Einheitliche Maßnahmen fordern Angela Merkel und Markus Söder. Was aber, wenn Deutschland gerade deshalb bisher relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen ist, weil an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Ansätze ausprobiert werden?
Was hilft gegen Corona? Um die Frage zu beantworten, kann man raten. Man kann behaupten. Man kann glauben. Man kann aber auch einen Blick auf die nüchternen Zahlen werfen.
Bezogen auf die Einwohnerzahl sieht es da in einem Bundesland besonders schlecht aus: in Bayern. Der Freistaat hat sowohl die meisten Infektionen auf 100.000 Bürger, nämlich 581 – als auch die meisten Todesfälle, nämlich 21 (Stand: 14. Oktober 2020, 20.00 h).
Damit sind im Zuständigkeitsbereich von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) deutlich mehr Menschen infiziert als im Bundesdurchschnitt (da sind es nur 410), und es sterben auch viel mehr Corona-Patienten (bundesweit sind es nur zwölf, jeweils auf 100.000 Einwohner).
Das ist keine neue Entwicklung. Den traurigen Spitzenplatz in der Virus-Statistik hält Bayern ununterbrochen seit dem 20. April 2020, also seit einem halben Jahr. Es ist deshalb wohl nicht übermäßig ungerecht, wenn man Söders bisherige Anti-Corona-Politik als Fehlschlag bezeichnet: Die schieren Ergebnisse sind einfach schlechter als irgendwo sonst in Deutschland.
Bitte merken Sie sich das kurz. Wir kommen gleich darauf zurück.
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„Ich plädiere für Einheitlichkeit.“
(Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, 13. Oktober 2020)
Viele Politiker scheinen eine versteckte (oder auch gar nicht so versteckte) Sehnsucht nach uniformen, universalen, undifferenzierten Lösungen zu haben. Anders ist die ständig wiederholte Forderung nach „Einheitlichkeit“ kaum zu erklären.
Dabei verschanzen sie sich meist hinter Experten. Die sind allerdings, erstens, nicht gewählt. Es ist feige von den Politikern und eine unfaire Überforderung der Experten, die Verantwortung für politische Entscheidungen so zu verschieben.
Der Hinweis auf die Experten erweckt zweitens den Eindruck, als hätten all jene, die von Corona Ahnung haben, nur eine gemeinsame Meinung, wie das Virus am besten zu bekämpfen ist. Als Söder am vergangenen Dienstag seine übliche Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung gibt, steht links neben ihm Gerald Haug, der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“ – „dem Wissenschaftsgremium schlechthin“, wie der Ministerpräsident betont.
Er hätte auch sagen können: Die akademische Welt steht voll hinter meiner Corona-Politik.
Das ist gleich mehrfach unredlich. In der Leopoldina sind Wissenschaftler aller möglichen Disziplinen vertreten. Ökonomen sind dabei, Informatiker, Gynäkologen. Das sind sicher Koryphäen auf ihren jeweiligen Gebieten – aber ihre besondere Expertise in Bezug auf Corona liegt bei genau null. Zur wissenschaftlichen Rechtfertigung einer bestimmten Politik taugt das nicht. Außerdem erweckt es den Eindruck, es gebe nur eine wissenschaftliche Meinung zu dem Thema. Auch das ist falsch.
„Die“ Wissenschaft und auch die „Einheitlichkeit“ sind letztlich Verstecke. Politiker nutzen sie, um der eigenen Verantwortung für die eigenen politischen Entscheidungen zu entfliehen. Dabei verwischen die tatsächlichen – regional begrenzten, aber dennoch absolut klaren – Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.
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Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) springt Söder bei und warnt vor „Kleinstaaterei“ bei der Corona-Bekämpfung. Das ist, mit Verlaub, in jeder denkbaren Hinsicht zentralistischer Quatsch.
Zentralismus ist politischer Quatsch:
Wir erinnern uns kurz: Nirgendwo ist die Anti-Corona-Politik erfolgloser als in Bayern. Viel spricht also dafür, dass Söders Rigorismus nicht die beste Lösung ist. Trotzdem schwebt dem bayerischen Landesvater offenbar vor, das – ausdrücklich nicht erfolgreiche – bayerische Modell ganz Deutschland überzustülpen.
Ausgerechnet der sogenannte Freistaat wendet sich vom Föderalismus ab. Warum aber sollten andere Bundesländer, die mit ihrem Kurs ihre Bürger bisher viel besser schützen konnten, jetzt ausgerechnet bayerischen Vorschlägen folgen?
Zentralismus ist wissenschaftlicher Quatsch:
Die Experten weltweit sind sich denkbar uneinig, wie am besten mit Corona umgegangen werden soll. Christian Drosten ist unstrittig ein international herausragender und hoch angesehener Wissenschaftler. In Deutschland übersieht man aber gerne, dass seine Vorschläge schon in Deutschland (z. B. beim Virologen Hendrik Streeck) durchaus nicht unumstritten sind. Und international kann keine Rede davon sein, dass „die Wissenschaft“ (die es als konzeptionelles Subjekt ohnehin gar nicht gibt) eine auch nur annähernd einheitliche Position zur Corona-Bekämpfung hätte.
Die Weltgesundheitsorganisation zum Beispiel hat eben gerade erst zum Thema „Lockdown“ eine komplette Kehrtwende vollzogen. Bis vor kurzem hatte die WHO noch vor zu schnellen Öffnungen und Lockerungen gewarnt. Vor einer Woche nun empfahl der Mediziner und WHO-Sonderbeauftragte David Nabarro, die Abriegelung von Ländern und Volkswirtschaften zu beenden.
Zentralismus ist systematischer Quatsch:
Das Hin und Her kann angesichts großer regionaler Unterschiede bei der Ausbreitung des Virus eigentlich nicht verwundern. In dieser teilweise immer noch ziemlich unklaren Lage ist es deshalb absolut hilfreich, wenn an verschiedenen Orten verschiedene Ansätze ausprobiert werden. Was in der Metropole Berlin wirkt, muss in den ländlichen Teilen Bayerns nicht sinnvoll sein – und umgekehrt.
Verschiedene Lösungen werden versucht, die beste setzt sich durch: Das ist der Grundgedanke der Konkurrenz – und auch des Föderalismus. Dem Ministerpräsidenten Söder allerdings scheint dieser Gedanke des politischen Wettbewerbs suspekt zu sein.
Stattdessen setzt er auf, man kann es kaum anders sagen, infame Angstmacherei. „Wir erleben überall eine Überforderung des Gesundheitssystems. Es wird sogar schon wieder von Triage gesprochen“, hat Söder ernsthaft im ZDF gesagt.
Zur besseren Einordnung dieser Warnung hilft erneut ein Blick auf die Zahlen: Derzeit sind ganze drei (in Zahlen: -3-) Prozent der Intensivbetten in Deutschland mit Corona-Patienten belegt. Das hat Stefan Willich, Direktor des Instituts für Epidemiologie an der Charité Berlin, im Interview mit der Deutschen Welle erklärt.
Er sehe nicht, so das Fazit des Top-Experten, dass das deutsche Gesundheitssystem in absehbarer Zukunft irgendwie überlastet werden könnte. Genau davor, siehe oben, warnt aber unverdrossen Markus Söder.
Wer nur einen Hammer hat, für den ist eben jedes Problem ein Nagel.
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„Zunächst einmal sollte sich jedes Bundesland vor allem um sich selbst kümmern.“
(Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, 14. Oktober 2020)
Entgegen Söders polterndem Rigorismus (und entgegen den Wünschen der Kanzlerin, die sich womöglich auch nicht unbedingt nur an der Volksgesundheit orientiert) sind differenzierte, auch regional verschiedene Maßnahmen der meistversprechende Ansatz.
Andere Ministerpräsidenten, wie Sachsens Michael Kretschmer, sehen das offenbar auch so. Sie wehren sich: gegen Merkel, gegen Söder – und gegen das zentralistische Virus.
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Wunderbarer Artikel. Ganz mene Rede.
Zentralismus ist in etwa das selbe, wie wenn ein Arzt bei einem seiner Patienten die Anamnese durchführt und eine Diagnose stellt und mit dieser einen Diagnose eines einzigen Patienten dann alle anderen Patienten mit dem gleichen Heilungsansatz therapiert.
Machr keinen Sinn. Insbesondere dann nicht, wenn die Therapie bereits beim ersten Patienten versagt.
Was ist das nur mit diesen ältlichen Damen und Herren in der Politik? Nach einiger Zeit an der Macht werden sie unersättlich und größenwahnsinnig, zeigen besorgniserregende Züge von Narzismus und Psychopathie. Das kann man allein mit Wahlkampf nicht begründen.
Und genau deshalb ist es so wichtig, e n d l i c h politische Amtszeiten gesetzlich zu begrenzen.
Es gibt keine beste Lösung für eine Verhinderung weiterer Verbreitung, sondern nur das Entstehen überhaupt zu verhindern. Wenn das nicht mehr möglich, ist sofort eine Verbreitung mit allen verfügbaren Mitteln am direkten Ort zu unterbinden. Inzwischen sollte bereits Klarheit darüber bestehen, wie und wo besonders gefährdete Orte entstehen. Die Verbreiter müssen schnell und konsequent ermittelt und und die Verbreitungswege unmittelbar und brachial unterbrochen werden. Es ist dagegen unsinnig, Mehrheiten völlig Unbeteiligter mit Auflagen und enormen Einschränkungen zu belegen und damit Wirtschaft, Bildung und wichtiges soziales Miteinander grundsätzlich zu gefährden.
Die Gefahr durch den Lockdown im Verhältnis zur Gefahr durch das Virus macht aus einem eigentlichen Witz, nämlich aus der Verballhornung eines berühmten Zitates, jetzt eine erschreckende Realität: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
„Ich plädiere für Einheitlichkeit.“ oder auch die Maske seien Symbol der Freiheit.
Söders Ansatz ist alt. Der Busenfreund der Roten Claudia scheint das Führerprinzip verinnerlicht. Zum Glück läuft außer den Bayern keiner einem „Führer“ mit dem Charisma einer Verkehrsampel hinterher.
Der Föderalismus ist nicht ohne Grund in unserer REPUBLIK. Das hat seinen GRUND und der hat sich auch über 70 Jahre bewährt. Auch wenn das der SED-Mutti, ihren bayrischen Stiefelknecht und der durchdrehenden, auf Videoplattform umschwenkenden BLÖD-Zeitung nicht passt!
Besser 16 Lösungen und 10 davon sind gut, als eine Lösung und die ist schlecht. Und keine gute Lösung ist, wo „Made in Berlin“ draufsteht.
Zitat: “Verschiedene Lösungen werden versucht, die beste setzt sich durch: Das ist der Grundgedanke der Konkurrenz – und auch des Föderalismus.”
… und auch der Evolution. Haette der liebe Gott die Entwicklung des Lebens zentralisiert, standardisiert und harmonisiert, waeren wir immer noch bei der Ursuppe!
Zunächst: Dass Bayern relativ die höchste Anzahl an positiven Testergebnissen und Todeszahlen hat, kann auch daran liegen, dass anders getestet wird als in anderen Bundesländern (andere Grundgesamtheit der Getesteten –> z.B. mehr Menschen mit spezifischen Symptomen werden getestet). Wie dem auch sei, eine Empfehlung für die bayerischen Maßnahmen ist das auf jeden Fall nicht. Zu Söder: Dass er ein FJS-Fan ist/war, kann ich nicht glauben, so wie er argumentiert. FJS war kein Ideologe, sondern intelligenter Pragmatiker zum Wohl des eigenen Volkes, der natürlich die Vorteile der föderalen Handlungsnotwendigkeiten erkannt hätte, ebenso hätte er sich niemals auf ein „Wissenschaftsgremium schlechthin“ bezogen,… Mehr
Ich glaube eher, dass grad wieder ein Bayer sich einzuschleimen versucht bei Erika, äh Angela.
„Die Politik“ hat den Stein der Weisen gefunden. Das Instrument, mit dem sich die Bevölkerungen leicht lenken und gegebenenfalls auch quälen lassen. Wofür die ihren Politikern dann auch noch dankbar sind. Der Stein der Weisen heißt: Umdeklaration. Ein Grippevirus, wie es die Welt jedes Jahr befällt und das jedes Jahr weltweit regelmäßig zwischen 500.000 und 700.000 Todesopfer fordert; ein bisher völlig unbeachtetes, bedeutungsloses Grippe-Virus wurde mit der neuen Bezeichnung „Corona“ oder „Covid19“ oder „SarsCov2“ zur weltweit tödlichen Pandemie-Gefahr hochgejazzt. Nicht nur daß die Symptome und das Mortalitätsrisiko von Covid 19 denen der Grippe derart entsprechen, daß man sie nicht auseinanderhalten… Mehr
Das Problem ist auch hier der Wähler: Er möchte Zentralismus, die *eine* Wahrheit, die einheitliche *Führung*. Merkel und Söder haben das verstanden und richten sich danach.
Richtig wäre natürlich: Dinge unterschiedlich machen. Schon weil man nur so sieht, was funktioniert und was nicht.
„Das Problem ist auch hier der Wähler: Er möchte Zentralismus, die *eine* Wahrheit, die einheitliche *Führung*. Merkel und Söder haben das verstanden und richten sich danach.“ In dem Fall mag das stimmen. Der Wähler möchte diese klare Führung aber nur deshalb, weil er systematisch und bewusst in Panik gehalten wird – in Bezug auf eine Krankheit, von der den Entscheidungsträgern (und informierten Medien) inzwischen bekannt ist, dass sie nicht gefährlicher ist als eine Influenza. Wenn Merkel und Söder sich danach richten würden, was der Wähler mehrheitlich wirklich will, gäbe es nicht: Die höchsten Strompreise der Welt – wegen einer bewusst… Mehr
Ich bin aber auch der Wähler und ich will keinen Zentralismus – schon gar nicht aus Berlin oder München.