Wissing wettert gegen E-Fuel-Verbrenner – und dann doch wieder nicht

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat mit seiner Warnung vor dem Kauf von Verbrenner-Autos seine Parteilinie zugunsten des grünen Koalitionspartners brüskiert. Innerhalb weniger Stunden ruderte er dann im Bundestag wieder zurück.

IMAGO / Political-Moments
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Bundestag am 13. Januar 2022

Eine Sensation war das, was Bundesverkehrsminister Volker Wissing dem Tagesspiegel Background sagte: „Wenn man sich die EU-Regulierung anschaut, sieht man, dass die Entscheidung für die E-Mobilität längst gefallen ist.“ Und weiter: „Wir müssen die verschiedenen Energieträger dort einsetzen, wo sie am effizientesten sind. Das ist beim Pkw der E-Antrieb“, erklärte er. Ziel sei es, dass 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw zugelassen sind. Die E-Fuels würden vor allem für den Luftverkehr benötigt. Zugleich warnte der Verkehrsminister die Verbraucher, weiter auf Verbrenner zu setzen: „Die Nutzung fossiler Kraftstoffe wird in Zukunft teurer werden. Deshalb kann ich nur dazu raten, auf CO2-neutrale Antriebe umzusteigen.“ Gleichzeitig solle dafür gesorgt werden, dass das Laden mit regenerativem Strom bezahlbar bleibe.

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Eine Sensation also vor allem für Gegner der Verbrennerautos und streitbare Befürworter der Elektromobiliät, die im Minister plötzlich einen Verbündeten aus dem bis dato völlig anderen Lager wähnen konnten. Denn damit setzt sich Wissing von der Position ab, die seine Partei lange vertreten hat, zuletzt im Bundestagswahlkampf. Die Liberalen sprachen sich für synthetische Kraftstoffe – sogenannte E-Fuel – auch bei Pkw aus. Im Koalitionsvertrag findet sich ebenfalls eine entsprechende Passage: Demnach könnten Autos mit Verbrennungsmotor langfristig eine Zukunft haben, sofern sie mit E-Fuel betankt werden.

Nun schwenkt Wissing, der als Generalsekretär der FDP bei den Koalitionsverhandlungen führend dabei war, auf die Linie der Grünen ein. So konnte man nach den Aussagen des Verkehrsministers meinen.

Doch dann kurz darauf doch wieder ein Rückzieher. Offenbar hagelte es empörte Kritik nicht nur von der AfD und der Union, sondern, was für Wissing entscheidender sein dürfte, von der Autoindustrie und E-Fuels-Branche, wie der Tagesspiegel weiter berichtete. Am Abend trat Verkehrsminister Wissing dann vor die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, um seine Pläne für die nächsten vier Jahre zu erklären. Und da hörte sich das Ganze völlig anders an.

Die E-Mobilität sei „zur Einhaltung der Klimaschutzziele ein wichtiger Baustein“, aber: „Gleiches gilt auch für strombasierte Kraftstoffe – eFuels. Nicht nur im Flugverkehr, auch im Schiffsverkehr, bei den Nutzfahrzeugen und natürlich auch in den Bestandsflotten der Pkw. Jeder Beitrag zur CO2 Reduktion ist wichtig. Mobilität muss sich auch in Zukunft technologieoffen weiterentwickeln. Verfügbare Technologie zu nutzen darf daher nie heißen, ein Verbot neuer Technologien auszusprechen. Mobilität ist vielfältig, deswegen können wir nicht alles auf einen Antrieb umstellen.“

Sieg der Vernunft in Wolfsburg
Wie VW sich still von der reinen Elektrostrategie verabschiedet
Woher diese Meinungsspaltung rührt, ist nicht bekannt. Wenig seriöse Quellen glauben sogar, ausgerechnet der grüne Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck habe interveniert, weil er schon den laufenden Strombedarf der Wirtschaft in den nächsten Jahren nur mit höheren Importen von „schmutzigem“ Kohle- und Atomstrom aus dem Ausland decken könne. Geschweige denn auch noch einen wachsenden Bestand an zusätzlichen Elektroautos mit grünem Strom versorgen könne. 

Es könnte aber auch sein, dass er sich zwischen beiden Aussagen einfach mal informiert hat über die Positionierung der deutschen Autoindustrie, nicht zuletzt Volkswagen, in dieser Frage. In Wolfsburg nämlich hat man sich mit wenig öffentlichem Aufsehen von der reinen Elektrostrategie verabschiedet und ist wieder auf eine Linie der automobilindustriellen Vernunft eingekehrt, zu der auch weiterhin Verbrennungsmotoren (mit E-Fuel) gehören. Die Vorzeichen, dass es dabei auch in den nächsten Jahren bleiben wird, stehen nicht ungünstig.

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Kommentare ( 39 )

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F. Hoffmann
2 Jahre her

Wissing ist amoralisch und karrieregeil, also der Prototyp des „modernen“ (nicht nur) FDP-Politikers. Mit seinem Amt als Bundesminister hat er den Höhepunkt dessen erreicht was für ihn politisch möglich ist, dies gilt es zu bewahren. Daraus lässt sich im Anschluß sicherlich noch ein Versorgungspöstchen generieren und gut ist‘s. Dafür ist man doch gerne „flexibel“.

Juergen Waldmann
2 Jahre her

Alexander Grau sagt :Ein liberaler Rechtsstaat zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass er nicht alles macht, was er machen könnte – nur weil es unter Umständen sinnvoll wäre. Er lässt seine Bürger rauchen und trinken, auch wenn ein anderes Leben gesünder wäre. Er zwingt Fahrradfahrer nicht unter Radhelme, nur weil das Menschenleben retten könnte. Und er ergreift nicht alle denkbaren Maßnahmen zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit. Der liberale Rechtsstaat wertet die Freiheit des Einzelnen höher als den möglichen Nutzen für irgendeine Gruppe oder die Gesamtgesellschaft. Im Idealfall handelt der liberale Rechtsstaat minimalinvasiv. Das bedeutet: Er greift gerade so weit… Mehr

Sonny
2 Jahre her

Sollen diejenigen, die mit einem Fahrzeug für eine begrenzte Reichweite und höchst langen Ladezeiten zufrieden sind, sich ein E-Fahrzeug zulegen. Warum nicht? Aber die gesamte Menschheit dazu per Gesetz zu zwingen, einen Antrieb zu wählen, der sie in ihrer persönlichen freiheitlichen Mobilität derart einschränkt, ist schlichtweg Idiotie. Zumal die E-Fahrzeuge alles andere als klimaneutral sind. Da können wir auch gleich wieder die Pferdekutschen einführen. Den Versuch mit den Lastenfahrrädern würde ich ähnlich einordnen. Back to the Mittelalter, jawoll. Das nenn´ ich mal eine gekonnte Demonstration von durchgeknallter Polit-Ideologie. Hauptsache gegen Menschen und für – na was eigentlich? Die Natur? Ich… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Sonny
Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Im November hat der neue Chef von EON, Herr Birnbaum, glasklar verkündet, dass er künftig ganzen Städten bei Strommangel einfach den Saft abdrehen wird. Daher werde ich mir kein Elektroauto kaufen. Die Spritkosten sind mir inzwischen egal, mir geht es darum, überhaupt noch fahren zu können. Ein Auto, das ich nicht jederzeit betanken kann, nützt mir nichts.

Tacitus
2 Jahre her

Herr Wissing setzt offensichtlich auf Kontinuität und ‚keep going‘. Er erweist sich als ‚würdiger‘ Nachfolger von Herrn Scheuer.

Robert Ballhaus
2 Jahre her

Politik in Deutschland ähnelt mittlerweile einem Tollhaus. Der pure Wahnsinn.

Sterling Heights
2 Jahre her

Kürzlich sprach Herr Doktor Wissing von „Bundeskanzler Olaf Schmidt“. Wahrscheinlich wird mir Herr Scheuer fehlen. Fachlich hat mich Herr Wissing bisher nicht überzeugt, aber da steht er nicht alleine…

Old-Man
2 Jahre her

Wir werden noch sehr viele „Wendungen“ bei den Regierungsvertretern erleben, die einen „Wenden“, weil sie keinerlei Ahnung vom vorher daher Geplapperten haben, die anderen, weil ihnen aufgefallen ist, dass dummes Zeug verbreiten und dann auch noch zu vertreten ein sehr hartes Brot werden kann. Dass gerade Vertreter aus der FDP im Moment vorne liegen, mag da nur nebensächlich sein, die anderen aus der „Truppe“ Transformation werden sehr schnell Schlag auf Schlag folgen. Warten wir einmal den „Krimi“ Impfpflicht ab, da werden wir uns noch verwundert die Augen reiben, denn wer sich im Lügenkostüm verstrickt hat, der braucht schon eine stabile… Mehr

caesar4441
2 Jahre her

deswegen können wir nicht alles auf einen Antrieb umstellen.““
Man darf Lastenfahrräder und Eselskarren nicht vergessen.
Und in Wolfburg ist Diess demontiert worden.Deshalb kann man dort auch wieder Verbrenner bauen,die sehr wichtig werden wenn die E-mobilität am Strommangel und den Kosten zusammenbricht.Der Betriebsrat ist dort immer noch sehr mächtig.

Franz Grossmann
2 Jahre her

Vor seiner Zeit als Bundesverkehrsminister und FDP Generalsekretär war Volker Wissing Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz. Viele Menschen in Rheinland-Pfalz und Ludwigshafen wissen, dass er sich speziell für die Verkehrsprobleme durch die maroden Hochstraßen in Ludwigshafen für nicht zuständig erklärt hat.