Wer wird Wahlkaiser in Wien?

Journalisten und Experten konstatieren bei den Kandidaten, aber auch im Volk und bei den Medien starke Ermüdungserscheinungen. Welcher Kandidat bei Ermüdung des Publikums die besseren Chancen hat, ist wahrscheinlich der mit dem geringsten Erregungseffekt.

Screenshot ATV

„Wähler können sich irren.“ Das hätte Alexander van der Bellen nach der Niederlage von Hillary Clinton besser nicht gesagt. Das gestrige TV-Duell mit Norbert Hofer beim Privatsender ATV fällt erst einmal dadurch auf, dass der Sender auf jeden Schnick-Schnack verzichtet und die zwei Bundespräsidenten-Kandidaten – dieses mal nicht allein, sondern mit Moderator – in einem spartanischen Ambiente von präsentiert. Das letzte mal ohne Moderator hatten sich die beiden für österreichische Verhältnisse sehr ungebührlich in die Haare gekriegt: Medientenor damals „entgleist“. Dieses mal das Gegenteil, beide haben Kreide satt gefressen. Nachteil: Nur sehr Aufmerksame konnten noch Nuancen an Erkenntissen gewinnen. Die Urteile der beiden Experten im Studio nach dem „Duell“ denn auch zutreffend: die Partie ging 0:0 aus.

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Interessant: Journalisten und Experten konstatieren bei den Kandidaten, aber auch im Volk und bei den Medien starke Ermüdungserscheinungen. Welcher Kandidat bei Ermüdung des Publikums die besseren Chancen hat, ist ziemlich eindeutig, der mit dem geringsten Erregungseffekt. Insofern schadet dem Kandidaten Van der Bellen zur Zeit wohl eine Kampagne am meisten, die der Strabag-Tycoon Hans Peter Haselsteiner – mittlerweile zusammen mit anderen prominenten Gesichtern – auf eigene Kosten gegen den Öxit und damit gegen den Kandidaten Hofer inszeniert. Haselsteiner betreibt das Geschäft so emotional, wie es „der Österreicher“ ganz sicher nicht mag. Der klassische Fall des Verstoßes gegen die oberste Werberegel: der Köder muss dem Fisch Wähler schmecken, nicht dem Angler Haselsteiner.

Zu meinem Erstaunen scheint das Lager Hofer seine Schreier besser unter Kontrolle zu haben als das Lager Van der Bellen. In den letzten Tagen hatte ich am Rande von Terminen in der österreichischen Provinz die Möglichkeit, mit ganz jungen Leuten zu reden, darunter etlichen Erstwählern. Äußerlich sahen sie alle so aus und hörten sich so an, als würden sie gut in die grüne Szene passen, mit ihren Ansichten von E-Auto bis gesundes Essen und Anti-Trump. Aber alle haben vor, Hofer zu wählen. Ich wollte wissen für Hofer oder gegen Van der Bellen: beides, sagten sie. Und einige fügten hinzu: gegen die in Wien. Wie? fragte ich nach, gegen Wien das ist doch wie Trump gegen Washington. Ja schon, war die Antwort, aber so wie Trump redet man  nicht.

Am Donnerstag gibt es das letzte TV-Duell. Wenn auch da wie gestern keiner der beiden Fehler macht, werden möglicherweise die vielleicht gar nicht gerufenen Helfer der Kandidaten das Rennen entscheiden.

Übrigens: Schauen wir nach der Wahl mal, ob der Ausgang auch mit dem Folgenden etwas zu tun hat.

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