Wissenschaftliche Dienste des Bundestages: „2G-Regel“ ist verfassungsrechtlich bedenklich

Immer mehr Politiker sprechen sich dafür aus, dass Ungeimpfte auch mit tagesaktuellem, negativem Testergebnis von Teilen des öffentlichen Leben ausgeschlossen werden könnten. Doch die Maßnahme ist höchst fraglich - das zeigt auch ein Gutachten aus dem Bundestag, das TE vorliegt.

IMAGO / Political-Moments

Die sogenannte 2G-Regel wird aktuell heiß diskutiert – dieser zufolge sollen Ungeimpfte selbst mit negativem Corona-Testergebnis nicht mehr an bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens teilnehmen dürfen. Aufgebracht wurde die Idee in einem Maßnahmenpapier der Bundesregierung von Anfang August (TE berichtete). Bundeskanzlerin Merkel und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder versuchten, eine entsprechende Regelung dann auch auf der Ministerpräsidenten-Runde vor gut zwei Wochen durchzusetzen.

Bundesweit kamen die zwei Scharfmacher damit zunächst nicht durch, doch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher führt die Regel jetzt in Hamburg optional ein. Andere Bundesländer könnten folgen – und auch der Bund dürfte den Versuch bald wieder starten.

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Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages melden nun erhebliche Bedenken an. In einem Gutachten, dass TE vorliegt, nimmt man eine rechtliche Bewertung des „Ausschlusses Ungeimpfter von Veranstaltungen und in der Gastronomie“ vor. Die 2G-Regel stelle für Ungeimpfte einen „schwerwiegenden Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit dar“ heißt es in dem Papier. Auch die Berufsfreiheit der Veranstalter und Gastronomen wird berührt.

Zwar wird keine abschließende Bewertung der Verfassungsmäßigkeit vorgenommen, insbesondere die notwendige Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme wird aber bezweifelt. „Sollten jegliche Veranstaltungen sowie die ganze Innengastronomie von einer sogenannten 2G-Regelung erfasst sein, wird es ungeimpften Personen in erheblichem Maße erschwert, am sozialen und kulturellen Leben teilzunehmen“ heißt es. Die Einschränkungen dürften angesichts der „Schwere des Eingriffs einer hohen Rechtfertigung bedürfen.“

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Eine Rechtmäßigkeit wäre nur unter bestimmten epidemischen Bedingungen denkbar, für die auch „Krankheitsschwere, Auslastung der Intensivstationen, COVID-19-Hospitalisierungsrate sowie die Impfquoten“ berücksichtigt werden müssten. Bleibt das Infektionsgeschehen etwa regional beschränkt, „dürfte es nicht mehr verhältnismäßig sein, allen Ungeimpften die Teilnahme an Veranstaltungen und den Besuch in geschlossenen Räumen allein aufgrund des Inzidenzwertes generell zu untersagen“. Im Papier wird auch die erforderliche, klare Befristung einer solchen Maßnahme hervorgehoben. Eine quasi provisorische, grundsätzliche 2G-Strategie dürfte demnach klar verfassungswidrig sein – genau das wird in Hamburg aber de facto aktuell eingeführt und entspricht den Vorstellungen so mancher Politiker. Und es wäre nicht das erste Mal, dass Merkel im Dienste des Zeitgeists dem Gegenteil eines Gutachtens der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages folgt.

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Kommentare ( 76 )

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Put1200
3 Jahre her

Was ich mich immer frage: Wer gilt denn alles als „Ungeimpft“ und wird dann auch bei Einlieferung ins Krankenhaus so geführt („vor allem Ungeimpfte werden eingeliefert“)? Eine potentielle Liste:

  • Personen nach der 1. Impfung
  • Personen nach der 2. Impfung (weniger als 2 Wochen her, z.B. direkt nach der Impfung umgekippt)
  • Genesene (teilweise nur positiv getestet, bei (wiederholter) Erkrankung de facto auch nicht geimpft)
  • Tatsächlich nicht gegen Corona-Geimpfte
  • Personen mit nicht erfasstem Impfstatus?

Genau diese Zählweise wird m.E. die Krankenhaus-Zahlen für diese 2G-Regeln liefern.

Last edited 3 Jahre her by Put1200
Politkaetzchen
3 Jahre her
Antworten an  Put1200

Schon damals wurden die Krankenhauszahlen mit viel heißer Luft aufgeblasen, warum sollte es nicht erneut geschehen?

Manuela
3 Jahre her

„Eine Rechtmäßigkeit wäre nur unter bestimmten epidemischen Bedingungen denkbar, für die auch „Krankheitsschwere, Auslastung der Intensivstationen, COVID-19-Hospitalisierungsrate sowie die Impfquoten“ berücksichtigt werden müssten.“ Auch das werden diese schmutzigen Politiker noch hinbiegen. Der Bettenabbau wird mit riesigen Schritten vorangetrieben. Mehr als 5000 sind es schon. Da ist es doch ein Leichtes, die paar verbliebenen Betten (dann wohl mit zweifach Geimpften – aber auch das werden sie drehen und wenden) voll zu kriegen. Und die Deutschen werden mit großen angsterfüllten Augen gebannt vor der Glotzkiste sitzen, sich zu Tode fürchten und diesen „Machern“ Beifall klatschen. Geschichte wiederholt sich nicht? Doch, das tut… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Manuela
Maja Schneider
3 Jahre her

Die Mehrheit der Bürger begrüßt diese angestrebten Schritte in die Diskriminierung offensichtlich und damit die weiteren in den Totalitarismus, das ist mehr als erschütternd und dazu noch geschichtsvergessen. Die angeblich doch so sicheren Geimpften, die laut vielen wahrhaft ernstzunehmenden Studien allerdings genauso Überträger sind und selbst krank werden können, haben Angst vor gesunden und negativ getesteten Ungeimpften und vertiefen die Risse in der Gesellschaft damit noch, Freundeskreise zerbrechen und Familien fallen auseinander, weil die Toleranz und das Verständnis für andere Meinungen und selbstbestimmtes, selbstverantwortliches Handeln fast verlorenen gegangen sind und der Inhalt des Grundgesetzes ohnehin nur noch eine sehr untergeordnete… Mehr

Politkaetzchen
3 Jahre her
Antworten an  Maja Schneider

Wohl wahr. Der wahre Charakter der Menschen zeigt sich erst in totalitären Systemen. Wer zu Zeiten von Hitler oder der DDR ein Mitläufer, glühender Denunziant, Selbsttäuscher oder Widerstände gewesen wäre, erkenne ich jetzt und es erschreckt mich.

Howard B.
3 Jahre her

„Krankheitsschwere, Auslastung der Intensivstationen, COVID-19-Hospitalisierungsrate sowie die Impfquoten“ Diese Parameter sind weitgehend abhängig von der Definition und den gewählten Grenzwerten. Die Corona-Regierung dürfte sich hierbei zu helfen wissen. Und die geforderte Befristung? Nun, die epidemische Lage von nationaler Tragweite zeigt, wie man dies „elegant“ umgehen kann. Einfach befristen und verlängern. Solange die Justiz dysfunktional in diesen Fragen ist, dürfte sich die Absicht, die Impfnötigung und Erzwingung von absolutem Gehorsam mittels 2G zu erhöhen, kaum verhindern lassen. Bisher war es der Fall, dass die Corona-Regierung bekommen hat, was sie rechtlich und verwaltungstechnisch wollte. Dies dürfte sich fortsetzen. Insbesondere auch, da sich… Mehr

Hippokrates
3 Jahre her

„2G“ ist doch nichts Neues, in Südafrika nannte man das Apartheid.

Howard B.
3 Jahre her
Antworten an  Hippokrates

Apartheid mit einem Unterschied, der nicht ganz unwesentlich ist. Während man die „biologische“ bzw. ethnische Zugehörigkeit“ nicht so einfach ändern kann, ist dies beim Impfstatus relativ einfach. Daher ist 2G oder 1G (oder auch 3G) ein Druckmittel, um absoluten Gehorsam zu erzwingen. Unterwirft sich eine Person der Impfung, wird sie auch den Rest „schlucken“ an freiheitseinschränkenden Maßnahmen mit Kontrolle und Überwachung. Sie ist ja nun angeblich nicht mehr in dem Maße betroffen, wie dies die „Ungeimpften“ sind.

Last edited 3 Jahre her by Howard B.
TE_Kritik
3 Jahre her
Antworten an  Howard B.

Sie irren. Was hier vorliegt ist Apartheid in „Reinkultur“.

Der „PCR-Test auf Corona“ ist nichts anderes als ein Gen-Test. Damit werden Menschen eingeteilt in „diejenigen die diese Gene haben“ und „diejenigen die diese Gene nicht haben“. Also rein biologische Zugehörigkeit.

Das Gleiche gilt für die Impfung. Die mRNA-Impfung gegen „Corona“ führt eine Genveränderung in den Menschen durch. Mit der Imfpung werden Menschen eingeteilt in „diejenigen die diese Gene haben“ und „diejenigen die diese Gene nicht haben“. Also rein biologische Zugehörigkeit.

Das ist Apartheid, Rassismus und Hexenverbrennung.

Trivium
3 Jahre her

Also wenn ich das jetzt recht verstanden habe : in Hamburg dürfen Hunde ins Restaurant, ungeimpfte gesunde Menschen aber nicht???!!!

Rickthorsen
3 Jahre her

Meine Theorie ist folgende: Das BVG weiß, dass es bei einer Beurteilung, alle Maßnahmen als verfassungswidrig ausweisen müsste. Man wartet mit dieser Beurteilung jedoch, um die Impfquote zu erhöhen. Dass das BVG so agiert, wird an politischer Einflussnahme liegen.

hoho
3 Jahre her
Antworten an  Rickthorsen

Kann sein. Kann aber auch sein dass der Merkel gewählte Chef dieser Verbrecherbande ist nicht ganz sicher ob alle tatsächlich 100% loyal sind. Ich bin kein Rechtsbelehrte deshalb vlt irre ich mich aber es kann sein dass so ein Debakel wie in Weimar sich auf diesem Ebene nicht so einfach korrigieren lässt. Deshalb sicher ist sicher – besser gar nicht zulassen. Da kann das Problem gar nicht entstehen.

fatherted
3 Jahre her

Wieso….da sitzen doch jetzt die „richtigen“ Richter…also was soll da denn schief gehen. Wahrscheinlich hat der Wissenschaftliche Dienst das noch nicht auf dem Schirm…..sollten sie mal zur Kenntnis nehmen…da geht auch noch viel mehr.

Conradp
3 Jahre her

Man darf darauf wetten, daß selbst dann, wenn nur mehr Geimpfte am sogenannten öffentlichen Leben teilnehmen dürfen, das sich ständig mutierende Coronavirus weiterverbreiten würde. Berichte aus Israel und Großbritannien legen den Schluß nahe, daß auch Durchgeimpfte sich ihres Impfschutzes nicht sicher sein können, weil deren etlich mit Corona im Krankenhaus liegen. Den Scharfmachern in der Politik geht es wohl ohnehin weniger um die Gesundheit des deutschen Volkes als um die Erfüllung einer Impfquote; denn zu erkennen, ob eine solche erfüllt ist oder nicht, überfordert weder die Phantasie noch das Vorstellungsvermögen dieser Nomenklatura.

Oblongfitzoblong
3 Jahre her

Die Randbedingungen zur Einführung der G2 Regelung werden doch gerade konstruiert! Neben der blödsinnigen Inzidenzzahl soll doch die „Belastung“ des Gesundheitssystems betrachtet werden, über deren Kriterien nichts bekannt ist. Dass bei diesen Überlegungen die propagandistische Grundbehauptung steht, dass ein Ungeimpfter automatisch ein Superspreader ist, ist offensichtlich. Daraus folgen aber die Hassorgien, mit denen die Ungeimpften seit einiger Zeit bedacht werden. Darüber hinaus muss man bedenken, dass G2 im Grunde G1 bedeutet, da Genese nach einem halben Jahr als Ungeimpfte gelten! Also müssen sich diese Menschen ebenfalls impfen lassen. Ein neues Problem für die Politik!

Julischka
3 Jahre her
Antworten an  Oblongfitzoblong

Aber auch das „Impfzertifikat“ ist nicht lebenslänglich gültig.Das wird spannend, denn ich kenne viele, die sich kein drittes mal impfen lassen werden! Sagen sie zumindest!