Das Milliardengeschäft mit der Leihmutterschaft

In Deutschland ist sie zwar verboten, diese Woche wurde sie gar in die EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels aufgenommen, global ist sie dennoch ein florierendes Milliardengeschäft, für das auch in Deutschland ungestört geworben wird: Leihmutterschaft. Birgit Kelles umfassende Recherche geht unter die Haut und uns alle an. Ein Gespräch mit der Autorin.

Frau Kelle, in Deutschland sind sowohl die Leihmutterschaft als auch Ihre Vermittlung verboten. Für Ihr Buch haben Sie Kinderwunsch-Messen in Deutschland besucht, auf denen Agenturen aus dem Ausland trotzdem Leihmutterschaften vermitteln. Wie kann das sein?

Es ist für deutsche Staatsbürger sehr leicht, sich durch Leihmutterschaft ein Kind zu beschaffen, denn die Rechtsprechung ist nicht ganz eindeutig. So ist es für Deutsche nicht verboten, die Dienstleistung Leihmutterschaft im Ausland in Anspruch zu nehmen, dort die entsprechenden Papiere zu erhalten und das Kind anschließend völlig legal nach Deutschland zu bringen. Noch skurriler ist es, dass es zwar Deutschen verboten ist, auf deutschem Boden Leihmutterschaften zu vermitteln, Ausländern aber offensichtlich nicht. Deshalb finden sich auf den Kinderwunsch-Messen in Berlin und Köln viele ausländische Anbieter, vor allem aus den USA, aber auch aus der Ukraine, Georgien oder Zypern. Der Kunde kann dort gemütlich über die Messe schlendern und Verkaufsgespräche führen. Ich erhielt dort die nötigen Unterlagen und konnte mir quasi aus dem Katalog eine Leihmutter und eine Eizellspenderin aussuchen. Es ist alles nur eine Frage des Geldes. Für ein Kind aus den USA muss der Kunde mindestens 100.000 Euro hinblättern, für ein Kind aus Zypern wäre ich schon mit 53.000 dabei. Online gekauft ist es übrigens noch günstiger.

Also so eine juristische Grauzone?

Mir ist es ein Rätsel, warum es die deutschen Behörden nicht interessiert, dass in Deutschland strafbare Dienstleistungen von Ausländern auf deutschem Boden völlig legal angeboten werden. Aber offensichtlich wird das Gesetz so ausgelegt, dass nur Deutsche sich bei der Vermittlung von Leihmutterschaft strafbar machen. Ich bin relativ sicher, dass die Behörden sehr schnell auf dem Plan wären, wenn jemand etwa eine Steuerhinterziehungsmesse in Köln oder Berlin stattfinden ließe, auf der Schweizer Steuerberater deutsche Staatsbürger dabei beraten, wie sie am besten deutsche Steuergesetze umgehen können. Aber hier werden ja nur Kinder verkauft, da kann man wohl mal beide Augen zudrücken.

Vielleicht, weil niemand da ist, der klagt?

Die einzigen, die sich bislang daran stoßen, sind eben nur ein paar christliche Lebensschützer und wenige linke Feministinnen. Juristisch hat offensichtlich bisher niemand etwas dagegen unternommen. Es gibt bisher auch keine politische Partei, die das Thema aufgreift. Möglicherweise, weil diese Messen weitgehend unter dem Radar der Behörden stattfinden. Das sind ja keine riesigen Veranstaltungen, werden vor allem über die LGBT-Szene beworben und finden ohne großes mediales Aufsehen statt. An diesem Wochenende findet zum zweiten Mal in Berlin eine solche Messe speziell für schwule Männer statt, „Men Having Babies“ – Männer, die Kinder bekommen.

Gut möglich, dass die „Reproduktionskommission“ der Bundesregierung in Kürze die Einführung der „altruistischen“ Leihmutterschaft vorschlägt. Warum ist auch das für Sie keine Lösung?

Die „altruistische“ oder „nicht kommerzielle“ Leihmutterschaft beruht auf der Legende, es gehe nicht ums Geld. In Deutschland möchte vor allem die FDP auf diesem Weg eine Legalisierung der Leihmutterschaft erreichen. Nach dem Motto „Wo kein Geld fließt, findet ja auch kein Kauf und Verkauf eines Menschen statt“, versucht man die Tatsache zu umgehen, dass Leihmutterschaft Kinderhandel ist. Das ist ein Mogelpaket, aus mehreren Gründen: Zunächst sind die rührenden Geschichten, bei denen die Schwester das Kind einer wegen Krebs unfruchtbaren Frau austrägt, absolute Einzelfälle. Und faktisch hat auch die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft selbstverständlich immer noch sehr viel mit Geld zu tun. Erstens ist bei der angeblich altruistischen Variante die Einzige, die nichts verdient, die Leihmutter selbst, die gleichzeitig das gesamte körperliche und seelische Risiko trägt. Die Ärzte, Kliniken, Labore verdienen immer noch ein Heidengeld bei der Sache. Man könnte also sagen, dass die „altruistische“ Variante eine noch größere Ausbeutung der Frau darstellt als die kommerzielle.

Moderner Menschenhandel unserer Zeit
Kinder als Produkt, Frauen als Brutkasten
Zweitens zeigt zum Beispiel der Fall Großbritannien, dass bei der dort legalen „altruistischen“ Leihmutterschaft immer noch ordentlich Geld an die Leihmutter fließt – angeblich aber nicht als Honorar, sondern „lediglich“ als Aufwandsentschädigung für die Mühen der Schwangerschaft. Doch die kann bis zu 25.000 Pfund pro Schwangerschaft erreichen – ein durchschnittliches Jahresgehalt im Niedriglohnbereich. Die altruistische Leihmutterschaft ist außerdem das weiße Tischtuch, unter dem sich die kommerzielle Leihmutterschaft fröhlich entwickeln kann. Große Agenturen haben dann ihren Firmensitz in London, wo sie angeblich nur die altruistische Leihmutterschaft vermitteln, während sie für die kommerzielle ihre Kunden nach Georgien, in die Ukraine oder sonst wohin weiterreichen können, wo sie ebenfalls eine Niederlassung haben.

Dort ist die kommerzielle Version dann wahrscheinlich für den Kunden sogar günstiger?

Genau, man nennt das das sogenannte hybride Modell. Das bedeutet auch, dass die Leihmutter zum Beispiel Amerikanerin ist und das Kind am Ende in Amerika geboren wird und amerikanische Papiere bekommt. Aber Eizelle und Sperma werden zum Beispiel nach Zypern, Spanien oder Mexiko geflogen; dort muss dann auch die Leihmutter zur künstlichen Befruchtung hin. Die großen Firmen nutzen die unterschiedlichen Rechtsprechungen in den einzelnen Ländern auf diese Weise gezielt aus.

Von wie vielen durch Leihmutterschaft geborenen Kindern sprechen wir in Deutschland und weltweit?

Konkrete Zahlen gibt es nicht, denn dazu gibt es keine Statistiken. Es wäre auch quasi unmöglich, solche anzufertigen, da es zum verkauften Goldstandard gehört, dass die Bestelleltern auf der Geburtsurkunde als leibliche Eltern eingetragen werden. Es handelt sich um einen völlig unkontrollierten Markt, der nur im zivilrechtlichen Bereich zwischen Kunde und Dienstleister stattfindet. Der Staat ist da völlig außen vor.

Das öffnet auch Tür und Tor für die organisierte Kriminalität. Denn hier gibt es noch weniger Kontrolle als bei der internationalen Adoption. Ein Staat erfährt erst dann von der Existenz eines Kindes, wenn jemand Papiere für es haben möchte. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass der Leihmutterschaftshandel gerade in ärmeren Ländern auch mit Prostitution, Ausbeutung, und sogar illegalem Organhandel verquickt ist. Kinder können auf Babyfarmen in Afrika oder Kolumbien produziert werden als Kindersoldaten, Sexsklaven und Organspender. Wie soll der Staat das denn kontrollieren, wenn er von der Existenz dieser Kinder nichts weiß?

Was schließen Sie daraus für die Praxis der Leihmutterschaft an sich?

Erstens, man kann Leihmutterschaft nicht regulieren, man kann sie nur komplett verbieten. In Deutschland argumentiert man ja gerne, man müsse Leihmutterschaft in Deutschland sauber regeln, sodass niemand dafür mehr ins Ausland muss, wo arme Frauen ausgebeutet werden. Aber damit lügt man sich in die Tasche. Denn der Markt ist schon längst global. Aktuell ist Leihmutterschaft in Deutschland verboten und sie findet trotzdem statt. Was genau soll eine Legalisierung denn dann eigentlich verbessern? Das ist absurd.

Zweitens, wir stellen jetzt für die Wissenschaft Weichen auf einem Weg, wo der Mensch wirklich zu einem Produkt wird. Wir arbeiten in Frankensteins Labor an dem Versuch, den Menschen künstlich zu erschaffen, unabhängig von einem Vater und einer Mutter und gar einem menschlichen Körper. Man hat bereits Mäuse erfolgreich in einem künstlichen Uterus gezüchtet. Und auch die Leihmutterschaft ist nur noch einen Schritt vom künstlichen Uterus entfernt.

Und drittens unterschätzen wir die psychologischen Folgen der Leihmutterschaft auf viele Menschen. Es betrifft ja nicht nur die Leihmütter und gekauften Kinder, sondern auch deren Familien. Was macht es zum Beispiel mit den übrigen Kindern der Leihmutter, die zusehen müssen, wie Mama ihr Geschwisterchen austrägt und dann weggibt? Was fühlt ein Leihmutterkind, das weiß, dass seine Mutter es weggegeben hat, aber ihre anderen Kinder behalten hat?

Was sagt es über eine Gesellschaft aus, die die psychologischen Folgen für Kinder so wenig im Blick hat?

Es handelt sich um nichts weniger als einen Zivilisationsbruch, denn wir reden plötzlich wieder Menschenhandel salonfähig, und zwar im Namen der Toleranz. Das ist geradezu schizophren, denn gleichzeitig sind wir eine Gesellschaft, die ständig über Kinderrechte redet und diese sogar in die Verfassung bringen will. Was aber ein Kinderrecht ist oder nicht, darüber entscheiden Erwachsene, oft aus sehr egoistischen Gründen. Als Gesellschaft treffen wir eine grundsätzliche Entscheidung, wenn wir sagen, ein Kind hat kein Recht mehr darauf, bei seinen biologischen Eltern groß zu werden. Abstammung wird dann nicht mehr biologisch begründet, sondern ist nur noch eine Frage von Verträgen und Kaufsummen. Kann man diese Verträge übrigens auch wieder lösen?

Wir reden uns nicht nur den Kinderhandel schön, sondern erlegen dem Kind auch auf, dass es unter der Situation gefälligst nicht zu leiden habe. Es soll glücklich sein, perfekt und keine blöden Fragen zu seiner Herkunft stellen, schließlich war es teuer. Die Leihmutterschaft ist ein Menschenexperiment am lebenden Objekt, ohne jegliche statistische und wissenschaftliche Begleitung. Dabei kann man doch jetzt schon analog zu adoptierten und Samenspender-Kindern sagen, was eine Leihmutterschaft für das betroffene Kind bedeutet. Die Ergebnisse werden uns vielleicht erst in 20, 30 Jahren auf die Füße fallen.

Dieses Interview von Franziska Harter mit Birgit Kelle erschien zuerst bei Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autorin und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.

Birgit Kelle, Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft. FBV, Paperback, 256 Seiten, 18,00 €.


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Kommentare ( 11 )

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11 Comments
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Nibelung
7 Monate her

Kriegen die selbst nichts mahr auf die Reihe oder wird die falsche Seite bedient, die nun doch feststellen muß, daß nichts gegen die Natur funkioniert und man sich einen fehlenden Ersatz einkauft, wobei das Produkt nicht unbedingt zu beneiden ist, wenn es von anfang an falsch programmiert wird, was dann zu seelischen Krüppeln werden kann, wenn die Zeit reift und auch andere Gefühle sich entwickeln können um den bedaurernswerten Tropf dann allein zu lassen.

Innere Unruhe
7 Monate her

„Es ist für deutsche Staatsbürger sehr leicht, sich durch Leihmutterschaft ein Kind zu beschaffen, denn die Rechtsprechung ist nicht ganz eindeutig.“ – das ist zunehmend das Alleinstellungsmerkmal des deutschen Rechts. Es gibt zwar Gesetze, aber klar sind sie nicht… „Als Gesellschaft treffen wir eine grundsätzliche Entscheidung, wenn wir sagen, ein Kind hat kein Recht mehr darauf, bei seinen biologischen Eltern groß zu werden. Abstammung wird dann nicht mehr biologisch begründet, sondern ist nur noch eine Frage von Verträgen und Kaufsummen. Kann man diese Verträge übrigens auch wieder lösen?“ Richtig. Was ist, wenn das Kind krank ist? Wenn den Zieleltern etwas… Mehr

Grumpler
7 Monate her

Milliardengeschäft wird noch das kleinste Problem sein. Die Zukunft könnte noch viel düsterer werden: Zwangsterilisationen und -abtreibungen für die einen (in Anlehnung an den Artikel über Gewalt gegenüber weiblichen Indigenen in Kanada und Dänemark (Grönland)), (Zwangs-)Leihmutterschaft bzw. Mechanische Brüter/Künstliche Gebärmütter für die anderen — als Folge des Versagens unseres Werte-, Rechts- und politischen Systems, das die realen Folgen einer ideologischen Politik in einer realen Welt zu lange ignoriert hat und weiter ignoriert (siehe die Kalifat-Demos in Hamburg!). 🙁

Tina M.
7 Monate her

Man muss sich doch nur mal anschauen,welche erschreckende Ausmasse das z.B. in Hollywood nimmt:
Kim Kardeshian,Paris Hilton,Naomi Campbell,Cameron Diaz,Rebel Wilson,Jimmy Fallon,Lucy Liu,Sarah Jessica Parker,Jimmy Fallon,Kloe Kardashian,Amber Heard und und und
Wieviele der 10 ? Kinder von Elon Musk,wurde von Leihmüttern geboren?Alle?

fatherted
7 Monate her

Ich sehe das anders….Leihmutterschaft mag ein Geschäft für viele Leihmütter sein (evtl. auch für die Leihmutter-„Firmen“)….letztlich geht es aber um das Wohl des Kindes….und wenn ein Kind durch eine Frau ausgetragen wird und anschließend ein liebevolles zu Hause bei seinen (meist sogar biologischen Eltern…Eizell/Samenspende) findet….dann habe ich daran moralisch nichts auszusetzen. Wenn ich mir anschaue, wie viele Kinder auch hier in Deutschland von den eigenen Eltern behandelt und „erzogen“ werden….dann ist mir jedes Kind, dass in eine liebevolle Umgebung der Eltern die eine Leihmutter beauftragen, übergeben wird….sehr willkommen. Es würden auch sicher viele ein Kind adoptieren….die Hürden sind aber so… Mehr

Philokteta
7 Monate her
Antworten an  fatherted

Ich denke, Sie haben das Thema verfehlt. Es geht bei diesen Leihmutterschaften eben nicht um das Wohl des Kindes.

Thorsten
7 Monate her

Da bei Leihmutterschaften öfters Probleme auftreten können, soll auch das Abtreibung „modernisiert“ werden. Diesen Zusammenhang sollte man erkennen.

mediainfo
7 Monate her

Ich bekomme jedes Mal einen Brechreiz, wenn in den Medien mal wieder davon die Rede ist dass die Schauspielerin X oder Influencerin Y „ein Kind bekommen“ hat oder „Mutter geworden“ ist , wobei das Kind in der Welt der Reichen immer häufiger von einer „Leihmutter“ ausgetragen wurde. So als sei das eine besonders moderne und progressive Art des „Kinderkriegens“.

Dabei ist es eine abstoßende Ausprägung des Kapitalismus: Man kauft sich den Körper des anderen Menschen, der gegen Bezahlung die Risiken und Lasten tragen soll, die mit einer Schwangerschaft verbunden sind.

Last edited 7 Monate her by mediainfo
Innere Unruhe
7 Monate her
Antworten an  mediainfo

Früher gab es die Ammen und Gouvernanten. Die Reichen haben die Erziehung auch outgesourced.
Den Armen erzählt man, Muttermilch würde die Figur der Mutter ruinieren, also ist das Fläschchen besser…
Am besten nimmt man den Nachwuchs zur Seite und erzählt ihm, was im Leben zählt – es ist nicht viel, die meisten Menschen bringen alle Voraussetzungen mit, gesunde Kids zu bekommen.

Paul Brusselmans
7 Monate her

Ein sehr grosses Thema in Frankreich. Angesichts der „Geburt“ von Zwillingen für ein gleichgeschlechtliches Paar stellte Marion Marechal von Reconauete nur die Frage „Wo ist die Mutter?“ – Dies wird gleich als homophob ausgelegt.
https://www.lefigaro.fr/politique/ou-est-la-maman-apres-ses-propos-sur-la-gpa-marion-marechal-prise-a-partie-par-des-membres-de-la-majorite-20240424

Philokteta
7 Monate her

Es schrieb einmal jemand zu all diesem:
„Die Hybris des Menschen in Schicksalsfragen und sein selbstherrliches Eingreifen in Geburt und Sterben nimmt immer unerträglichere Formen an.“

So schlimm das für manche Paare auch sein kann, wenn sich ihr Kinderwunsch nicht erfüllt (sich nicht erfüllen kann), bin ich dennoch der Meinung, daß das dann eben so ist und sie sich dann damit abfinden müssen.

Alles andere finde ich egoistisch und lehne es ab.