Im Gespräch mit Nigel Farage erklärt Douglas Murray, warum es wichtig ist, die Dinge beim Namen zu nennen, warum er das Misstrauen der Briten gegenüber Ideen für eine gute Idee hält und warum die Linke den entscheidenden Fragen der Gegenwart ausweicht
In dieser billigen Religion kannst du zeigen, dass du gut bist, indem du dich solidarisierst mit dem allerneuesten Anliegen. Indem du dich mit allem verbündest, womit man sich gerade zu verbünden hat. Auch indem du sagst, wie sehr du dich für was auch immer schämst. Das sind alles religiöse Instinkte. Man kann sogar einen Zehnten zahlen, z.B. als großes Unternehmen oder als Universität, am besten noch bevor dieser Mob einen ins Visier nimmt. Die billigste Methode, sich freizukaufen, z.B. für eine Bank, die dafür bekannt ist, dass sie viele Männer einstellt: sie zahlt einfach ihren Tribut an Black Lives Matter und schon ist alles gut. Das ist es, was sich gerade abspielt. Wir haben eine neue Moral, eine neue Religion. Ich habe sie jahrelang zu beschreiben versucht und dies sind die klarsten Anzeichen dafür.
Nigel Farage: Es ist eine Sache, aufzustehen und etwas anzuprangern. Ich tue das selbst oft, zum Beispiel in der Frage der permanenten Flüchtlingsankünfte hier in England. Du hast darüber in „Der Selbstmord Europas“ geschrieben, die ganze Thematik auch mit Bezug zu den Konflikten im Mittelmeer. Ich glaube, ich bin wie Du ganz gut darin, Themen zu setzen und darüber zu reden. Aber: Was tun wir, um dieses Problem zu lösen? Was tun wir, um z.B. die Universitäten wieder auf den Stand zu bringen, den sie einmal hatten?
Douglas Murray: Ich glaube an die Wahrheit. Ich glaube tatsächlich, dass die Wahrheit eine große Fähigkeit hat, durchzudringen.
Nigel Farage: …am Ende…
Aber es ist dasselbe mit jeder Diskussion. Die These, die ich in „Der Selbstmord Europas“ aufgestellt habe, lautet, dass wir die große Frage zum Thema der Migration noch gar nicht gestellt haben. Welches ist diese Frage?
Ich würde sie als Zwickmühle beschreiben: Wir würden ja gerne nett und hilfsbereit sein gegenüber all den Menschen in der Welt, die großes Pech hatten, die in Kriegsgebieten leben, furchtbare Situationen durchmachen in schrecklichen Ländern, die von Despoten niedergewirtschaftet wurden. Wir würden gerne großzügig zu ihnen sein. Aber: Können wir alle aufnehmen? Nein. Was können wir also stattdessen tun? Ich versuche seit Jahren, Leute dazu zu bringen, darüber endlich nachzudenken!
Ich erlebe das laufend mit meinen linken Freunden. Ich sage zu ihnen „Ihr wisst genau, dass das der Konflikt ist: Wir können nicht alle aufnehmen, die in schwierigeren Situationen leben als wir. Also? Was habt ihr vor?“ Alles, was sie tun, ist, dieser Frage auszuweichen. Seit Jahren. Sie können nur immer ausweichen und alle, die nicht mit ihnen übereinstimmen, als Rassisten bezeichnen! Das ist aber nicht nachhaltig. Ihre Argumente sind nicht nachhaltig und das ist mit vielen Debatten so. Und deshalb bin ich recht zuversichtlich, dass es enden wird.
Nigel Farage: Wenn wir die Debatte intellektuell gewinnen, wird das zwangsläufig in politisches Handeln münden?
Douglas Murray: Nein, du kannst eine Debatte intellektuell gewinnen und politisch verlieren.
Nigel Farage: Haben wir eine konservative Partei?
Douglas Murray: Das ist das Ganze andersherum. Die gewinnt politisch und verliert intellektuell. In dieser Situation befinden wir uns zumindest teilweise hier in Großbritannien. Wir haben eine konservative Regierung mit 80 Sitzen Mehrheit. Und dennoch gibt es tägliche Beispiele für vieles, mit dem ein Konservativer eigentlich nicht einverstanden sein kann. Erst kürzlich hat unsere Regierung schmählich versagt, als unsere – und ich möchte sie nicht nur als Denkmäler bezeichnen, sondern als heilige Orte unserer Nation – geschändet wurden, als das Kriegerdenkmal in London jeden Tag beschädigt wurde. Da gab es dieses Video von Black Lives Matter Demonstranten, die zu einem Team sehr junger Freiwilliger, das gekommen war, um das Ganze aufzuräumen, sagten: Na? Kümmert ihr euch jetzt um eure wertvollen Statuen? Da hätten wir sagen müssen: Ja! Ja, uns liegt etwas an unseren Denkmälern, sie sind wertvoll für uns, das sind unsere heiligsten Plätze und wir entschuldigen uns nicht dafür, sie in Ehren zu halten. Niemand in der Regierung sagte das.
Nigel Farage: Mittelengland sagt das schon. Ich glaube ja, dass die BBC eine Grenze überschritten hat, als sie das Hymnensingen in den Last Night of the Proms aussetzen wollte.
Douglas Murray: Ich verstehe nicht, was die BBC sich dabei gedacht hat. Sie erwecken den Eindruck, dass sie sich schuldig fühlen. Was mir doch sehr verdächtig vorkommt. Was hatte die BBC mit der Ermordung George Floyds zu tun? Warum benehmen sie sich, als seien sie Komplizen gewesen? Sie zeigen Videos, in denen sie sagen, wir hätten mehr tun können. Was verbergen sie? Was habt ihr für ein Problem? Warum glaubt ihr das? Weil ein amerikanischer Polizist in Minnesota jemanden getötet hat, sollen wir unsere Hymne nicht mehr singen können? Glaubt ihr, wenn wir Rule Britannia singen, dass wir dann in Frankreich einmarschieren? Oder was glauben sie? Dass wir anfangen, Leute zu lynchen, wenn wir Land of Hope and Glory singen? Vielleicht glauben sie das wirklich.
Nigel Farage: Ich weiß es nicht! Lass uns nach Nord-London gehen, um es herauszufinden.
Douglas Murray: Diese Leute vertrauen sich selbst nicht. Also vertrauen sie auch uns nicht. Wir aber vertrauen uns, wir wissen, dass das englische Volk ein anständiges Volk ist und dass wir Liedtexte richtig verstehen.
Nigel Farage: Das entspricht fast der Spaltung zwischen Remain und Brexit. Ich habe nämlich in den ganzen Diskussionen, in denen es darum ging, wie schrecklich unsere Geschichte sei, festgestellt, dass gerade die Remainer so argumentieren.
Nigel Farage: Wenn wir uns in fünf Jahren hier wiedertreffen, werden wir diesen gegenwärtigen Wahnsinn hinter uns gelassen haben?
Douglas Murray: Ich bin tatsächlich zuversichtlich, dass wir es schaffen.
Nigel Farage: Das ist ein schönes Schlusswort. Haben Sie Vertrauen! Und wenn Sie einen „woken“ Freund ärgern wollen, dann kaufen Sie ihm dieses Buch. Ein tolles Geschenk: „Wahnsinn der Massen“.
Douglas Murray, Wahnsinn der Massen. Wie Meinungsmache und Hysterie unsere Gesellschaft vergiften. Edition Tichys Einblick im FBV, 352 Seiten, 24,99 €.
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„… dass wir … zugelassen haben, dass eine Bewegung vor sich hingärt, die alle Aspekte unserer Geschichte feindselig betrachtet.“ Diese Feindseligkeit gibt es hier auch, mit dem Unterschied, dass in Deutschland von unserer 1000-jährigen Geschichte fast nur noch 12 Jahre übrig geblieben sind, über die man hauptsächlich redet. Außerdem wird hier nicht nur dieses Stückchen Geschichte feindselig betrachtet, sondern auch derjenige Teil des Volkes, der nicht bereit ist, grünlinksradikalen Ideen hinterherzuhecheln, sondern diese kritisch sieht. Vielleicht ein Grund, warum überhaupt so viele sich auf die grünlinke Seite geschlagen haben, um nur ja nicht auf der „falschen“, nämlich der konservativen Seite… Mehr
Das Buch kann ich nur empfehlen und zum verschenken sehtr geeignet.
Bin es durch !
Einenbesinnlichen zweiten Advent wünsche ich allen Lesern und das
ganze Tichy Team.