Wer jetzt bei der Präsidentenwahl in erster Linie auf die Migrationshintergrund-Muslim-Karte setzt, muss sich fragen lassen, ob er Reaktionen der AfD provozieren will, um sich dann als demokratische Feuerwehr zu profilieren?
Deutschland sucht den Super-Präsidenten. Die Grünen wollen auch mal einen/eine der Ihren im Schloss Bellevue sehen. Dafür spricht, dass sie als einzige Partei noch nie zum Zuge gekommen sind. Allerdings: Die Sozialdemokraten, die die Geschicke dieses Landes viel länger mitbestimmen als die Ökopartei, haben auch erst zwei von elf Präsidenten stellen können: Gustav Heinemann und Johannes Rau.
Sei’s drum. Da es (noch) keine Parteien-Quote bei der Besetzung wichtiger Ämter gibt, haben die Grünen zwei andere Kriterien eingeführt – Frau und „Migrationshintergrund“. Was bei dieser Quoten-Partei nicht überrascht. Schon eher verwundert, dass sich noch niemand aus dem multikulturell-gutmenschlichen Spektrum für einen Repräsentanten anderer, angeblich so schrecklich benachteiligter Gruppen im höchsten Staatsamt ausgesprochen hat. Wäre es nicht auch einmal höchste Zeit für einen schwulen Präsidenten, eine lesbische Präsidentin, für einen dank der Hautfarbe ausgewiesenen Nicht-Biodeutschen oder für einen Transgender-Präsidenten? Wäre nicht eine lesbische, farbige und muslimische Frau mit Migrationshintergrund die ideale Besetzung, „verheiratet“ mit einer Transgender-Frau?
Über all den Quoten-Unsinn darf herzlich gelacht werden, wenn auch nicht zu laut. Schließlich gilt unter der Reichstagskuppel: „Nichts ist unmöglich“. Hat nicht der noch amtierende Joachim Gauck vor drei Jahren selbst laut über bisher nicht angewendete Auswahlkriterien nachgedacht? Gauck damals:
„Warum sollte es also eines Tages nicht auch eine Bundespräsidentin oder einen Bundespräsidenten geben, die oder der mit eigener Zuwanderungsgeschichte die gewachsene Vielfalt unseres Landes verkörpert?“
Ja, warum eigentlich nicht? Natürlich wird es auch einmal einen Bundespräsidenten mit ausländischen Wurzeln geben. Fragt sich nur, ob heute schon „eines Tages“ ist. Denn wir leben in politisch bewegten Zeiten und in einer angespannten Atmosphäre. Dazu tragen bei: die unkontrollierte, ungesteuerte Zuwanderung des vergangenen Jahres, die Tatsache, dass in den ersten fünf Monaten dieses Jahres bereits mehr Flüchtlinge und illegale Migranten gekommen sind als im ganzen Jahr 2014, die Ungewissheit, ob die Integration so vieler Zuwanderer in so kurzer Zeit überhaupt gelingen kann. Hinzu kommt, dass mit der AfD eine neue Partei mitmischt, die berechtigte Skepsis, latente Fremdenfeindlichkeit und offenen Rassismus in der Bevölkerung so geschickt bedient, dass die „großen“ Volksparteien von einst zusammen kaum noch jeden zweiten Wähler von sich überzeugen können.
Wer in dieser Situation „Migrationshintergrund“ oder gar „Muslim mit Migrationshintergrund“ zum entscheidenden Kriterium für die Auswahl des nächsten Präsidenten oder der ersten Präsidentin macht, der betreibt letztlich das Geschäft der Rechtspopulisten, Rechtsradikalen und Rassisten. Wer jetzt bei der Präsidentenwahl in erster Linie auf die Migrationshintergrund-Muslim-Karte setzt, der treibt verunsicherte Wähler in Scharen zur sich gerne völkisch gebärdenden AfD. Ob manche aus dem rot-rot-grünen Milieu jetzt bewusst zündeln, um sich dann als demokratische Feuerwehr zu profilieren? Wie gesagt: Im Schatten des Reichstags ist eben nichts unmöglich.
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