Auch die Sprache war einmal Gabe und Erbe. Jetzt, in einer Welt in der nicht alles funktioniert aber Funktionieren alles ist, ist sie ein Mittel der Kommunikation und Information. Die Idee, man könne die Sprache lieben, d.h. bewahren, pflegen, ehren, ihr dienen, sie anhören, ist völlig sinnlos geworden.
Die Philosophie war für mich lange Zeit ein ferner und weitläufiger Palast, der in jedem seiner Säle ein großartiges System beherbergte. Ich besichtigte diesen Palast unter der Leitung qualifizierter Führer, bescheiden und neugierig, aber ohne besondere Gefühlsregungen. Wie ein Tourist bewunderte ich mit offenem Mund die prächtigen Gedankengebäude, die sich vor meinen Augen auftaten. Und ich war weder Platoniker noch Spinozaner noch Leibnizianer noch Kantianer noch Hegelianer; ich blieb hoffnungslos draußen.
Ich fing erst an, mich einbezogen zu fühlen, als ich bei Sartre und dann noch mehr bei Levinas auf Wörter stieß, »die das bezeichneten, worum die Menschen sich immer gekümmert hatten, ohne zu wagen, es sich in einem spekulativen Diskurs vorzustellen«, und diese Wörter »nahmen den Rang von Kategorien an«, so z. B. »mauvaise foi«, Angst, Scham, Liebkosung, Antlitz …
Und dann kam der Heidegger-Schock. Ich besichtigte keinen fernen Palast mehr, als ich Heidegger las. Ich wurde erfasst, einbezogen, beteiligt. Nachdem jede Distanz aufgehoben war, entdeckte ich, dass der Nichtphilosoph, einschließlich meiner selbst, ein Monsieur Jourdain der Philosophie ist, ein Bürger als Edelmann. Die Metaphysik, lehrte mich Heidegger, finden wir nicht jenseits des gewöhnlichen Denkens, sondern sie ist seine Grundlage. Sie hat ihren Platz im konkreten Leben eines jeden Menschen. Sie spinnt die Fäden unserer Existenz. Sie bestimmt unsere gewöhnlichen Einstellungen und unser gewöhnliches Agieren, Reagieren und Nachdenken.
Die moderne Technik geht die Natur im Modus der Herausforderung an, nicht der Anpassung. »Der Schreiner« dagegen »bringt sich […] zu den verschiedenen Arten des Holzes und den darin schlafenden Gestalten in die Entsprechung, zum Holz, wo es mit der verborgenen Fülle seines Wesens in das Wohnen des Menschen hereinragt.«
Die Technik passt sich nicht mehr den Formen und Erscheinungen der Realität an, sie »stellt« sie vielmehr, als berechenbare und auszubeutende Objektivität. Was man mit einer Mischung aus Bewunderung und Beängstigung die Natur nannte, wird unter der Ägide der modernen Technik zur bloßen Lagerstätte von Bodenschätzen und Energie. Was bedeutet Boden für die Metaphysik, die uns beherrscht? Ein Erzlager. Was ein Fluss? Lieferant für Wasserdruck: »Das Wasserkraftwerk ist nicht in den Rheinstrom gebaut wie die alte Holzbrücke, die seit Jahrhunderten Ufer mit Ufer verbindet. Vielmehr ist der Strom in das Kraftwerk verbaut.«
Dieses allgemeine Herausfordern verdichtet Heidegger mit feinem Gespür für philosophische Dramaturgie zu einem einzigen Wort, dem Gestell. So fasst er alle Aktionen zusammen, die mit Verben desselben Stamms bezeichnet werden: stellen, bestellen, herstellen, darstellen, vorstellen, aufstellen. Mit dem Gestell wird das Reale zum Halten gebracht wie ein Schiff, das man auf hoher See aufbringt. Es muss sich rechtfertigen, Rechenschaft ablegen und ist letztlich gefordert, dem Ziel globaler Rationalisierung zu dienen.
Doch nicht, was an ihr am ehesten sichtbar ist, macht die Technik aus: das Räderwerk, die Kolben, Motoren und Maschinen. Sie betrifft nicht nur den Bereich der Produktion. Heidegger geht sogar so weit zu sagen, dass »die Technik im weitesten selbst nichts ›Technisches‹ ist, sondern ›Geist‹ und das heißt, eine Art, wie das Seiende im Ganzen offenbar wird und als Offenbares waltet.«
Mit anderen Worten, nichts entgeht der Herrschaft des Gestells. Nichts, nicht einmal die Sprache. Sie wird von vornherein und vorbehaltslos im Horizont der instrumentellen Vernunft gesehen. Man versteht sie nicht mehr als Kultur, sondern als Dienstleistung. Sie war einmal eine Gabe und ein Erbe. Jetzt, in einer Welt, in der nicht alles funktioniert, aber Funktionieren alles ist, ist sie ein Mittel der Kommunikation und Information. Sie war eine Tradition; jetzt ist sie zum Medium des Austauschs geworden. Der Geist der Technik hat den Genius der Sprache vertrieben und seinen Platz eingenommen. Die Idee, man könne die Sprache lieben, d. h., bewahren, pflegen, ehren, ihr dienen, sie anhören, ist völlig sinnlos geworden. Wer würde sich denn in eine Funktion verlieben? In der Epoche totaler Dienstbarkeit bleibt kein Raum mehr für bewunderndes Staunen oder Dankbarkeit.
Hören und schauen wir uns einmal um: Mit Newsrooms, Spindoktor, Podcast, Primetime, Live-Übertragung, Showbiz, Blockbuster, Fashion Week, Black Friday, Jackpot, Crowdfunding, Teambuilding, Brainstorming, Debriefing, Storytelling, Coaching, Consulting, Marketing, Timing, Shooting, Benchmarking, Coworking, Making of, Zapping, Streaming, Casting, Lifting, Lowcost, Duty-free-Shop, Deal, Spots, Job, Challenge, Turnover, Burn-out, Check-up, Hashtag, Cloud, Mail, Cookie, Bugs, Talks, Tweets, Geeks, Hits, Scoops, Follower, Designer, Hacker, Gamer, Loser, Win-win-Situation, YouTuber, Meeting, Fast Food, Think-Tank, Playstation, Millennials, Softporn, Hardcore, Reset, der Wahl zwischen top-down oder bottom-up, dem Erfolg von Start-ups und so weiter hat die Technik das Idiom gefunden, das der Welt gerecht wird, mit dem sie die Welt ersetzt hat.
»Es ist unnütz, Rabelais, Montaigne oder Pascal zu bemühen, um mit ihnen eine summarische und primitive Vorstellung vom Leben begründen zu wollen«, schrieb Bernanos am Anfang der Epoche, die alles mit allem verbindet. Sie wurden nicht bemüht. Und in einer Werbung für Smartphones reagiert das Netz auf die letzten Querulanten mit einem strahlenden Lächeln und dem Glaubensbekenntnis: We love technology. Es ist nicht das Englische, allem Anschein zum Trotz, das seine Herrschaft auf die übrigen Sprachen ausdehnt, sondern das Gestell, das alle anderen Sprachen in den Gleichschritt zwingt, Shakespeares Sprache inbegriffen.
Was in diesem neuen Idiom von der Sprache übrig bleibt, ist eine teigige Masse, und die progressistischen Sprecher, die endlich mit allen Schikanen, Zwängen und Hierarchien aufräumen wollen, nehmen sich nun das Recht, sie nach Gutdünken zu kneten. Dabei lassen sie sich von keinerlei Skrupel aufhalten. Sie setzen sich über den Sprachgebrauch hinweg und verbiegen die Grammatik, und so haben sie die Gewissheit, in ihrem bescheidenen Rahmen am großen Abenteuer teilzuhaben – der endgültigen Humanisierung der Menschheit.
Die Sprache müsse sich doch entwickeln und anpassen dürfen, ohne ein Tribunal von Siechen um Erlaubnis zu bitten, höhnen sie. Diese griesgrämigen alten Knacker wollen, dass die Sprache über uns verfügt, aber das lassen wir nicht zu, denn wir verfügen über die Sprache. Wir haben lange genug unter ihrem Joch gelebt. Jetzt müssen wir die Kontrolle übernehmen und eine gründliche Inspektion durchführen, um die Sprache den Normen der künftigen Welt anzupassen. Es ist an uns, die Regeln abzuschaffen und mit den schlechten Gewohnheiten der Vergangenheit aufzuräumen, durch die Frauen immer noch unsichtbar bleiben.
Wir werden dafür sorgen, dass im öffentlichen Diskurs »keiner« nur noch in Begleitung des Wortes »keine« verwendet wird. Und das Wörtchen »jedermann« werden wir nur noch aussprechen, wenn wir ihm »jede Frau und« voranschicken, um so der Herrschaft des Maskulinen ein Ende zu setzen. Wir werden das »Vaterland« in »Mutterland« umtaufen. Filme von Agnès Varda werden wir nie mehr herrlich, sondern nur noch fraulich finden. Und jede_r von uns ist stolz auf den/die_ jenige_n, der/die in Paris ein riesiges Banner aufgehängt hat mit der Forderung: »Kostenlose Abtreibung für jede_n«. Wenn wir so unseren Willen kundtun, dass niemand von irgendetwas ausgeschlossen werden soll, tragen wir dazu bei, den Beginn einer wirklich egalitären Gesellschaft einzuläuten.
Alain Finkielkraut, Jahrgang 1949, gilt als einer der einflussreichsten französischen Intellektuellen. Er hat Philosophie und Ideengeschichte am Institut Universitäre Elie Wiesel und an der École Polytechnique gelehrt, Kultursendungen moderiert, Zeitschriften begründet, zahlreiche einflussreiche Bücher publiziert, wurde vielfach ausgezeichnet und ist Mitbegründer des Institut d’études lévinasiennes (Jerusalem/Paris), das nach Emmanuel Levinas benannt wurde. Seit 2014 ist er Mitglied der Académie française.
Um die Fußnoten bereinigter Auszug aus: Alain Finkielkraut, Ich schweige nicht. Philosophische Anmerkungen zur Zeit. Aus dem Französischen von Rainer von Savigny, LMV, Hardcover, 144 Seiten, 20,00 €
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Dieses „Triell“ (blödes Wort), das hier z.Zt. läuft, dürfte für die meistenTE-Leser nur von eingeschränktem Interesse sein. Fassen wir zusammen: R.J. scheint von der Theoretischen Physik herzukommen, ist jedenfalls darin sehr beschlagen. Markus Termin möchte im Grunde Heidegger „retten“ und kann dabei nicht anders, als gegen den naturwissenschafltichen mainstream zu polemiseren – mit durchaus nachdenkenswerten Einwänden. Allerdings kommt dabei doch ein ziemliches Durcheinander verschiedener „Register“ heraus. R.J. verlangt sozusagen einen konsistenten, kompletten Gegenwntwurf. Das geht meiner Ansicht nach zu weit. Kritik kann man auch ohne einen solche üben. Wir mal jemand sagte: „Ich habe noch nie ein Ei gelegt, weiß… Mehr
Das freut mich sehr, dass Sie sich wohl fühlen. Was Sie als „Durcheinander“ erleben, ist eine sehr einfache Argumentationslinie, die ich hier nochmals für Laien zusammenfasse: die Leitwissenschaft theoretische Physik folgt seit ca. 100 Jahren einer falschen Fährte. Der Grundirrtum ist nur philosophisch aufzulösen. Physiker, die sich mit der Kraft des Denkens rüsten, sind Philosophen. Denn Denken kann man nicht physikalisch, sondern nur philosophisch. Die „Erkenntnisse“ der Leitwissenschaft Physik sind weder hinreichend noch vollständig um die Realität zu beschreiben. Sie leiden vor allem unter dem systemischen Mangel, der an einem ganz entscheidenden Punkt die Metaphysik Mathematik mit der Naturwissenschaft Physik… Mehr
Die Wissenschaft behält immer recht – weil sie zur Selbstkorrektur fähig ist. Sie ist insofern fundamental verschieden von allen geschlossenen Weltbildern. Hinzu kommt, daß sie wertfrei argumentiert. Stellt sie sich in den Dienst einer Ideologie oder politischen Richtung („Klimarettung“/“Corona“…), verliert sie augenblicklich ihr Renommee – man könnte sogar sagen: ihre Daseinsberechtigung.
Wenn sie zur Selbstkorrektur fähig w ä r e – und dass sie wertfrei argumentiert, widerlegt ja gerade Heidegger: Metaphysik ist niemals wertfrei, weil die Spaltung der Welt in Natur hier – Naturgesetz dort selbstverständlich bereits eine Wertung voraussetzt; – die Wertung, die eine Spaltung der Realität für den richtigen Weg hält, sie zu erfassen. Es hilft nichts, die Wertung nicht sehen zu wollen. 100 % Zustimmung für „stellt sie sich in den Dienst einer Ideologie … „. Mein Vorschlag: machen wir zunächst die Wissenschaft ehrlich, damit sie wieder fähig wird zur Selbstkorrektur: wir brauchen gute, wahre Wissenschaft, die ihre… Mehr
Das Kind lernt, daß alle Dinge einen Namen haben. Später bedarf es einer großen, nie endenden Anstrengung, nicht der Versuchung anheimzufallen, aus der Existenz eines Namens (einer Bezeichnung) auf die Existenz des Bezeichneten zu schließen.
Also sich vor einem „Wortrealismus“ zu hüten – der so große Verwirrung in so vielen Köpfen angerichtet hat und immer wieder anrichtet.
In der Philosophiegeschichte wird das unter Nominalismus/Realismusstreit geführt – allerdings gilt auch: „Wie sich Verdienst mit Glück verkettet, das fällt den Toren niemals ein, wenn sie den Stein der Weisen hätten, dem Weisen fehlte ja der Stein.“ Das ist von? … richtig!
Der sog. Universalienstreit ist ein schönes Beispiel für ein Scheinproblem. Oder auch dafür, daß man durch bloßes Nachdenken („Philosophieren“) keine Erkenntnis über die Wirklichkeit gewinnen kann. Bestenfalls zu Zirkelschlüssen gelangt. Und sehr häufig aus der Wirklichkeit herausliest, was man zuvor in sie hineingelesen hat.
Scheinproblem, daher unlösbar. Oder mit Wittgenstein: Sinnvoll fragen kann man nur da, wo eine Antwort prinzipiell möglich ist.
Heute sind Sprache und Wissenserwerb längst Gegenstand empirischer Forschung.
Wie ja die Philosophie – einst „Königin der Wissenschaften“ – immer mehr entthront wurde und sich heute zum großen Teil damit begnügt, Ergebnisse der Einzelwissenschaften zu kommentieren.
„Oder auch dafür, daß man durch bloßes Nachdenken („Philosophieren“) keine Erkenntnis über die Wirklichkeit gewinnen kann.“ – sprach´s und philosophierte, wenn auch – wie ich finde – seitenverkehrt falsch. Sie befinden sich – wie mir zumindest klar ist – im Selbstwiderspruch, wie der gesamte Scientismus, den man nicht mit Wissenschaft verwechseln sollte. Entthront wird gerade die funktionalistische Naturwissenschaft, nicht die Philosophie, und zwar weltweit und die Grundlagen betreffend: als autoritär organisiertes, sehr unwissenschaftliches Sprungbrett für sehr fragwürdige und undemokratische – in jedem Fall autoritäre und sehr teure Pläne. Nochmals: Sie können nicht über Physik physizieren, nicht mal über Mathematik mathematizieren… Mehr
(A) In diesem Kommentar möchte ich mich auf Ihr Verständnis von Wissenschaft beschränken, wie es sich in diesem und anderen Ihrer Beiträge manifestiert (ich finde erst jetzt Zeit dazu). Mir scheint, Sie verwechseln einige Dinge und generalisieren vorschnell (m.E. eine typische Eigenschaft von Philosophen des Absoluten). Es gibt in der Wissenschaft nicht nur politische Opportunisten der genannten Art (die gab es immer), sondern nach wie vor viele mit Ethos. Da Sie offenbar kein Wissenschaftler sind, ist Ihnen dies fremd. Wir könnten natürlich auch die Philosophie nach den unzähligen Hallodris werten, die es in ihr gab und gibt. Und dann sieht… Mehr
Und nochmals vielen Dank! Wieder etwas zum Abheften.
Wenn man wissenschafltiche Aussagen „verstehen“ will, muß man ein Goethe-Wort sinngemäß abwandeln: „Wer den Dichter will verstehen, muß in Dichters Lande gehen.“
Das erfordert viel Anstrengung – da „philosophiert“ es sich doch beträchtlich leichter.
In diesem Kommentar möchte ich mich auf die Hybris beschränken, die glaubt, Wissenschaft erfordere „gerade heute eine enorme methodologische Detailkompetenz“ – das ist – wie ich glaube – die übliche Schutzbehauptung von Leuten, die einfachste Fehleinschätzungen hinter komplizierten Windungen verstecken, um ihre Macht und Pfründe zu sichern. Wer wissen will, wie es in der Wissenschaft mit all ihren „Fußsoldaten“ in totaler Abhängigkeit vom nächsten Zeitvertrag wirklich zugeht, kann eigentlich nur zu Paul Feyerabend greifen: „Eine Wechselwirkung oder eine Beeinflussung des Betriebs der Wissenschaften durch die Ideen einer freien Gesellschaft (eine Demokratisierung der Wissenschaften in anderen Worten) ist dringend nötig …… Mehr
Besonders den Deutschen gilt bedeutungsschwangeres Raunen als „Tiefe“.
Texte wie die Heideggers wirken verführerisch.
Sie sind aber weder empirisch überprüfbar, noch paraphrasierbar.
Es sind eben Predigten.
Hilfreich und ernüchternd hierzu auch Schopenhauer, Über Schriftstellerei und Stil.
Schopenhauer hätte Heidegger unter „Afterphilosophie“ abgeheftet…
Dazu antwortet Heidegger selbst: Metaphysik ist niemals empirisch überprüfbar – sonst wäre sie ja kein Glaubenssystem. Ihr Trick ist, dass sie nicht weiß, dass sie nicht empirisch überprüfbar ist: Metaphysik, die Lehre vom Seienden als Eigenschaftslehre – also der ganze Bereich der heutigen Naturwissenschaft – ist keine empirische Lehre, sondern eine Setzung. Schlimmsten Falles in einem Grundirrtum, bestenfalls im Spezialistentum des das Ganze gerade ausschließenden Ausschnitts befangen. Beispiel einer metaphysischen Begründung finden wir in den Allgemeinen Relativitätstheorien mit ihrer dogmatischen und praktisch nicht nachvollziehbaren Setzung von „c“ als Naturkonstanten und den daraus folgenden Ableitungen, die niemals empirisch bestätigt werden konnten… Mehr
Zu Ihren Ausführungen über die Relativitätstheorie möchte ich Folgendes anmerken. (A) Die Wissenschaft arbeitet deduktiv, d.h. aus präzise formulierten Modellen werden quantitative und qualitative Vorhersagen generiert, die dann an Daten überprüft werden. Inwieweit diese Modelle durch intellektuelle Präokkupationen (z.B. Schrödinger, Heisenberg, Feynman, Quantentheorie) inspiriert sind, ist sekundär, da es alleine auf die konkrete Formulierung ankommt. Da die „Induktion“ von Theorien (inklusive der Induktiven Wahrscheinlichkeit von Theorien, Carnap) sich als undurchführbar erwiesen hat, ist das der Standardweg (Hempel, Popper). Solange nichts gegen die Theorie spricht, gilt sie als bestätigt. Die Spezielle und die Allgemeine Relativitätstheorie sind außerordentlich gut empirisch bestätigt.… Mehr
Würden Sie mir darin zustimmen, daß die Wissenschaft nicht immer deduktiv gearbeitet hat?
Die Relativitätstheorie ist sicher ein Beispiel deduktiver Arbeitsweise: da kam erst die Theorie, und danach wurde nach Beweisen gesucht, was die Folgerungen angeht.
Aber nehmen wir zum Beispiel die Atom-Hypothese von Dalton. Grundlage waren das Gesetz der multiplen und das der konstanten Proportionen bei chemischen Reaktionen. Diese festen Zahlenverhältnisse brachten Dalton auf die Idee, daß da diskrete Einheiten im Spiel sein müßten.
Vielen Dank. Die Unterschiede sind m.E. gradueller Natur. Eine Zeitlang wurde die Meinung vertreten, man könne sozusagen aus der bloßen Regelmäßigkeit von Daten ein zugrundeliegendes Gesetz ablesen. Das funktioniert aber höchstens in Form statistischer Beschreibungen, und selbst die setzen (starke) Annahmen voraus. Ein wissenschaftliches Modell, aus dem man Vorhersagen trifft, orientiert sich nie allein an Daten, sondern immer auch an Vorannahmen, selbst wenn diese nicht aus einer anderen Theorie, sondern ganz simpel der Lebenswelt stammen. Der Schritt, aus einer näherungsweisen (mit der damaligen Messgenauigkeit) Konstanz zu idealen Zahlenverhältnissen überzugehen, die dann die Daten erklären und neue Voraussagen erlauben, ist eine… Mehr
Da stimme ich Ihnen zu: Es geht nie ohne Vorannahmen. Ich muß sozusagen schon wissen, wonach ich suche. Außerdem „stimmen“ die sog. Naturgesetze immer nur annähernd (statistisch), wenn man sie auf die beobachtbare Welt anwendet.
Damit sind nicht nur Fehlergrenzen gemeint.
Was Heidegger betrifft, stimmt das nicht: er widmet der Zeit-Theorie (nichts anders sind ja die RTs) ein paar kurze Worte in „Der Begriff der Zeit“ (1924) – tatsächlich reichen auch diese Worte – da sie zutreffend sind – aus, da sich die Betrachtung der Zeit seit 1919 (Sonnenfinsternis) auf einem Irrweg befindet, der sehr bedauerlicherweise den Fortschritt der Wissenschaften hemmt und die Zivilisation täuscht. Entgegen Ihrer Annahme, sind weder die spezielle noch die allgemeine Relativitätstheorie (die sich genau genommen sogar gegenseitig ausschließen) empirisch bestätigt. Wodurch denn? – und bitte nicht den GPS-Hoax, die GW-Wellen, das zusammengebastelte Photo-shop-Loch oder den Lichtbogen… Mehr
Sehr erfreulich, daß Sie nun naturwissenschaftliche Argumente anführen.
Bei der (Speziellen) Relativitätstheorie fragt sich ein unbefangener Mensch wie ich tatsächlich, ob Einstein hier nicht einfach Metrik und zu messende Wirklichkeit verwechselt bzw. gleichgesetzt hat.
Je nach Geschwindigkeit langsamer oder schneller gehende Uhren, sich verkürzende Maßstäbe, verschieden schnell alternde Zwillinge..
Es drängt sich der Eindruck von Science Fiction bzw. Mystifikation auf höchstem Niveau auf
Bei der Defintion des Meters irren Sie wahrscheinlich.Es wird nicht die Lichtgeschwindigkeit in m/s gemessen und dann daraus in einer Art Zirkelschluß das Meter abgeleitet.
Vielmehr ist die Einheit der Länge auf eine Zeitmessung zurückgeführt.So ist auch das Meter nicht eigentlich neu definiert worden, sondern es handelt sich um die exaktere Reproduzierbarkeit.
Man wollte weg vom Prototyp „Urmeter“ hin zu einer Naturkonstanten.
Der Prototyp der Masse, das Urkilogramm, hat ja nun auch „ausgedient“.
Wie schon erwähnt: entwickeln Sie bitte ganz konkret alternative Theorien und zeigen Sie, dass diese überlegen sind. In der Wissenschaft zählen nur vorzeigbare Leistungen. Feyerabend imponiert da nicht, ebenso wenig wie Kuhn, und er hilft auch nicht weiter. Auch machen soziologische Mängel die Wissenschaft nicht invalide, genauso wenig wie die Verrücktheiten mancher Mathematiker die Mathematik. Den Zeitstandard von 1 s legt man durch eine bestimmte Zahl atomarer Schwingungen fest. Dann schaut man, wie weit Licht im Vakuum in 1 s läuft. Dann teilt man die Strecke durch eine Zahl, die zu der Zeit, als das Meter anders definiert wurde, als… Mehr
Hier liegt – wie ich glaube – der Denkfehler: „Den Zeitstandard von 1 s legt man durch eine bestimmte Zahl atomarer Schwingungen fest … „ Das stimmt einfach nicht – es tut mir wirklich leid für all die stolzen Mathematiker, die an dieser simplen Klippe scheitern. Es ist aber – wie ich glaube – äußerst wichtig und führt, einmal verstanden, ganz von selbst dazu, jedem denkenden Zeitgenossen die Dringlichkeit einer Rückkehr zum Primat der Philosophie klar zu machen. Dies ist der Fehler: natürlich legt man den „Zeitstandard“ von 1s nicht durch eine bestimmte Zahl atomarer Schwingungen fest, sondern man nimmt… Mehr
Lassen wir den Heideggerschen „Tiefsinn“ beiseite. Schauen wir uns seine Tätigkeit während seiner Freiburger Zeit und auch danach an.
Und lesen wir seine Rektoratsrede im Wortlaut…
Heidegger wird für immer als Prototyp des karriere- und auch machtbesessenen, skrupellosen Opportunisten gelten müssen – wie in nicht ganz so krasser Form auch viele andere.(Künstler, Wissenschaftler…)
Die Belege sind einfach erdrückend, da helfen alle Beschönigungsversuche nicht.
Und man wende nicht ein, man müsse das Werk vom Menschen trennen.
Es gibt unüberschreitbare Grenzen. Und zwar ohne alles Moralisieren.
Philosophiegeschichtlich ein „verknaupelter Geist“ – menschlich ein „feiger Hund“…
(Peter Rühmkorf)
Das hat Hannah Arendt zum Glück für die Philosophie anders gesehen. Und nein, ohne Moralisieren gibt es auch keine Grenzen. Schon 1934 war Heideggers Engagement für die Nazi-Technokratie beendet (mal glaube nun bloss nicht den Schaum-vor-dem-Mund Wiki-Eintrag, aber das wissen alle Geistesmenschen gerade in der Gegenwart schon längst). Nur mit Heideggers Gedanken können wir der gegenwärtig sich abzeichnenden pseudowissenschaftlichen Technokratie und ihrem Wiederholungszwang etwas entgegensetzen.
Leider gehöre ich nicht zu den Geistesmenschen…
Die Chronologie der Heideggerschen Heldentaten ist leicht zugänglich – und zwar mit Belegen. Ganz ohne Wiki…
Ja, auch Platon war den Verführungen der Macht erlegen – es wäre nicht wahr, würde man das Gegenteil behaupten (die Folgen reichen über Stalin bis zum Great Reset I & II) – mir ist aber ein genialer Trottel in Lederhose mit einer jüdischen Geliebten lieber, als ein gestylter Trottel, der auch den Versuchungen der Macht erlegen ist, wie aktuell z.B. der – meiner Ansicht nach – moralisch gefallene Precht mit seinem preußischen Pflicht-Aufguss für die Regierung. Wer ein Antidot braucht, greife zu Ernst Cassierer (oder Adorno) und seiner Philosophie der symbolischen Formen – um dann bei Heidegger zu erfahren, warum… Mehr
Man sollte sich ab und zu den (w.W. Arthur Schnitzler zugeschriebenen) Satz ins Gedächtnis rufen: „Tiefsinn hat nie die Welt erhellt, Klarsinn schaut tiefer in die Welt“.
Wenn man dabei nur nicht Klarsinn mit Oberflächlichkeit verwechselt. Meines Erachtens greift hier Nietzsches Warnung:
„O Mensch! Gib Acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
»Ich schlief, ich schlief –,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: –
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.“
Die Erfahrung zeigt, dass Klarsinnige, da sie der Klarheit verpflichtet sind, eher ihre Grenzen reflektieren und methodisch weiterkommen als Tiefsinnige, die sich stets in diffusen Tiefen und dunklen Worten verkriechen können. Oberflächlichkeit ist leicht argumentativ anzugehen, Tiefsinn pflegt zu entweichen. Ob Nietzsche Heidegger goutiert hätte, scheint mir zweifelhaft, ebenso wie die Nietzsche-Interpretationen von Heidegger. Auch ist die Tiefe der Welt etwas anderes als die Tiefe einer subjektivistischen Philosophie, die Gefahr läuft, psychologischen Mechanismen oder metaphysischen Hypostasierungen zum Opfer zu fallen, welche tribalistische Züge tragen (siehe die extensiven Auslassungen zu Juden bei H. oder der Anspruch, nur im Deutschen könne wahre… Mehr
Wir könnten uns ja darauf einigen, dass wir Tiefsinn u n d Klarsinn pflegen? Sie schreiben: „Auch ist die Tiefe der Welt etwas anderes als die Tiefe einer subjektivistischen Philosophie, die Gefahr läuft, psychologischen Mechanismen oder metaphysischen Hypostasierungen zum Opfer zu fallen, welche tribalistische Züge tragen … “ – volle Zustimmung – genau das passiert ja auch in der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Weltsituation: was für „objektive und alternativlose“ Wissenschaft ausgegeben wird, ist reiner Subjektivismus, Ideologie. Gerade die „metaphysischen Hypostasierungen“ sind ja Heideggers Hauptthema, sie zu erkennen und auszuräumen – und Sie werden doch nicht ernsthaft behaupten, dass wir a u ß… Mehr
Nicht zu vergessen: die Verführung durch die oder mit der Sprache.
Die inhaltliche Deutung grammatischer Phänomene. Ein weites Feld…
(Freud’s „Ich“-„Es“-„Über-Ich“)
(A) Danke. Man sollte m.E. zwischen dem frühen Heidegger von „Sein und Zeit“ und dem späten des „Holzwegs“ deutlich unterscheiden. Die Unausweichlichkeit des „Gestells“ korrespondiert im übrigen direkt der Unausweichlichkeit der “kapitalistischen Verblendung“ Adornos usw. Beides sind politische Romantiker und Endzeit-Adepten paratheologischer Provenienz (Nur ein Gott kann uns retten, nur die Kunst kann uns retten). In „Sein und Zeit“ finden sich viele sorgfältige Analysen, in denen man spürt, dass H. sich auch mit Mathematik und Physik beschäftigt hat (das ging mir so, ich stellte dann im Nachhinein fest, dass er tatsächlich entsprechende Vorlesungen gehört hat). Im Spätwerk geht das verloren,… Mehr
Ihren Empfehlungen in (C) schließe ich mich an. Das „oberflächlich“ nehme ich als „Augenzwinkern“……..Ein lesenswerter Kommentar, R.J….ohne Audenzinkern.
Interessanter Vortrag, in sich nachvollziehbar, jedoch: „… nur dadurch gewinnt er Abstand von sich selbst … “ – den Abstand zu sich selbst muss der Mensch im Humanismus („Über den Humansimus“, 1949 bei Klostermann) gar nicht gewinnen, den hat er ganz von selbst, und das ist ja gerade die Tragödie. Das können Sie auch ganz prosaisch überall erfahren: erstrebenswert erscheint dem homo scientificus nur die Extase: endlich den Abstand zu sich selbst überwinden durch Rausch, Tanz, Sex, Verblödung? … whatever. Schön ist ferner möglicherweise der Sternenhimmel, aber die Kosmologie? Dazu fehlt schon allein, dass sie nicht vollständig ist und wohl… Mehr
(A) Vielen Dank. Die Konzepte der Allgemeinen Relativitätstheorie mit ihren Implikationen, die modernen Theorien des Raumes wie z.B. Spin-Netzwerke, die Quantenfeldtheorien, die kosmologischen Theorien usw. haben m.E. eine gründlichere, tiefere Revision des Denkens über die Welt und die Grenzen unseres Denkens hervorgebracht als alle vorherigen Philosophen. Gründlich, weil formulierbar, weil kommunizierbar, weil prüfbar, soweit etwas prüfbar ist. (B) Der Obskurantismus des späten Schelling scheint mir dagegen ein Lallen, an dem sich zu berauschen sicher einfacher fällt als mit Wissenschaft. Seine Ausgriffe in die Physik sind ohnedies absurd. Man formuliere mit eigenen Worten, was konkret gemeint sein könnte und wie es… Mehr
Vielen Dank, R.J. – Ihre tiefgründigen, kenntnisgesättigten Ausführungen kommen in meine Sammlung.. Immer eine Wohltat, wenn man in diesem Forum nicht nur auf „Meinungen“ (die ja nach Schopenhauer wohlfeil wie Brombeeren sind) stößt… .Allerdings erntet man mit dem kritischen Rekurs auf die Fakten nicht unbedingt Beifall. Aber -mit Goethe – „… ich schreibe nicht, um euch zu gefallen, ihr sollt was lernen…“ Ich erlaube mir, aus Ihrem Text einige Punklte herauszugreifen, die mir besonders am Herzen liegen. 1.Überprüfbarkeit. 2.Über die „Wirklichkeit“ holen wir uns lieber bei Fachwissenschaftlern Auskunft – zur Not auch popularisiert ohne Gehaltsverlust – als bei Philosophen 3.Ein… Mehr
Ebenfalls vielen Dank! – Sie schreiben: „… bei dem absurderweise das Metaprinzip des Kategorischen Imperativs benutzt wird, um Gehorsam gegenüber spezifischen Forderungen zu erzwingen, über die man mit Gründen verschiedener Meinung sein kann. … “ – was diesen Punkt angeht, sind wir einer Meinung, wenngleich nicht in der Beurteilung der kantschen Denkweise, die ja gerade durch das unfassbare „Ding an sich“ den roten Teppich für eine reduzierte, metaphysische, mechanistische Naturbetrachtung ausgerollt hat und von den selben Leuten, die meines Erachtens aus reiner Bequemlichkeit Popper auf ihre Fahnen geschrieben haben – oder sogar Russell – was – Sie wissen das wahrscheinlich… Mehr
Die Philosophie scheitert in ihrem Bemühen regelmäßig an der Unzulänglichkeit der Sprache, die einfach nicht dazu geeignet ist, das Dasein tatsächlich zu beschreiben. Ein aussichtsloses Unterfangen, bedenkt man, dass es nicht einmal gelingt die Bedienung eines Gerätes der Unterhaltungselektronik, trotz grafischer Unterstützung und noch so vieler Worte unmissverständlich zu beschreiben, geschweige denn ausschließlich mit Worten. Sprache ist zwar sehr viel mehr als nur Worte, aber das Dasein ist sehr viel mehr als nur Sprache. Aber vielleicht liegen meine Schwierigkeiten mit diversen Bedienungsanleitungen auch nur daran, nicht vorher bei Heidegger reingeschaut zu haben. Wenn jedoch die marxistische Sprachverhunzung weiter um sich… Mehr
Sprache ist in erster Linie Verständigungsmittel. Ob sie als solches funktioniert, kann man alle Tage leicht erproben. (Komme gerade vom Einkaufen) Darüberhinaus verführt sie dazu, zum esoterischen Spiel zu werden, d.h. um sich selbst zu kreisen. Heidegger ist wie auch Hegel dafür ein Musterbeispiel. Dann kommt es zu Gemeindebildung. Hier die Erleuchteten, dort die Jünger. „Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört…“ Wenn Sie Mühe haben, Bedienungsanleitungen zu verstehen, geht das zunächst mal zu Lasten der Verfasser. Gilt übrigens für jede Lektüre. Ob eine Lektüre Heideggers allerdings weiterhelfen könnte, ist doch sehr zu bezweifeln. Heidegger benutzt die Sprache… Mehr
Heidegger ist kein Theologe, schließ aber Gott nicht aus. Die Ansicht, Sprache sei in erster Linie ein Mittel, kann man Funktionalismus nennen. Aber der Funktionalismus würde sich schwer tun, einen Sinn in sich selbst zu finden. Und behauptet er als Funktionalismus seinen Sinn als Selbstzweck, landen wir bei der Figur des lügenden Kreters: mit diesem Widerspruch kann man leben, muss aber dafür darauf verzichten, die Dinge zu verstehen, denn sie sollen ja „nur“ funktionieren. Wohin das führt, erleben wir in gegenwärtiger – meines Erachtens kultureller – Krise. Denn überraschenderweise ist die reine Funktion oft grausam und gar nicht Menschen-gemäß. Daher:… Mehr
Der „Kreter“ läßt sich leicht auflösen…
Und die gegenwärtige „kulturelle Krise“ wird sich wohl nicht durch sprachliche Mittel bewältigen lassen…
Nun, dann lösen Sie mal auf. Wie lässt sich das Denken in Funktionen – wir könnten auch Darwinismus sagen – in sich selbst rechtfertigen, ohne die logische Basis zu verbiegen?Das würde mich sehr interessieren.
“ … nicht durch sprachliche Mittel bewältigen lassen … “
Durch welche Mittel sonst?
Der „Kreter“ setzt erstens voraus, daß ein Kreter diesen Satz ausspricht, und zweitens behauptet, daß alle Kreter i m m e r lügen.
1.Wo es den Begriff der Lüge gibt, muß es notwendigerweise auch den der Wahrheit geben. Also müssen bei den Kretern auch wahre Aussagen vorkommen.
2.Tatsachen gelten unabhängig von dem, der sie benennt. Um festzustellen, ob die o.a. Behauptung zutrifft, schickt man einfach einen Nicht-Kreter hin.
Der „Kreter“ ist nicht mehr als ein geistreichelnder Scherz.
Über die Welt erfährt man eben nichts mit mehr oder weniger gescheit ausgedachten Sprachspielereien.
Man muß nachsehen, wie es sich verhält.
Die einfache Behauptung Sprache sei in erster Linie ein Mittel zur Verständigung ist richtig. Daraus die Kategorie Funktionalismus abzuleiten ist falsch, denn Moorwald behauptet nicht, dass Sprache ausschließlich ein Mittel zur Verständigung sei. Ihre Argumentation über eine Kategorisierung die Behauptung Moorwalds in den Selbstwiderspruch zu führen ist damit unredlich, und gewissermaßen der kulturellen Krise unserer Zeit ähnlich, die eine Krise der Sprache ist. Bei aller Begeisterung für das, über die Funktion der Sprache als Verständigungsmittel Hinausgehende, kann dieses „Fest des Geistes“ sowohl in die Erkenntnis wie in den Abgrund führen. Deswegen ist die Sprache in erster Linie in ihrer Funktion… Mehr
Und James Joyce hätte dann – vor allem in Finnegan´s Wake – versucht aus der ordnenden Sprache wieder ein Chaos zu machen? Niemand bezweifelt, dass Sprache (respektive Schrift – ich würde gern bei dieser Differenzierung bleiben) – wichtig zur Verständigung ist. Dass sie in „erster Linie“ ein Mittel zur Verständigung sei, ist hingegen einfach mal eine Behauptung. Ihr zu widersprechen ist in d i e s e m Zusammenhang keine Haarspalterei, weswegen die ganze Heideggersche Philosophie immer auch Sprachphilosophie ist: in Frage steht bei obiger Behauptung nicht die V e r s t ä n d i g u n… Mehr
„Sprache ist in erster Linie Verständigungsmittel“ Möglicherweise. Und in zweiter Linie? Zweifellos Kunst, wenn souverän gehandhabt.
„Sprachlos und kalt, im Winde
klirren die Fahnen“
Ob sich Hölderlin „verständigen“ wollte, als er die beiden Verse „Hälfte des Lebens“ dichtete, ist doch sehr zu bezweifeln.
Kunst ist niemals die zweite Linie, sondern immer die erste: wie die Blüte zur Blume ist sie das eigentlich Menschliche, das Fest der Existenz und notwendiger Grund ihres Fortbestands. Siehe auch: „Der Ursprung des Kunstwerks“, preisgünstig bei Reclam! Oder – um es mit Gadamer zu sagen (als Schlusswort zu obiger Schrift): „Das Werk der Sprache ist die ursprünglichste Dichtung des Seins. Das Denken, das alle Kunst als Dichtung denkt und das Sprachesein des Kunstwerks enthüllt, ist selbst noch unterwegs zur Sprache.“
Da haben sie sich aber an ein Thema herangewagt und es ist zu bezweifeln, ob das von einer Mehrheit begriffen wird, denn gerade Heidegger ist mit seinem Erstwerk Sein und Zeit eine äußerst schwierige Materie, indem er vereinfacht ausgedrückt Kunst und Technik gegenüberstellt und damit vom menschlich errichteten Gestell spricht, was das Rückgrat allen Seins darstellt um überleben zu können. Ein äußerst schwieriges und zugleich durch seine Sprachformung streckenweise hoch komplexes Thema und von den meisten beim ersten Durchgang sicherlich nicht verstanden und erst nach Wiederholung schwieriger Passagen zur Erkenntnis führt, wenn man es vorher nicht aus lauter Verzweiflung bei… Mehr
Das stimmt und wurde von Ihnen auch gut ausgedrückt. Der wesentliche Punkt ist jedoch, dass Heidegger eben gerade nicht von einem „menschlich errichteten Gestell“ schreibt, sondern von einem Verhängnis durch die „neue“ Metaphysik moderne Technik, durch welche der Mensch selbst gestellt wird. Das ist der Unterschied von aktiv zu passiv – und das setzt natürlich einen geistigen Kosmos voraus. Aktuell sind wir aber schon einen Punkt weiter, weil durch die bekannten transhumanistischen Entwicklungen der Mensch nicht nur gestellt, sondern zur Funktion innerhalb des Gestells wird – i.e. – entmenschlicht. Bemerkenswerter Weise sieht Adorno auf der feindlichen Gegenseite die Sache prinzipiell… Mehr
Die Heideggger´sche Begriffsfindung „Gestell“ einerseits für den technischen Apperat als etwas Hingestelltes, anderseits als ein „Stellen“, das heißt Aufforderung in Richtung der Hervorbringer, sich mit diesem Gestell auseinanderzusetzen und zwar nicht nur was seine Funktionalität angeht sondern auch hinsichtlich der Ansprüche der Titanenwelt als metaphysische Komponente. Die Titanen sind keine Götter haben aber zusammen mit den Giganten ältere Ansprüche, die sie offfenbar in Blick auf das Gestell zu realisieren gedenken. Dass Gestelle allerdings, wo sie sich anschicken in den Himmel (der Götter?) zu wachsen, unvermittelt zusammen brechen können, hat man neuerdings hier und jetzt (eingestürtzes Windrad im Forst von Haltern)… Mehr
Also auch ohne diesen ganzen Schmarren kann man seine Sprache lieben. Man denkt in ihr und genießt ihre Möglichkeiten.
Das ist möglich – wie Ringelnatz oder Bernstein – aber den Fortgang oder Nachgang der Zivilisation können Sie – so behaupte ich zumindest – nicht „ohne diesen ganzen Schmarren“ verstehen. Kommt immer drauf an, was man will und wie hoch der Anspruch ist. Ich finde, das Beste ist gerade gut genug. Und das gibt es nur in Deutsch und nur bei Heidegger.