Zunächst mag es verwundern, wenn ausgewiesene Spezialisten der Kernkraft ein Buch schreiben, in dessen Titel etwas unfachmännisch von „Atomenergie“ die Rede ist. Die umgangssprachliche Bezeichnung zeigt, dass es im Inhalt um mehr als die Kernkraft geht und dass ein breiterer Leserkreis angesprochen werden soll.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Gesamtbild der weltweit einmaligen deutschen Energiewende zu zeichnen. Manfred Haferburg malt ein großes Bild
vieler wirtschaftlicher und politischer Zusammenhänge, Klaus-Dieter Humpich gibt breite Informationen, die einen auf den neuesten Stand der Zukunftsenergie Kernkraft bringt.
Im ersten Teil gibt es Wissen zur Funktionsweise unseres Stromsystems bis hin zu Störungen und zum Blackout. Die große Antriebswelle aus der Anfangszeit der Industrialisierung ist das Sinnbild der Energie liefernden Kraftwerke, die abgehenden Transmissionsriemen spielen die Rolle der Verbraucher mit ihrem wechselnden Bedarf, wenn diese „den Riemen auf die Orgel werfen“ oder das Gegenteil tun.
Im Rückblick beschreibt Manfred Haferburg die ihn prägenden Ereignisse als Oberschichtleiter im Kernkraftwerk Greifswald zu Zeiten der Versorgungskrise zum Jahreswechsel 1978/79. Er beschreibt die dramatischen Ereignisse im Stromnetz der DDR nach dem Schneesturm und wie sein Kernkraftwerk zum letzten Stabilitätsanker im Netz wurde, weil die Energiestrategie aus Mangel an Devisen alles auf die feuchte und damit frostempfindliche heimische Braunkohle setzte.
Im Grunde war diese Winterkatastrophe ein befristeter, unabsichtlicher Kohleausstieg. Den wollen wir nun bald endgültig, ohne dass wie damals Kernkraftwerke dahinterstehen. Heute setzen wir alles auf Wind und Sonne und wundern uns über neue alte Abhängigkeiten von den Naturkräften und auch vom Ausland. Haferburg bleibt nicht beim Thema Energie, sondern zieht den Rahmen weiter. Das ist nötig, um die Ursachen des sich anbahnenden Desasters zu verstehen.
Er thematisiert die Zusammensetzung der Ethikkommission zur Legitimierung des Atomausstiegs und der Kohlekommission zur Legitimierung des Kohleausstiegs und das Fehlen von Naturwissenschaftlern, Netz- und Kraftwerksbetreibern in diesen Gremien. Fachlich ahnungslose SED-Funktionäre damals und bildungsschwache Politiker heute waren und sind ein Problem. Manche können als abgeschlossenes Studium nur jenes einer Speisekarte vorweisen.
Natürlich geht es um fehlende Speicher und horrende Kosten, um religiös interpretierte Klimapolitik. Die CO2-Bepreisung wird als wohlstandsvernichtender Faktor benannt, ohne jegliche Wirkung „aufs Klima“. Aber ein Kurswechsel ist unter den herrschenden politischen Verhältnissen kaum möglich, weil dann Fehler eingestanden werden müssten.
Letztendlich ist das Klimaargument vorgeschoben. Die spezifische CO2-Emission der Stromproduktion beträgt in Deutschland 396 Gramm pro Kilowattstunde, in Frankreich 41. Würde es tatsächlich um die Senkung der Emissionen gehen, wäre man bei der Kernkraft geblieben, hätte diese perspektivisch sogar ausgebaut und, wie vom IPCC empfohlen die CO2-Abscheidung weiterentwickelt. Stattdessen wurden topgepflegte Kernkraftwerke zerstört, um den Profiteuren der Energiewende die Einnahmen zu sichern.
Das Framing, wir bräuchten mehr „Erneuerbare“, ist die tägliche Gebetsmühle. Wo gibt es das meiste Geld pro Quadratmeter bei Kauf oder Pacht? Nicht in den Zentren der Großstädte, sondern im Norden auf dem platten Land. Mehrere hunderttausend Euro Pachteinnahmen pro Jahr winken Landwirten, wenn sie ihr Land mit Wind- oder PV-Anlagen zustellen lassen. Sie können die mühsame Arbeit auf dem Acker einstellen und in den neu angeschafften Pool steigen.
Natürlich schreibt Kernkraftwerksexperte Haferburg, der hunderte Anlagen von innen gesehen hat, ausführlich über die Geschichte des deutschen Atomausstiegs. Dieser ist international ohne Beispiel und erst recht ohne Nachahmer. Die Tragödie von Fukushima wird beschrieben, die vor allem in einem extrem starken Seebeben mit folgendem Tsunami bestand. Der GAU durch Kernschmelze in drei Blöcken des Kernkraftwerks war durch eine unzureichende Anlagenauslegung begünstigt und wäre so in Europa nicht möglich gewesen. Und schließlich – man kann es nicht oft genug sagen – war das wegfliegende Dach des Reaktorgebäudes nicht die Folge einer kernphysikalischen Explosion, sondern einer Verpuffung nach Ansammlung von Wasserstoff. Am Ende hat der Tsunami mehr deutsche als japanische Kernkraftwerke zerstört, weil politische Erwägungen zum Machterhalt den möglichst schnellen deutschen Atomausstieg opportun erscheinen ließen.
Um ein vernichtendes Urteil zur Energiewende zu fällen, braucht man kein Windkraftgegner, Kohlefreund oder „Rechter“ zu sein. Es reicht, den betreffenden Bericht des Bundesrechnungshofes zu lesen, der insbesondere ein trübes Bild der künftigen Versorgungssicherheit zeichnet. Haferburg liefert auch den Blick von außen und die Erklärung zu den Phasenschiebertransformatoren an den Grenzen, den elektrischen Stacheldraht, den unsere Nachbarn gegen die deutsche Strominvasion gezogen haben, die ihre Netze zum Schwanken bringt und auch negative Strompreise durch deutsche Dumpingenergie.
Das alles führt zum Fazit, dass die deutsche Energiewende ein politischer GAU ist, ein Experiment, vor allem eines an Menschen. Haferburg entzaubert die Argumente der Energiewende-Jubler in den Redaktionsstuben, er beklagt fehlende Bildung und benennt Tölpel und Einfaltspinsel als solche.
Man kann es vielleicht zu pessimistisch finden, denn die verführte Jugend von heute klebt überwiegend nicht auf der Straße, sondern scheint sich traditioneller Werte zu besinnen, wie die Wahlergebnisse im Osten und die Shell-Jugendstudie zeigen. Dennoch wird die eine oder andere grimmige Formulierung fachlich kundigen Lesern gut gefallen und Zustimmung finden, die Energiewendebegeisterten werden das Buch ohnehin nicht zur Hand nehmen. In jedem Fall sind die Ausführungen nachvollziehbar, frei von allzu tiefen technischen Details und allgemein verständlich.
Der zweite Teil des Buches, verfasst von Klaus-Dieter Humpich, bringt zunächst Grundsätzliches zur Energienutzung. Er erläutert, warum bisher die Kohle der König war. Obwohl auch früher schon der Wind keine Rechnung schickte, verdrängten Dampfschiffe die Segler, obwohl die Kohle bezahlt werden musste. Er weist dem Wärmesektor als dem größten Energienachfrager die Bedeutung zu, die er verdient, er beleuchtet die Alternativen und befreit die Geothermie von unbegründeten Sympathien. Und natürlich gibt auch er ausführliche Informationen zur Kernkraftnutzung, auch für die Fernwärme, inklusive der Brennstoffgewinnung und Wiederaufbereitung.
Verschiedenen Strahlungsarten und deren Wirkungen werden erklärt, dies steht einer oft medial irrational verbreiteten Angst entgegen. Der neueste Stand der kernenergetischen Entwicklung (mit Ausnahme der Fusion) ist beschrieben, ebenso wie die Reaktorbauarten bis hin zu künftigen Mikroreaktoren.
Ein ausführliches Nachwort von Professor Elsfeld zieht den Rahmen weiter bis hin zu energiephilosophischen Betrachtungen und der Forderung nach freier Wissenschaft.
Fazit: Ein gelungenes Buch, viele Zusammenhänge sind stringent und nachvollziehbar dargestellt. Wer einen Überblick über das Stadium unserer Energiepolitik haben will und dazu aktuelle Informationen zum Stand der internationalen kerntechnischen Entwicklung, ist hier bestens bedient. Kernenergie ist Zukunfts- und damit Freiheitsenergie. Wer zudem schon heute wissen will, warum die deutschnationale „Energiewende“ scheitern wird, sollte es lesen.
Manfred Haferburg / Klaus-Dieter Humpich, Atomenergie – jetzt aber richtig. Mit einem Nachwort von Michael Esfeld. AchGut Edition, Neuausgabe, Paperback, 240 Seiten, 24,00 €
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Der völlig überstürzte und irrationale Ausstieg aus der Kernenergie war das Werk der unseligen Angela Merkel.
Wir dürfen ihr das nie vergessen und verzeihen.
Genauso wenig, wie ihre irrsinnige Migrationspolitik und die Zerstörung der Bundeswehr incl. der Abschaffung der Wehrpflicht.
Warum überhaupt müssen „wir“ eine befohlene „Energiewende“ erdulden? „Klima“ kann es nicht sein. Das ist alles eine Lüge. Wir müssen es, weil die Profiteure der CO2-Steuern sich die Staatsapparate zur Beute gemacht haben. Erst durch die Staatsapparate mit ihrem Gewaltmonopol können die Profiteure den Menschen die CO2-Steuer abpressen. Sonst würde niemand sein Geld für diesen Quatsch geben; wie GEZ.
Als damals die alten Fotoapparate durch elektronische Kameras verdrängt wurden, waren dafür kein staatlicher Zwang, Strafverfolgung, Erziehungssteuern und suprastaatliche Gerichte notwendig. Und für die Menschen bedeuteten die neuen elektronischen Kameras günstigere, bessere Fotos für jedermann.
Die Vorfrage, hier in einem Satz in Text bitte enthalten, betrifft den unabdingbaren Machtwechsel, denn“ unter den herrschenden politischen Verhaeltnisse ist ein Kurswechsel nicht moeglich“. Korrekt. Das entscheidende Problem ist nun der Elefant, der grossraeumig und typisch deutsch umrundet wird, um sich dann mit lobenswertem und sachkundigen Eifer dem Thema hier der Wende von der Wende, zu widmen. Wie waere es zur Abwechslung mal mit der Logik. Was hier nicht nur in Drachen Energie zu tun ist, ist bekannt. Selbst Liberalkonservative trauen sich, das zu schreiben. Die meisten jedenfalls. Nun suchen wir nur noch diejenigen, die es, die Korrektur, umsetzen.… Mehr
Der vor knapp 30 Jahren verblichene Emil Cioran mag vergessen sein, doch angesichts seiner Erkenntnis, daß
…die Verheißungen der Utopie gleichermaßen alles bewundernswert und falsch erscheinen lassen, während an den Feststellungen der Reaktionäre alles verabscheuenswert und alles wahr erscheinen lassen.
… dürfte er in der Ewigkeit mindestens mit Oscar Wilde glücksspielen
Daher sollten die Humanisten den Kampf FÜR rechts aufnehmen, denn die „Die Wirklichkeit ist immer rechts“ – Joachim Fest