Niemand aus einer wirklich sehr breiten Allianz meint, Urheber von Inhalten bräuchten nicht vergütet zu werden. Jeder tritt für den Schutz von geistigem Eigentum ein. Nur eben nicht für dieses EU-Gesetzeswerk.
Erstens. Wer spricht sich gegen das EU-Urheberrecht aus?
Es gibt eine sehr große Koalition gegen das Urheberrecht, das das EU-Parlament am Dienstag mit 348 zu 274 Stimmen verabschiedete. Das Bündnis der Gegner reicht von dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber, dem Sonderberichterstatter für den Schutz der Meinungsfreiheit der UN David Kaye und Sascha Lobo bis hin zur digitalpolitischen Sprecherin der AfD Joana Cotar.
Niemand aus dieser wirklich sehr breiten Allianz meint, Urheber von Inhalten bräuchten nicht vergütet zu werden. Jeder tritt für den Schutz von geistigem Eigentum ein. Nur eben nicht für dieses EU-Gesetzeswerk.
2. Was will das neue Urhebergesetz?
Die große Koalition gegen die Urheberrechtsreform richtet sich vor allem gegen den Zwang für Internetmedien, so genannte Uploadfilter zu benutzen, um die öffentliche Verfügbarkeit von nicht lizensierten Inhalten zu verhindern. In Zukunft sollen nach Artikel 11 des neuen Urheberrechts alle Internetplattformen für die Verbreitung rechtlich geschützter Inhalte haften – also Verbreitung von Texten, Bildern, Videos, Logos, die jemand etwa bei Facebook oder Youtube hochlädt oder auf einer journalistischen Seite zitiert, sie einbettet, satirisch verfremdet oder parodiert. Das gilt für alle Inhalte, sofern es sich um „mehr als einzelne Worte oder sehr kleine Auszüge“ handelt. Die Betreiber sind verpflichtet, vorab zu klären, bei wem die Rechte von möglicherweise urhebergeschütztem Material liegen. Dann soll der Nutzer, der entsprechendes Material verwenden will, eine Lizenz erwerben.
Artikel 17 (in einem früheren Entwurf Artikel 13) verpflichtet alle kommerziellen Plattformen mit Ausnahme von StartUps und kleinen Anbietern bei hohen Geldstrafen, „wirksame und verhältnismäßige Maßnahmen“ („effective and proportional measures“) zu ergreifen und die „bestmöglichen Anstrengungen“ („best efforts“) zu unternehmen, um die öffentliche Verfügbarkeit von Inhalten zu verhindern, falls jemand keine Lizenz erwerben will oder keine erhält. Der Artikel 17 (und das gesamte EU-Urheberrecht) erwähnt zwar Uploadfilter nicht explizit. Aber sie wären das einzige technische Mittel, mit dem sich Plattformen vor Strafen schützen könnten.
Unter Uploadfiltern versteht man ein System, das Informationen über Inhalte aller möglichen Art und der entsprechenden Rechte vorhält, diese Daten mit Inhalten abgleicht, die neu publiziert werden, und das Hochladen verhindert, wenn die Lizenz fehlt.
3. Worin besteht das Problem?
Allein auf Facebook laden Nutzer 2.000 Bilder hoch – pro Sekunde. Dass Plattformen tatsächlich vorab klären können, wer welche Rechte an Texten und Bildern hält, ist illusorisch. Zumal es auch schwierig ist, zwischen noch aktiven und abgelaufenen Rechten abzugrenzen. Es gibt zwar einen relativ gut funktionierenden Filter namens PhotoDNA von Microsoft. Doch der dient nur einem sehr eng begrenzten Zweck: Er verhindert, dass bereits bekanntes kinderpornografisches Material erneut hochgeladen wird. Es geht also erstens um sehr viel weniger Daten. Und eine Frage spielt bei PhotoDNA keine Rolle, bei den allgemeinen Inhalten ist sie allerdings die entscheidende überhaupt: Wo verläuft die Grenze für „sehr kleine Auszüge“? Wie weit reicht das Urheberrecht, wenn Bilder, Videos oder Logos verfremdet oder in einen neuen Zusammenhang eingebettet werden? Viele Facebook-Nutzer kennen so genannte Memes: Da wird etwa das Bild eines Prominenten oder CDU-Wahlplakat mit Angela Merkel satirisch abgewandelt, das Titelblatt einer Illustrierten parodiert, ein Filmausschnitt oder -Still benutzt.
Viele journalistische Seiten im Netz arbeiten mit diesem Stilmittel, etwa Achse des Guten oder Publico. Entsteht dadurch ein eigener neuer Inhalt? Sind trotzdem Rechte berührt? Selbst große Plattformen können das angesichts der Masse von Inhalten, siehe oben, nicht klären, zumal die Rechtslagen von Land zu Land unterschiedlich ausfallen. In der Praxis dürfte es also darauf hinauslaufen, dass Plattformen alle Inhalte mit auch nur potentiellen Rechteverletzungen blocken, um sich dadurch vor Strafzahlungen zu schützen.
Uploadfilter laden geradezu dazu ein, die Verbreitung von missliebigen Inhalten im Netz zu stoppen oder wenigstens stark zu behindern. Ein wahlkämpfender Minister verplappert sich bei einer Veranstaltung, weil er glaubt, sein Mikro wäre noch nicht eingeschaltet? Eine Politikerin benimmt sich grotesk daneben?
Künftig kein Problem: Jemand bräuchte nur zu behaupten, er hätte die Rechte an den Aufnahmen. Das muss noch nicht einmal zutreffen. Aber bis die Rechtsfrage geklärt ist, bleibt der Inhalt erst einmal blockiert.
Aus genau diesem Grund wendet sich der UN-Beauftragte zum Schutz der Meinungsfreiheit David Kaye gegen diese Regelung des EU-Urheberrechts: Er sieht die Meinungs- und Informationsfreiheit bedroht.
Diese Gefahr erkennen auch Kritiker aus den Reihen des linksliberalen Milieus, das sich für Meinungsfreiheit einsetzt. Auf der anderen Seite stehen antiliberale Politiker wie die CDU-Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die vor einiger Zeit im “Tagesspiegel“ schrieb: „Offensichtlich ermöglicht das Internet derzeit mehr Freiraum, als die Demokratie vertragen kann […]“. Auch Frankreichs Präsident Emanuel Macron wünscht sich unbedingt eine Handhabe, um die Freiheit im Netz einzuschränken – vor allem, um den sozialen Protest in seinem Land zu bekämpfen.
4. Wie geht es politisch weiter?
Am 15. April müssen die Vertreter der EU-Staaten dem Gesetz zustimmen. Danach haben die Mitgliedsländer zwei Jahre Zeit, das Paragrafenwerk in nationales Recht umzusetzen.
In Deutschland ist die Aussage des Koalitionsvertrags eindeutig. Dort heißt es:
„Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu ‘filtern’, lehnen wir als unverhältnismäßig ab. Negative Auswirkungen auf kleinere und mittlere Verlage müssen vermieden werden. Die Daten-Souveränität werden wir auf europäischer Ebene im Rahmen der E-Privacy-Verordnung stärken.“ (Zeilen 2212 bis 2216 Koalitionsvertrag)
Deutschland müsste also gegen das EU-Urheberrecht stimmen. Doch Justizministerin Katarina Barley (SPD) windet sich. Sie selbst oder eine Vertretung wird am 15. April wohl trotzdem zustimmen. Barley und andere Koalitionspolitiker ziehen sich auf die Formel zurück, Deutschland solle die Urheberrechtsreform umsetzen, nur ohne Uploadfilter. Die CDU bringt allerdings etwas sehr ähnliches ins Spiel: ein so genanntes „Fingerprint“-System, das praktisch den gleichen Zweck erfüllen soll. Im politischen Berlin kursiert die Vermutung, dass Deutschland das freiheitsfeindliche EU-Gesetz vor allem im Interesse Macrons durchwinkt, der seinerseits etwas anderes bietet: Er nahm kürzlich seinen Widerstand gegen die russisch-deutsche Gaspipeline Nordstream 2 überraschend zurück.
5. Wie bedroht ist die Netzfreiheit?
Einer ganzen Reihe von Politikern geht die Liberalität im Internet erklärtermaßen viel zu weit, etwa dem Ex-Unionsfraktionschef Volker Kauder („Wenn das Netz weiter lügt, ist mit Freiheit Schluss“), der oben zitierten Monika Grütters oder Ex-Justiz- und heute Außenminister Heiko Maas, der schon 2016 twitterte: „Facebook löscht noch immer zu wenig und zu langsam.“
Kanzlerin Angela Merkel hatte dafür gesorgt, dass sein Netzwerk-Durchsetzungsgesetz gegen massiven Widerstand der Unionsfraktion durchkam. Viele, die im Netz publizieren, bezeichnen Uploadfilter deshalb als „Merkelfilter“.
Im Fall des „Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ versuchte Heiko Maas seinerzeit, Kritiker mit der Behauptung ruhigzustellen, es gehe nur um die Bekämpfung rechtswidriger Posts, es werde keinesfalls ein „Overblocking“ aus Angst der Plattformen vor Strafen geben. Tatsächlich passiert genau das Gegenteil. Gerade erstritt der Hamburger Anwalt Joachim Steinhöfel vor dem Oberlandesgericht Stuttgart für einen Facebook-Nutzer erneut das Recht, die Migrationspolitik Merkels zu kritisieren – und das, obwohl er schon in zwei Instanzen gewonnen hatte. Erst vor wenigen Tagen zwang das Kammergericht Berlin Youtube, ein gelöschtes Video wieder online zu stellen, in dem die AfD-Fraktionschefin Alice Weidel von „Messer-Einwanderung“ gesprochen hatte. Das sei keine „Hass-Rede“, urteilten die Richter: „Die öffentlichkeitswirksame Verwendung dieses Begriffs allein rechtfertigt jedoch noch nicht die Annahme, dass mit dem Beitrag Hass gegen Personen aufgrund ihrer Herkunft geschürt werde und der Beitrag daher als solcher mit hasserfülltem Inhalt zu qualifizieren sei.”
Steinhöfel und andere Anwälte gewinnen zwar einen Prozess nach dem anderen gegen Facebook und andere Plattformen. Aber sie erkämpfen damit ein Recht, das vorher unbestritten war.
Diese Praxis, fürchten die Gegner der EU-Urheber-Regelung, könnte sich noch deutlich verschärfen, wenn das neue Recht tatsächlich scharf gestellt wird.
Der Beitrag von Alexander Wendt ist zuerst bei PUBLICO erschienen.
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Wir leben schon seit geraumer Zeit in einer Scheindemokratie. Die alternativen Medien hsben das mit voller Wucht öffentlich genacht. Damit haben Politiker ihre Deutungshoheit verloren, und genau das wollen sie jetzt mit derart faschistischen Gedrtzen zurückdrehen. Es wird aber nicht gelingen, da sich viele INHO ins Darknet zurückziehen werden. Das einzige, was hilft: Ein EU-Intranet, das vergleichbar ist mit dem in Nordkorea. Aber vorher ist der Schutthaufen EU am Ende.
„wie die CDU-Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die vor einiger Zeit im “Tagesspiegel“ schrieb: „Offensichtlich ermöglicht das Internet derzeit mehr Freiraum, als die Demokratie vertragen kann […]““
Wenn ich so etwas höre wie von Grütters behauptet, dann sträuben sich mir sämtliche Nackenhaare. Eine Demokratie kann jeden „Freiraum“ im Internet vertragen, sonst wäre es keine Demokratie mehr. Aber die meisten Parteischranzen können diesen „Freiraum“ nicht vertragen. Die „vertragen“ auch die Demokratie nur solange, wie sie ihnen selbst nützt. Gegenstimmen unerwünscht.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Abstimmungsverhalten der LKR-Abgeordneten. Immerhin zwei von fünf, nämlich Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel und Ex-CDU-Karrierist Bernd Kölmel, haben für diese „Reform“ gestimmt. Dafür wurden sie 2014 von ihren damaligen AfD-Wählern ganz sicher nicht nach Brüssel entsandt. Diese Herren waren und sind Blockflöten, die nur wegen Unzufriedenheit mit der „Eurorettung“ kurz aus Merkels ‚Nationaler Front‘ ausgeschert sind. Gut, dass sich dieser Spuk im EU-Parlament bald erledigt hat. Die AfD kann im Hinblick auf ihre Integrität und Authentizität froh sein, dass sich diese Leute damals für eine politisch bedeutungslose Splitterpartei entschieden haben, welche trotz aller Versuche ihrer… Mehr
Und alle machen mit, mehr oder weniger. Die meisten durch Schweigen.
Ich kann garnicht beschreiben, wie ich mich auf die kommenden Europawahlen freue!
Zitat aus dem Artikel: „Jemand bräuchte nur zu behaupten, er hätte die Rechte an den Aufnahmen. Das muss noch nicht einmal zutreffen. Aber bis die Rechtsfrage geklärt ist, bleibt der Inhalt erst einmal blockiert.“ – Das deckt sich exakt mit meinen Erfahrungen in den letzten Jahren bzgl. der herrschenden Willkür hierzulande: Es werden zunehmend Bescheide erlassen, Bussgelder verhängt, Urteile gefällt (oder verschleppt) etc. pp., die nichts mehr mit Rechtsstaatlichkeit zu tun haben. Und wenn man fassungslos gegen die zunehmende Rechtsbeugung protestiert, dann heißt es von den „zuständigen Organen“ (DDR-Sprech!) mit hämischen Grinsen: „Wenn’s dir nicht passt – kannst ja klagen!“… Mehr
Merkel macht was sie will und sie verkauft es dem Dummmichel auch noch so, als hätte sie ihn vor dem Bösen gerettet. Und der Rest der Schranzen ist doch daran interessiert, das das Netz gefiltert wird, damit sie nicht mehr so leicht enttarnt werden können, wer hier die wahren Antidemokraten sind. Und wieder wurde im EU Parlament das Seil enger gezogen, um kritischen Beiträgen die Luft zu nehmen. Und das Macron durch und durch eine Marionette des Etablishments ist sollte wohl mittlerweile jedem klar sein.
„Personalführung ist die Kunst, den Mitarbeiter so schnell über den Tisch zu ziehen, daß er die Reibungshitze als Nestwärme empfindet…“
Wie wahr…
Ersetze „Personalführung“ durch „Politik“ und „Mitarbeiter“ durch „Bürger“ …
Der Youtuber „Drachenlord“ darf vorerst keine Live-Streams mehr online stellen. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) hatte im Februar 2019 die Youtube-Livestreams des streitbaren „Drachenlord“ gestoppt, In seinem Stream richtet sich Rainer W. an die Allgemeinheit, kommentiert und beantwortet erhaltene Chat-Nachrichten und trägt damit zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Aus diesen Gründen ist „Drache_Offiziell“ als Rundfunk zu bewerten, heißt es in einer Pressemitteilung der Behörde. Weil der BLM keine rundfunkrechtliche Zulassung vorliegt, untersagt sie dem Youtuber mit sofortiger Wirkung, sein Angebot als Livestream im Netz zu verbreiten. Der „Drachenlord“ kann gegen den neuerlichen Vorstoß der Behörde innerhalb eines Monats Rechtsmittel… Mehr
Es wird noch absurder, wenn man bedenkt, dass die Vergabe von Rundfunklizenzen wegen des begrenzten Frequenzspektrums eingeführt wurde.
Hier gehts dann wohl primär um die Begrenzung des „Meinungs-„Spektrums.
Das alles hat Putin bereits vor ein paar Jahren erfolgreich umgesetzt. Hier sieht man, wer von wem lernt.
Meines Erachtens gibt es neben den im Artikel aufgeführten Gründen drei weitere Gründe um Gegen Artikel 13 (jetzt Artikel 17) zu sein. 1. Mein Vertrauen in die Politik ist viel zu gering, als daß ich glaube was mir von dort erzählt wird. Sie haben das Netzwerkdurchsetzungsgesetz erwähnt und wie es zwischenzeitlich in der Praxis läuft. Ganz im Gegensatz zu dem was man uns vorher von der Politik erzählt hat. D.h. ich denke diese Regelung mit den Uploadfiltern ist ausschließlich gedacht um unliebsame Meinung nicht mehr im Netz veröffentlichen zu können = staatliche Zensur! Alles andere dient nur unserer „Verars…ung“. 2.… Mehr
In einem Staate, wo der Kanzlereid keine rechtliche Bedeutung für den Ableistenden hat.
In einem Lande, wo der Koalitionsvertrag keine verpflichtende Wirkung hat. Wo also eine heile Welt dem Wähler suggeriert wird, um später doch etwas ganz anderes umzusetzen.
In diesem Land gibt es auch keine Netzfreiheit. Diese ist auch nur eine der Ausprägungen der Freiheit an sich. Und diese gibt es hier nicht.
Alle Freiheiten finden sich auf der Ebene der etablierten Parteien wieder. Alles darunter – eine Lachnummer.
Ich möchte ergänzen, um einen Ex-Außenminister, der zum Bundespräsidenten befördert wurde, und in seiner Amtszeit soviel Porzellan zerschlagen hat, dass er heute nur noch mit Jugendlichen Kaffeetafeln veranstaltet, und sich nirgens sehen lassen kann. Oder auch um den aktuellen Außenamtsdarsteller, der einem missliebigen Journalisten die Hilfe verweigert und im venezulanischen Knast verrotten lassen möchte, der anonsten aber nichts auf die Reihe bekommt.