Die aktuelle Energiekrise ist nicht durch zur Neige gehende Reserven von Kohle, Öl und Gas bedingt, sondern durch politisches Handeln. Ein Land auf dem Niveau eines Schwellenlandes – und darauf steuern wir zu – wird keinen Beitrag zur Weiterentwicklung der Energietechnologie erbringen können.
Im Wahlkampf des Jahres 2021 erklärte Bundeskanzler Scholz sein Ziel für Deutschland auf dem Tag der Industrie: »Mein Ziel ist ein Industriestrompreis von vier Cent«. Damit würde Deutschland schlagartig zu einem der günstigsten Standorte in Europa werden. Ein Jahr später hatte sich der Strompreis verzehnfacht, die Gaspreise verfünfzehnfacht.
Aluminium- und Stahlwerke stehen still, Düngemittelfabriken schließen, 10% der mittelständischen Industrie stehen vor dem Aus. Wirtschaftsminister Habeck meinte lange Zeit, dass es sich um eine Gaskrise und keine Stromkrise handelte, weil er glaubte, sich auf diese Weise dem ständig wachsenden Druck zur Verlängerung der Laufzeit der letzten drei Kernkraftwerke entgegenstemmen zu können. Kernkraftwerke würden ja nur 2% des Erdgases ersetzen können, war seine Argumentation
Was aber übersehen wurde, war die Tatsache, dass Gaspreise den Strompreis prägen, wie man an folgender Abbildung sehen kann. In der Merit-Order, der Einsatzreihenfolge von Kraftwerken, werden die Kraftwerke nach ihren Erzeugungskosten in ansteigender Form sortiert. Bei steigendem Bedarf werden immer teurere Kraftwerke hinzugeschaltet. Die teuersten sind die Öl- und Gaskraftwerke. Und wie an der Börse üblich, bestimmt das teuerste Kraftwerk den Preis für Strom. Alle Kraftwerke, die günstiger sind, streichen die Differenz zum Börsenpreis als Gewinn ein. Wie man sehen kann, ist der Einfluss gesicherter Grundlast durch Kernkraft und Braunkohle in einem Strommarkt mit extrem hohen Gasstrompreisen von fundamentaler Bedeutung für die Bekämpfung des Preisanstiegs.
In dem in dieser Abbildung gewählten Modell verringern sich die Stromkosten in dem angenommenen Beispiel um mehr als die Hälfte, wenn preiswerte Kernkraft und Braunkohlekraftwerke weiterbetrieben werden. Wir müssen die Kosten für Strom in Deutschland in die Nähe der von Kanzler Scholz propagierten 40€/MWh senken, um den Kern des Industriestandortes zu erhalten.
Aber manchmal gewinnt man den Eindruck, dass sich die Politik mit der Erosion des Industriestandortes Deutschland schon abgefunden hat. Auf der Höhe der Gaspreiskrise alarmierte der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie BDI die Öffentlichkeit mit der Feststellung, dass durch die Industrie 21% weniger Erdgas verwandt worden sei, allerdings ein großer Teil nicht durch Einsparung, sondern durch Stilllegung und Produktionsdrosselung. Auf diesen Umstand angesprochen, antwortete Minister Habeck am 31. August 2022 auf der Regierungspressekonferenz in Meseberg: »Die Situation, dass wir günstiges Gas aus Russland bekommen, wird nicht wiederkehren. Das ist keine gute Nachricht, weil sie bedeutet, dass ein Strukturbruch passieren kann.« Es brauche neue Geschäftsmodelle in Deutschland, aber man hätte ja beschlossen, das Kurzarbeitergeld zu verlängern.
Eigentlich hätte man nun erwartet, dass ein Aufschrei von den Industriegewerkschaften erfolgen würde. Aber es passierte nichts dergleichen. Die Diskussion in Deutschland drehte sich verständlicherweise um die Entlastung der privaten Haushalte mit explodierenden Strom- und Gasrechnungen. Die Bedrohung der deutschen Industriearbeitsplätze stand zunächst nicht im Mittelpunkt.
Die Subvention soll erst ab März/April 2023 in Kraft treten. Sie wäre auch vertretbar, wenn es eine einmalige befristete Brücke hin zu einer Energieversorgung mit einem höheren Angebot an Gas und Strom wäre. Da eine preissenkende Ausweitung des Angebotes aber nicht in Sicht ist, wird die Dauersubvention mit einer höheren Verschuldung des Staates unausweichlich sein.
Es hätte einiges an politischem Mut bedurft, eine Energiepolitik einzuläuten, die die globale Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie erhält. Frankreich hatte schon seit Jahren einen anderen Weg beschritten. Dort ist den Industrieunternehmen der direkte Zugang zum preiswerten Kernenergiestrom erlaubt. Für rund 45€/ MWh können Industrieunternehmen insgesamt 120 Terawattstunden, 25% der französischen Erzeugung beziehen, vornehmlich aus Kernkraftwerken. Die EU-Kommission hatte eine solche Vorgehensweise schon 2010 abgesegnet.
Eine grundlegende Korrektur des Strompreisniveaus in Deutschland hätte bedeutet, dass man die Industrie aus relativ preiswertem Strom von neuen Offshore-Windkraftwerken (80€/MWh) sowie preiswertem Kernenergie- (30€/MWh) und Braunkohlestrom mit CO2-Abscheidung (50€/MWh) versorgt hätte. In der Mischung käme ein Strompreis von 50€/MWh zustande. Die Offshore-Windfelder müssten zwar noch gebaut werden, für sechs Kernkraftwerke müssten die bereits stillgelegten drei und bei der Braunkohle alle stillgelegten und stillzulegenden Kraftwerke wieder reaktiviert werden und mit CO2-Abscheidung ausgestattet werden. Island und Norwegen bieten an, das anfallende CO2 sicher in tiefem Gestein einzulagern.
Das erfreuliche an einem solchen Mix wäre, dass es nicht nur der Industrie und ihren Arbeitsplätzen helfen würde, sondern sich auch über den Merit-Order-Effekt die Erzeugungskosten für den Haushaltsstrom mehr als halbieren ließen. Bei der Offshore-Gesetzgebung hat man sogar für eine solche Vorgehensweise die Tür geöffnet. Im »Windenergie-auf-See-Gesetz« sind in §96a die Möglichkeiten geschaffen worden, dass der Strom aus Offshore-Windstromfeldern direkt an Industriekunden abgegeben werden kann. Es bedarf nur einer entsprechenden Verordnung des Bundes.
Es waren die sozialliberalen Koalitionen unter Willy Brandt und Helmut Schmidt, die dafür gesorgt hatten, dass die deutschen Kraftwerke von KWU/Siemens die höchsten Lastgradienten aufweisen. Nach der Ölkrise beschloss die sozialliberale Koalition nämlich die Errichtung von 50 (!) Kernkraftwerken. Jedem war klar, dass sie den Tages- und Nachtschwankungen zu folgen haben. Und so beauftragte das Forschungsministerium eine Generation von Kernkraftwerken (Konvoi), die diese hohe Regelbarkeit aufwiesen. Ein Kernkraftwerk kann seitdem schneller von 100 auf 20% herunter- oder heraufgefahren werden als ein Gaskraftwerk.
Mit diesen drei Säulen, Offshore-Wind, Braunkohle und Kernenergie, würde man die Deindustrialisierung stoppen und dem Ziel des damaligen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz von 40Euro pro MWh sehr nahekommen. Der Strompreis in 2022 belief sich bis auf 600€/MWh. Der Strompreis in den USA und in China liegt etwa bei 30 bis 40 €/MWh.
Natürlich werden Solarenergie, insbesondere zur Eigenversorgung von Haushalten, Steinkohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung und Windkraftwerke an Land einen Beitrag zur Stromversorgung leisten können. Doch ohne die drei oben genannten Säulen wird Deutschland einen bisher nie gekannten Wohlstandsverlust erleiden.
Um die im Buch enthaltenen Fußnoten bereinigter Auszug aus:
Fritz Vahrenholt, Die große Energiekrise. Und wie wir sie lösen können. LMV, Klappenbroschur, 208 Seiten, 22,00 €.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
So lange auch Personen wie der Autor das Narrativ vom „Klimaschutz“ (ein absoluter Nonsensbegriff) weiterhin stützt, wird sich natürlich überhaupt nichts ändern. Abgesehen davon das es darum eh nicht geht, sondern das politische Ziel auch kein „Schwellenland“ ist, sondern der feudaltotalitäre Elendsstaat. Ich nehme noch Wetten darauf an, wann der Lebensstandard hier unter den von Nordkorea gefallen ist. Mit den politischen Rechten wird das eh deutlich schneller gehen. Aber Freiheit und Eigenverantwortung ist für die gemeine Kartoffel eh die schlimmst mögliche Bedrohung überhaupt. P.S.; Auch „Offshore-Windanlagen“ stellen im globalen Energiebilanzkreis (und das ist das einzige was interessiert) einen Verbraucher dar.… Mehr
Dankesehr. Ich stimme Ihren Aussagen gerne zu – weil sie richtig und schlüssig sind.
Ich wäre wirklich gespannt, wie viele Stimmen eine Klima-Aktivisten Partei einsammeln koennte. Denn so eine Partei wäre komplett eindimensional aufgestellt, keine Sozialpolitik, keine Wirtschaftspolitik, gähnende Leere. Da gäbe es nur Klimaapokalypse rauf und runter.Selbst konkrete Klimaschutzmassnahmen würde so eine Partei nicht auf die Reihe bekommen. Daher würde ich die Gründung so einer Partei befürworten. Der Kaiser ist nackt, und alle sehen es.
Ist die Industrie weg sind auch die „Haushalte“ weg. In jeder Hinsicht. Aber es wird ja wärmer, dann müssen wir kaum noch heizen und kühlen müssen wir noch lange nicht. Und der Wind weht wo er will. Amen.
Danke Ihnen! Und morgen, liebe Kinder, erzähle ich euch ein anderes Märchen … ;->
Immer wieder interessant zu lesen was wäre wenn! Alles richtig. Nur ist längst, nicht nur seitens der Regierung und ihrer weitreichenden Unterstützer, ein ganz anderer, unumkehrbarer, Kurs vorgegeben. Liest man die Zeitungen kommt hinzu, ich wiederhole mich, die Wirtschaft unterstützt den Kurs der Regierung vollinhaltlich, ist sogar Vorreiter derselben. Dabei lobpreist sie die Klimaziele um im selben Atemzug Subventionen zu fordern oder die Produktion nach China und in die USA zu verlagern. Für mich Heuchler und Opportunisten, nicht besser als Habeck und Co..
Lassen Sie uns bitte bei dem Begriff „die Wirtschaft“ genau differenzieren:
Großindustrielle Unternehmen haben wahrlich ganz, ganz andere Interessen als die mittelständische Industrie und als der Handel und das Handwerk.
Was mich kaputt ärgert ist u. a., dass Vereine wie IHKs, HwKs u.ä. den Mund nicht aufbekommen und nicht wirksam protestieren. Die Gewerkschaften sind genauso feige und kusch – leider!
Welch ein Elend …