Ein „tragischer Held“ verzockt sich im Bundestag

Der Bundestag hat das "Zustrombegrenzungsgesetz" der Union abgelehnt. Eine bittere Niederlage für deren Spitzenkandidat Friedrich Merz. Doch sie eröffnet ihm auch eine Chance.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Friedrich Merz hat sich verzockt und er ist ein „tragischer Held“. Beides. Nicht gleichzeitig. Nacheinander. Taktisch verzockt hat sich Friedrich Merz nicht mit seinen Anträgen zur Eindämmung der illegalen Einwanderung. Sondern vorher. Drei Jahre lang hat er sich geweigert, ein konsequenter Oppositionsführer zu sein. Jedem Druck ist er ausgewichen. Jeden Vorschlag hat er zurückgenommen, wenn der auf grün-roten Widerstand gestoßen ist. Und auch in der eigenen Partei hat er sich nicht durchgesetzt. Gegen Merkelianer wie Hendrik Wüst oder Daniel Günther hat er kein Mittel gefunden. Merz selbst hat solche Merkelianer unter den Mitarbeitern befördert, die ihn zuvor offen angefeindet und diffamiert hatten.

Drei Wochen vor der Wahl wird er zum tragischen Helden. Als solchen definiert die Theaterwissenschaft Figuren, die zwischen zwei sich widersprechenden Wertesystem gefangen sind und sich folglich in einem Konflikt nicht richtig entscheiden können. Drei Jahre war Merz der Zauderer, der Zurückruderer und der Wegbereiter von Schwarz-Grün. Kurz vor der Wahl wollte er plötzlich entschiedene Sachpolitik machen. Damit hat er sich in einen tragischen Konflikt gebracht. Er musste scheitern.

An diesem Freitag ist er gescheitert. Sein Antrag hat keine Mehrheit gefunden. Im Wahlkampf hat er seinen bisher kopflosen Gegnern Munition und eine Strategie geliefert. Und grün-rote Politiker wie Journalisten werden ihn jetzt drei Wochen lang zum Monster machen. Da muss Merz durch. Drei Jahre lang ist er jedem Konflikt ausgewichen. Dafür muss er nun bezahlen.

Aber die Politik ist ein Tagesgeschäft. Die Niederlage von heute kann der Sieg von morgen sein. Wenn Merz jetzt wieder in die Rolle des Zauderers und Zurückruderers schlüpft, dann ist er verloren. Aber kein tragischer Held mehr. Eher ein trauriger Verlierer. Der CDU-Kandidat hat selbst gesagt, dass es für ihn nur vorne geben. Das stimmt. Den Grünen-Versteher, den Merkel-Nachfolger nimmt ihm jetzt ohnehin keiner mehr ab. Jetzt hat er sich für die Rolle des entschlossenen Anpackers entschieden. Die bietet ihm tatsächlich eine Chance.

Aber nur, wenn Merz entschlossen und konsequent auftritt. Merz muss beinhart bleiben. Gegen die Empörung grün-roter Politiker und Journalisten. Auch gegen die eigene Partei. Ob er das kann, bleibt zu bezweifeln. Dreieinhalb Stunden hat er am Freitag versucht, SPD und Grüne nochmal zum Einlenken zu bewegen. Er springt über das Stöckchen, das ihm Grünen-Chef Felix Banaszak hinhält und versichert, nicht mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen.

Aber Merz hat einen Verbündeten. Nur einen, aber der hat es in sich: den Wähler. Der will in der Mehrheit nicht das Schmierentheater rund um die „Brandmauer“. Der sucht einen ebenso seriösen wie entschiedenen Reformer für das Einwanderungs-Chaos, das mit Angela Merkel begonnen hat. Dieser Wähler ist die Chance für Merz. Nun muss er sie nutzen.


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Kommentare ( 159 )

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Buck Fiden
1 Monat her

Ein tragischer Held? Blödsinn.
Die Sache erscheint abgekartet, denn sonst würde Merz doch nicht mit den Grünen, die ihn Nachmittags noch im Parlament beleidigt haben, abends Sekt saufen!
Die schwarz- grüne Koalition „steht“ m.E. – für nach der Wahl. Dieser Gesetzesentwurf erscheint mehr und mehr wie ein abgesprochenes Schmierentheater.
Und Merz? Nach der Wahl will er es noch einmal versuchen – mit wem? Mit Rot- Grün passiert da nichts.
So einem soll man glauben?

Beat.Buenzli
1 Monat her

Auch wenn Merz verloren hat, so hat er doch vorgeführt, dass es der SPD und dem Grünen nicht um politische Lösungen für ein Problem gibt, sondern offenbar nur taktische Schachzüge. Sie haben uns gezeigt, dass der Wunsch der Bevölkerung vollkommen egal ist.

Buck Fiden
1 Monat her
Antworten an  Beat.Buenzli

Es erscheint mehr und mehr wie ein abgekartetes Schmierentheater.

Manfred_Hbg
1 Monat her

Zitat: „An diesem Freitag ist er gescheitert. Sein Antrag hat keine Mehrheit gefunden.“ > Mhh, hat vllt irgendwer eine Erklärung dafür, warum zwei Tage zuvor am Mittwoch Merz seine Partei-Genossen soweit alle für den Merzken Antrag gestimmt haben und jetzt am Freitag wo es ans Eingemachte ging, da nicht mehr? Bzw warum haben die nun gegen den Antrag stimmenden CDU’ler das nicht schon am Mittwoch bei den „Probelauf“ getan? Haben sich diese vergrünten CDU’ler bzw Merkelianer vielleicht schon vor den ersten Wahlgang abgesprochen und das sie Merz sozusagen reinlaufen lassen und lächerlich machen wollten und darauf hofften das dann so… Mehr

Riffelblech
1 Monat her

Eines ernsthaften Mannes auf dem Posten des derzeitigen CDU Vorsitzenden gegenüber der Merkelschen Einlassung hätte doch im einem : „ Frau Merkel ! Sie hatten ihre Zeit . Diese ist vorbei . Also arbeiten Sie an der Historie und nicht an der Zukunft an der Sie nicht beteiligt sind „ lauten müssen . Das wären Wortes eines Mannes mit einem Rückgrat gewesen . Aber Merz kommt auf die abstruse Idee dieser Frau noch im Ansatz Recht zu geben ?! Somit hat er zugegeben das eben nicht er in der CDU die Führungsrolle innehat sondern eine „ dunkle Macht „im Hintergrund… Mehr

Je me souviens
1 Monat her

“ …für das Einwanderungs-Chaos, das mit Angela Merkel begonnen hat.“ Da muss ich jedes Mal tief Luft holen. Rot-Grün freut sich diebisch, wenn selbst das liberal-konservative Lager im öffentlichen Raum die Union für die Migrationskrise mit ihren himmelschreienden, willentlich unbehandelt bleibenden Symptomen verantwortlich macht und damit den wahren Brandstiftern das perfekte, willkommene Alibi gegeben wird. Dieser „Merkel-war’s“-Reflex ist so falsch wie gefährlich. Merkel war nur das rechte Instrument zum richtigen Zeitpunkt. Die Weiche dafür wurde viel früher gestellt. Eine (vermeintlich) „erzkonservative“ Adenauer-, Erhard- oder Kohl-Union mit tiefgläubigen Christen im mächtigsten Amt im Land durfte es nach der Demontage Kohls nie… Mehr

andreas donath
1 Monat her

Lieber Herr Thurnes, ich schätze Ihre fundierten Artikel sehr. Doch eine Frage habe ich an Sie: Wie oft haben Sie in den letzten zwei Jahrzehnten auf die CDU gehofft, auf dass sich dort die vernünftigen Kräfte durchsetzen mögen? …. Eben!

Last edited 1 Monat her by andreas donath
Matthias
1 Monat her

Der Artikel trifft in Vielem den Kern! Merz und CDU/CSU haben in der letzten Legislatur nicht als Opposition, sondern als Hilfsbüttel der Regierung funktioniert. Die Brandmauer war das beste Mittel zur Disziplinierung im Sinn der Grün-Roten. Die Merzschen Anträge in dieser Woche waren reiner Wahlkampf, um sich vor einer Niederlage am 23.2. zu retten. Wer das nicht durchschaut, dem ist nicht zu helfen. Oder sind die Wähler wirklich so dumm, wie der Autor offensichtlich meint: „Dieser Wähler ist die Chance für Merz. Nun muss er sie nutzen.“??? Ich habe die Bundestagsdebatte gestern verfolgt. Die Ausfälle der Blockparteien (CDUCSUSPDFDPGrüneLinke) gegen die… Mehr

Thomas Mairowski
1 Monat her

Man soll Artikel auch nicht überfliegen. Trotzdem erwische ich mich ab und zu dabei.
Warum habe ich statt „Zustrombegrenzungsgesetz“ zuerst das Wort „Zeitbombenbegrenzungsgesetz“ im Sinn gehabt?

anita b.
1 Monat her
Antworten an  Thomas Mairowski

Ich frage mich immer um welchen Zustrom es geht? Den von donau, elbe, Rhein?

EndofRome
1 Monat her

Die Union sollte sofort ein Ausschlussverfahren wegen parteischädigenden Verhaltens gegen Merkel einleiten. Das wäre ein glaubwürdiges Zeichen im Wahlkampf, das sie nach dem gestrigen Desaster bitter nötig hat.

fischer
1 Monat her

Gibt es eine Möglichkeit, zu erfahren, ob sich hinter einem (Stimme) „nicht abgegeben“ ein ehrenhafter Grund (z.B.Krankheit) verbirgt oder ob es die gegenüber „Enthaltung“ noch einmal gesteigerte Variante der Feigheit ist ?

Brotfresser
1 Monat her
Antworten an  fischer

Merz hat irgendwo kommentiert, dass es sich um einen Krankheitsfall und elf „Andersdenkende“ handele. Und er sagte, das hätte das Ergebnis nicht geändert, hätten diese zugestimmt; ohne weitere Stimmen von der SPD hätte es eh‘ nicht gereicht…
Man kann aber der namentlichen Abstimmung schon entnehmen, wer von Merkels Lakaien und Wasserträgern sich da vornehm herausgehalten hat (Marco Wanderwitz, Helge Braun, Annette Widmann-Mauz, Monika Grütters, usw.).
Ergänzt sich vorzüglich mit Günther, Wegner und Wüst!