Wolfgang Schäuble warnt die CSU vor bundesweiter Ausdehnung

Schäuble erinnert mich, was ich Kinkel 1990 sagte: Das ist die Stunde der Liberalen, alles, was sich in Westdeutschland angesammelt hat, auf den Prüfstand, den Interventionsstaat radikal abspecken und zusammen mit den Reformkräften der DDR neu anfangen.

In einer Art Sommerinterview der Augsburger Allgemeinen mit Bundetagspräsident Wolfgang Schäuble sagt dieser:

„… das Besondere an der CSU ist neben ihrer politischen Schlagkraft ja auch ihre besondere bayerische Identität. Würde sie sich bundesweit ausdehnen, das sagen im Übrigen auch viele in der CSU, würde sie diese Identität ein Stück weit verlieren.”

Da hat der Badener sicher recht. Die CSU würde als bundesweite Partei ihren Charakter verlieren. Mich erinnert es spontan daran, dass die CSU schon mal einen Test, wenn auch in Gestalt eines CSU-Stellvertreters und regional begrenzt, durchführte, mit der DSU: Deutsche Soziale Union. Über sie steht in der CSU-Parteigeschichte (mehr bei der Adenauer-Stftung):

„In Leipzig schließen sich mit Unterstützung der CSU rund ein Dutzend liberal-konservativer und christlicher Parteien und Gruppierungen zur DSU zusammen. Zum ersten Vorsitzenden wird Hans-Wilhelm Ebeling, Pfarrer der Leipziger Thomaskirche, gewählt. Die neugegründete Partei beantragt am 17.6.1990 in der Volkskammer den sofortigen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Als sie sich im April 1993 auf das gesamte Bundesgebiet ausdehnt, kündigt die CSU die Zusammenarbeit auf.”

Die DSU gibt es immer noch, auf ihrer Website steht:

„Aufgrund des Einigungsvertrages konnte die DSU am 3. Oktober 1990 acht Volksvertreter in den Deutschen Bundestag entsenden … Die acht DSU-Volksvertreter blieben bis zum Ende der 11. Wahlperiode Mitglieder des Bundestags. … Um den Einzug der noch jungen DSU in den Deutschen Bundestag zu sichern, gab es seitens der CSU unter ihrem damaligen Vorsitzenden Theo Weigel Bestrebungen, der DSU drei sichere Wahlkreise der CDU zu überlassen. Der damalige Bundeskanzler Kohl hat dieses Vorhaben unterbunden. Auch verbot Kohl der CSU die DSU weiterhin zu unterstützen, wodurch die geplante Ausdehnung auf das gesamte Bundesgebiet unterblieben ist.”

Die Suche nach neuen Gruppierungen hatte in der Zeit damals durchaus begonnen, wurde aber durch die Einvernahme der DDR durch die BRD abgewürgt. Wiedervereinigung ist keine zutreffenden Bezeichnung des DDR-Beitritts zur BRD. Den damals üblichen Ersatz-Begriff für DDR haben die meisten schon vergessen: „Beitrittsgebiet”.

In meinem Buch über die FDP (2004) steht, dass mich deren damaliger Bundesvorsitzender Klaus Kinkel – zusammen mit Schäuble „Verhandlungsführer“ der BRD – überhaupt nicht verstand, als ich sagte: Das ist die Stunde der Liberalen, alles, was sich in Westdeutschland angesammelt hat, auf den Prüfstand, den Interventionsstaat radikal abspecken und zusammen mit den Reformkräften der DDR neu anfangen, eingebettet in eine breite Debatte des ganzen Volkes, Ost und West, mit dem Abschluss einer Volksabstimmung über eine neue schlanke Verfassung der wenigen Grundregeln einer wirklich freien Gesellschaft.

In der Sommerzeit, bevor es ganz heiß wird, beim Wetter und in der Politik, wird sich so einer wie ich ja nochmal erinnern dürfen. Schadet vielleicht gar nicht.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 52 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

52 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Beat.Buenzli
6 Jahre her

Ist das bei Schäuble wirklich eine ehrliche Mahnung aus Angst, dass die CSU Schaden nehmen könnte oder geht es nicht viel mehr darum, dass die CDU erhebliche Einbußen hinnehmen müsste, das Thema größte Fraktion wäre dann erledigt. Grundsätzlich wäre ich nicht überrascht, wenn die CSU bundesweit mehr als 15% bekäme. Aber Söder hat die Basis mit dem Verkauf der 100.000 landeseigenen Wohnungen an einen Privatinvestor so verärgert, dass er bangen muss zu überleben. Viele sprechen von gezielten Lügen und Betrug am Parlament, weil er unbedingt den Deal von den Ferien durchpeitschen wollte, damit nach den Ferien niemand mehr davon spricht… Mehr

horrex
6 Jahre her

DIE Chance beim „Beitritt“ wurde leider vertan.
Aber vielleicht ergibt sich Sept. 19, wenn in Sachsen gewählt wird, etwas wenigstens ein wenig Vergleichbares. Wenn sich herausstellt – wie ich neulich hier lernen durfte – eine Regierungsbildung ohne Beteiligung der AfD unmöglich wird. –
Das KANN ein Katalysatur für die BRD werden.

Bernd Blau
6 Jahre her

Neben der CSU mit Blick auf die DSU hat nach 1990 vor allem auch die FDP große Chancen in Gesamtdeutschland versäumt, als sie Personal und Strukturen der LDPD schluckte, ohne etwas daraus zu machen. Ganz im Gegenteil: die „Ossis“ galten der feinen, kosmopolitischen westdeutschen FDP als zu bodenständig, in gewisser Weise auch zu nationalliberal wie Minister Ortleb. Bei den Delegiertenschlüsseln und Postenvergaben in der vereinten FDP hat man das die LDPD-ler spüren lassen, so dass sich sehr viele von ihnen resigniert von dieser Partei abwandten und von den ursprünglich 100000 Mitgliedern bald fast nichts mehr übrigblieb. Die Schwäche der FDP… Mehr

Klara
6 Jahre her

Damals waren die regierenden Westdeutschen zu sehr damit beschäftigt die DDR, insbesondere Vermögenswerte, abzuwickeln. Besonders blöd haben sich die Behörden und Politiker angestellt, weil sie alles, was DDR Ursprung hatte, als wertlos bezeichneten. So kam es daß Unternehmen von der „Treuhand“ für eine DM verscheuert wurden und kurze Zeit später als Privatunternehmen richtig viel wert waren. Das hat Ost- und Westdeutsche gleichermaßen betroffen, weil das Vermögen eben nicht für den Wiederaufbau oder Rentenkassen zur Verfügung stand. Leider hat das soviel politische Kapazität gebunden, daß solche Vorschläge wie sie sie gemacht haben nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Obwohl es einige… Mehr

CW
6 Jahre her

Ehemalige CSU-Wähler, die es satt hatten verarscht zu werden („Herrschaft des Unrechts“ anprangern, aber Organklage als Bundesland zu unterlassen), werden wohl auch künftig nicht mehr CSU wählen! Dazu ist die Enttäuschung zu groß. Wenn die CSU ihre absolute Mehrheit dauerhaft verlieren wird, was ich annehme, dann könnte eine Ausdehnung auf die ganze BRD die einzige und letzte Chance sein in der Bundespolitik noch eine wichtige Rolle zu spielen. In dem Fall läge die CDU alleine bei unter 20%. Dadurch, dass immer CDU/CSU bei Wahlen und Umfragen vermengt werden, übersieht man leicht, dass die CSU bei der BTW 2017 bundesweit 6,2%… Mehr

usalloch
6 Jahre her

Eine Ausdehnung auf ganz Deutschland könnte die CSU, wenn überhaupt nur unternehmen, wenn sie einen charismatischen Mann wie F.J. Srauß besässe. Das Hauptproblem besteht allerdings , das ihr die Klasse und Manpower fehlt. Wer heuert denn auf einem „Totenschiff“ an?

lomes
6 Jahre her

„Schäuble warnt“? Er sollte sich besser um das Geld kümmern,das er in Milliarden ins Ausland verschoben hat. Das war nämlich nicht seines. Das waren unsere Renten.

Schwabenwilli
6 Jahre her

Warum soll eine Bundesweite CSU nicht funktionieren?. Wenn alle Landesverbände nur locker zusammengeschlossen wären mit viel individueller Freiheit,ohne das strikte Überregime einer Bundes CSU könnte die Bayern Identität auf die Eigenarten der jeweiligen Bundesländer angepasst werden.

Beat.Buenzli
6 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Dann dürfte der Landesverband Bayern nur ein Landesverband von vielen sein und nicht der heimliche Bundesverband, ob das im Sinne Söders ist, man weis es nicht.

Johann Thiel
6 Jahre her

Wieviele Mitglieder der Ost-CDU sind nach der Wiedervereinigung eigentlich bei der CDU/CDU gelandet und wie hat sich deren Mitgliederzahl dadurch verändert. Für eine Information wäre ich sehr dankbar da ich darüber nirgens etwas finden kann.

Alf
6 Jahre her

…Würde sie sich bundesweit ausdehnen, das sagen im Übrigen auch viele in der CSU, würde sie diese Identität ein Stück weit verlieren.” Da ist die CDU schon weiter. Die CDU hat ihre Identität bereits verloren. ADM und W. Schäuble haben ganze Arbeit geleistet.