Mit lustvoll spitzer Feder haben Henryk M. Broder und Reinhard Mohr bitterböse, gleichwohl höchstrealistische Befunde eines dekonstruierten, demotivierten, deindustrialisierten Deutschlands geliefert. Ein grimmiges Lesevergnügen!
Dieses Buch ist ein Volltreffer. Hier haben sich auch zwei Richtige getroffen. Man kennt sie, selbst wenn man sie in „woken“ Kreisen ignorieren möchte: Henryk M. Broder und Reinhard Mohr. Vor allem kennt man die beiden aus ihrem früheren und aus ihrem aktuellen publizistischen Wirken, unter anderem bei SPIEGEL, STERN, FAZ, WELT und aus der „Achse des Guten“ sowie aus zahlreichen Büchern. Nun haben sie sich das irre Germanistan im Zustand nach knapp zwei Jahren Ampel vorgenommen.
Bereits die Überschriften der drei Hauptkapitel lassen Vorfreude aufkommen: „Schöne Illusionen oder die Realitätsblindheit der Bullerbü-Republik“ – „Moralismus als neue Gratis-Tugend – die gute Absicht zählt“ – „Die deutsche Apokalypseverliebtheit oder Untergang ist immer.“ In diesen drei Kapiteln samt Epilog sind 62 „Notizen“ verpackt, die zu ehrlich-knalligen Diagnosen und wunderbar bissigen Glossen wurden. Beispiele:
- „Vielfalt – das neue Mantra einer Ersatzreligion“
- „Unfassbar: Die Militarisierung der Bundeswehr schreitet immer weiter voran!“
- „Deutschland spielt Fußball so, wie es regiert wird“
- „Spargel – Gemüse der sozialen Ungerechtigkeit“
62-mal haben Broder und Mohr mit lustvoll spitzer Feder bitterböse, gleichwohl höchstrealistische Befunde eines dekonstruierten, demotivierten, deindustrialisierten Deutschlands in Zeiten einer seit Dezember 2021 irrlichternden „Ampel“-Politik geliefert. Wahrscheinlich haben die beiden Autoren an die alte lateinische Sentenz gedacht: DIFFICILE EST SATIRAM NON SCRIBERE (frei übersetzt: Wenn man sich Ampel-Deutschland anschaut, ist es unmöglich, keine Satire zu schreiben.)
Wir wollen dem Lesevergnügen und manch bitterer Erkenntnis nicht vorgreifen und begnügen uns mit zwei Würdigungen des Werks. Erstens: Das Buch glänzt gleichermaßen mit Klartext und mit sprachlicher Kreativität. Volltreffer über Volltreffer:
- Über die 16 Merkel-Jahre: „Das Motto hieß: ‚Wir schaffen das.‘ Der Rest wurde mit Geld ruhiggestellt oder, mit medialer Unterstützung, als ‚rechtspopulistisch‘ abgestempelt.“
- Über die „Phrasen-Republik“: „… betreutes Wegschauen in Tateinheit mit betreutem Denken“; „apokalypseversessene Wohlstandsverwahrlosung …“
- „Die zarte Note narzisstischer Wohlfühldekadenz ist unüberhörbar…“
- Über Loriot’sche Politikersprechblasen: „So jagt eine Phrase die andere und bestätigt dabei die alte Einsicht, dass die Basis die Grundlage des Fundaments ist.“
- „Ein neues, furchterregendes Spießertum hat sich ausgerechnet dort entwickelt, wo der kritische Geist zu Hause sein solle: im akademischen Milieu.“
- „Spötter sprechen unterdessen schon vom Ampel-Fußball, wenn sie die deutschen Kicker auf dem Platz herumirren sehen.“ (Weil das Buch noch vor der Frauen-Fußball-WM vom Juli/August 2023 geschrieben wurde, fehlen die Kickerinnen.)
- Über die „Letzte Generation“: „Das ist deutscher Größenwahn in klimatöser Vollendung.“
Vor allem das „Staatsoberhaupt“ hat es den beiden Autoren angetan. Über Steinmeier lesen wir sechs Seiten lang unter anderem: „Klar, dass man von Steinmeier nichts erwarten kann, aber mit allem rechnen muss.“ Steinmeier sei „eine Bestätigung des von Lawrence J. Peter geprägten Peter-Prinzips: In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zur Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“
Mehr wollen wir nicht verraten. Es lohnt sich sehr, das Buch zu lesen, auch wenn es kein in sich rundes Gesamtwerk sein will und man gerne auch etwas über die FDP, die AfD und die Merz-CDU gefunden hätte. Jedes der mehr als sechzig Einzelkapitel, mal zwei, mal sechs Seiten lang, ist gleichwohl eine messerscharf-chirurgische Diagnose des Deutschlands unserer Tage.
Henryk M. Broder / Reinhard Mohr, Durchs irre Germanistan. Notizen aus der Ampel-Republik. Europa Verlag, Klappenbroschur, 224 Seiten, 20,00 €
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Ach ja: Frank-Walter, unser Phrasenpräsident.. -Um mal Hendrik Wieduwilt zu zitieren: „Steinmeier hat das Charisma einer Scheibe Graubrot, die jemand in der Spüle liegengelassen hat .. Als Trostredner in der Palliativstation würde man ihn ohne Honorar vor die Tür setzen und am gleichen Tag die Schlösser austauschen.“
Also das mit dem Peter-Prinzip und Steinmeier halte ich für ein Gerücht. Das besagt ja, dass Angestellte die gut in ihrem Job sind, solange befördert werden, bis sie nicht mehr gut in ihrem neuen Job sind und dann dort bleiben. Wäre mir neu, dass Steinmeier jemals gut in einem seiner vorherigen Jobs gewesen ist. Murphys Law scheint mir da viel passender…