edle Spender erzürnt über eine Politik, die sich so kaltschnäuzig vom Erfolgsmodell der Wirtschaftspolitik abwandte.
Der Bundesvorstand der CDU habe unter Merkel nicht einmal über zentrale Weichenstellungen debattiert. „Die großen gesellschaftspolitischen Entscheidungen – Atomausstieg, Migration, Klimapolitik – waren gar keine Sitzungsthemen im Vorstand. Vor den Tagungen gab es Besprechungen im ganz kleinen Kreis um Merkel, dann tagte das Präsidium, und anschließend verkündeten der Generalsekretär oder Merkel selbst dem Vorstand, was das Präsidium beschlossen hatte“, schildert Schlarmann, der in seiner Zeit als MIT-Vorsitzender auch Mitglied des CDU-Bundesvorstandes war. „Zu 98 Prozent wurde das auch so hingenommen.“
Bis heute unverständlich ist Schlarmann, wieso die Union keinen Widerstand geleistet hat. „Das ist bis heute das große Rätsel für mich: Wie konnte die CDU das alles mitmachen? Ich kann das nur mit dem Herdentrieb erklären: Wenn die Führung in eine bestimmte Richtung marschiert, marschieren die meisten Abgeordneten hinterher, weil sie befürchten, sonst auf der Strecke zu bleiben.
Auch heute wird der Kurs der Wirtschaftspolitik von Parteien und Unternehmen sowie ihren Verbänden hingenommen. Es fehlt an Verständnis und Perspektive. Schlarmanns Buch liefert beides.
Josef Schlarmann, Die Magie vom Wohlstand. Eine Zeitreise durch Deutschlands Wirtschaftspolitik. Olzog Edition im Lau-Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 568 Seiten, 35,00 €.
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„Bis heute unverständlich ist Schlarmann, wieso die Union keinen Widerstand geleistet hat.“ Widerstand macht unbeliebt. Über Merkels Kanzleramtsminister Peter Altmaier hat mal irgend jemand gesagt: Wenigstens gute Laune kann er verbreiten! Darum ging es Merkel: ein freundliches Gesicht, wenig anecken, kleine Frühstücksrunde mit Steffen Seibert, Frau Hartmann und Altmaier (lass dicke Männer um mich sein) – wir sind gut gelaunt! Wenn Fukushima allen Angst einjagt, dann beschließen wir eben kurz vor einer wichtigen Landtagswahl die Abschaltung der Atomkraftwerke. Immer harmonisch auf der Welle der Sympathie segeln! Das sind typisch weibliche Charakterzüge – die CDU ist verweichweiblicht.
Kurzfassung:
Kapitalismus: Alle können wohlhabend werden, manche reich.
Sozialismus: Alle werden gleich arm, die Nomenklatura reicher
Nota bene:
„Der Sozialismus —
als die zu Ende gedachte Tyrannei der Geringsten und Dümmsten, der Oberflächlichen, der Neidischen und der Dreiviertels-Schauspieler — ist in der Tat die Schlussfolgerung der modernen Ideen und ihres latenten Anarchismus. In der lauen Luft des demokratischen Wohlbefindens erschlafft das Vermögen, zu Schlüssen oder gar zum Schluss zu kommen.“
Nietzsche
Ein geflügeltes Wort sagt: Sozialismus kann man wählen, aber er lässt sich nicht abwählen.
Erst wenn alle Kassen leer sind, wird in den westlichen Ländern wahrscheinlich die Ernüchterung durch die Realität der bitteren Armut einkehren.
Ob aber die Probleme, die unter dem Helfersyndrom der politischen Elite entstanden sind, sich friedlich lösen werden lassen, ist ungewiss.
„Bis heute unverständlich ist Schlarmann, wieso die Union keinen Widerstand geleistet hat. „Das ist bis heute das große Rätsel für mich: Wie konnte die CDU das alles mitmachen? Ich kann das nur mit dem Herdentrieb erklären: Wenn die Führung in eine bestimmte Richtung marschiert, marschieren die meisten Abgeordneten hinterher, weil sie befürchten, sonst auf der Strecke zu bleiben.“ Da wird es schwach. Was seit 1998 mit der Energiewende ins Nichts systematisch organisiert worden ist, hat die Union betrieben. Das ist nicht „unverständlich“ , sondern das hat System. Die politische Entwicklung aller seit 1998 regierender Parteien wird dadurch verständlich, dass man… Mehr
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Es heißt nicht grundlos, die Staatsgläubigkeit der Deutschen entspringe den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, woraus sich wiederum die Empfänglichkeit für sozialistisches Gedankengut speise.
Die beispiellose wie auch totale Niederlage Deutschlands Mitte des 20. Jahrhunderts ist untrennbar mit der national-sozialistischen Ideologie verbunden.
Muß die Vermutung zensiert werden, nach der die inter-national-sozialistischen Kräfte danach zu streben scheinen, jene Niederlage im 21. Jahrhundert zu überbieten?
Beiden Fällen gemein ist eine passive Mehrheit wie eine kleine ideologisierte Gruppe, die medial überhöht ersteren den Takt vorgibt.
Was Erhards Wirtschaftspolitik anbelangt: warum scheinen die Phasen menschlicher Vernunft in der Demokratie temporär derart in der Minderheit?
„Bis heute unverständlich ist Schlarmann, wieso die Union keinen Widerstand geleistet hat.“
Mir nicht.
> „Das ist bis heute das große Rätsel für mich: Wie konnte die CDU das alles mitmachen?
Weil die CDU genauso korrupt wurde, wie die übrigen Altparteien?
Wie konnte die CDU das alles mitmachen?….mitmachen?….die CDU bzw konservativen waren die treiber dieser politik. Man sollte mal den gedankegang zulassen das wir das scheitern des konservatismus erleben. Dann ergibt das alles einen sinn und oder lässt sich erklären. Ich kann mich noch gut erinnern als wir anfang der 1980 über die CDU bzw Kohl witzelten. Die konservativen die ja dem kapital zugewant sind würden für gewinne sogar ihre oma verkaufen – das land zugunsten des kapitals vernachlässigen/ruinieren oder gar den staat plündern. Bestätigt haben wir uns dann gefühlt als schwarze koffer und ein ehrenwort kamen! Dann kam der boss… Mehr
Vielen Dank für den Buchtipp! Nur wer die Geschichte kennt, versteht was aktuell abläuft und kann die Zukunft erahnen! Ich grübel auch schon wie es nach der gescheiterten Energiewende weiter gehen wird und – was noch spannender ist – wem das Scheitern in die Schuhe geschoben wird.