Wenn ein Weihnachtsbaum zur Straftat wird

Eine Gärtnerei stellt einem klammen Kindergarten als Überraschungsgeschenk einen Christbaum in den Garten. Die Kita-Leitung zeigt sich aber nicht etwa dankbar – sondern die Gärtnerei an: wegen Hausfriedensbruch. Das ist Deutschland im Jahr 2024: unrettbar verloren.

Sankt Martin: Das ist der Heilige mit dem Mantel. Als römischer Soldat sah er einen frierenden Bettler. Martin nahm seinen Umhang („Mantel“), schnitt ihn mit dem Schwert in zwei Hälften und gab eine davon dem armen Mann, damit der sich wärmen konnte.

Formaljuristisch beging Martin damit eine Straftat, denn nach römischem Recht gehörte die gesamte Ausrüstung der Legionäre zwar zur Hälfte den Soldaten, zur anderen aber dem Römischen Reich. Also auch der Mantel. Jede Aufteilung, jeder Verkauf und auch jede Schenkung bedurfte vorab der Zustimmung Roms.

Das war vor grob 1.700 Jahren. Doch bis heute gilt, dass keine gute Tat ungestraft bleibt. Vor allem nicht in Deutschland.

Denn es begab sich aber zur Adventszeit anno 2023, dass in den Lokalmedien der Freien und Hansestadt Hamburg eine große Not berichtet wurde: Die Kindertagesstätte „Mobi“ im Bezirk Lokstedt, so war zu lesen, brauchte Geld.

Der Gärtnereibetrieb pflanzmich.de fackelte nicht lange und wollte Gutes tun: Zum Nikolaus-Tag wollten die engagierten und gebefreudigen Gartenbauer die Kita und deren Kinder überraschen. Als die Kleinen morgens ankamen, stand ein hübscher kleiner Weihnachtsbaum im Kita-Garten. Darunter hatte pflanzmich.de auf eigene Kosten viele Geschenke gelegt, unter anderem eine Holz-Eisenbahn.

 

Die Gärtner freuten sich über ihre Überraschung: „Wir finden, dass alle Kinder das Recht auf einen Weihnachtsbaum haben. Ein Weihnachtsbaum steht in unseren Augen für Wärme und Gemeinschaft während der besinnlichen Zeit.“ Kann man nix gegen sagen, würde man denken.

Falsch gedacht. Man kann doch.

Denn die „Mobi“-Leitung will christliche Rituale bei sich nicht haben. „Wir haben uns im Team dagegen entschieden, da wir kein Kind und seinen Glauben ausschließen wollen“, schrieben die Erzieher an die Eltern.

Vier von zehn Hamburgern haben sich in der Volkszählung 2011 ausdrücklich zum christlichen Glauben bekannt. Das Christentum ist damit, wenig verwunderlich, die mit Abstand wichtigste Religion im Stadtstaat. Doch die Kita-Leitung von „Mobi“ erklärt, christliche Feste seien bei ihnen ausgeschlossen.

Und zwar – Achtung, kein Scherz – „im Sinne der Religionsfreiheit“.

Vermutlich auch ganz im Sinne der Religionsfreiheit zeigte die Kita die großzügigen Gärtner dann auch gleich noch an: wegen Hausfriedensbruchs durch das „unerlaubte Aufstellen eines Weihnachtsbaums“. Auch das: kein Scherz. Aus einem Geschenk zum Nikolaus wurde eine Strafsache.

Dabei hatte die Kita-Leiterin zuvor sogar erklärt, gar nichts gegen Weihnachtsbäume zu haben. Man könne nur nicht alle Traditionen umsetzen und sei insofern auf Hilfe angewiesen. Das hatte die Gärtner überhaupt erst auf die Idee gebracht, den Baum aufzustellen.

Im August 2024 erging gegen unsere Baumpflanzer allen Ernstes ein Strafbefehl in Höhe von 3.000 Euro. Das wollte pflanzmich.de dann aber doch nicht einfach hinnehmen – und ging vor Gericht. Am Dienstagvormittag wurde der Fall im Sitzungssaal 181 des Strafjustizgebäudes am Sievekingplatz in Hamburg verhandelt.

Es kam, wie es im besten Deutschland aller Zeiten kaum anders zu erwarten war: Das Amtsgericht hat unsere Gärtner zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro verurteilt. Der Betrieb überlegt jetzt noch, ob er ein weiteres Mal in die Berufung geht.

Deutschlands Justiz ist ja schon seit längerem dazu übergegangen, Religionsfreiheit nicht etwa als Recht zur Religionsausübung, sondern vor allem als Abwehrrecht gegen das Christentum – und NUR gegen das Christentum – zu interpretieren: keine Kreuze mehr, keine Weihnachtsfeiern, kein Schweinefleisch.

Und nun also auch keine Christbäume mehr. Sankt Martin, der großzügige und gebefreudige Heilige, würde sich vermutlich nicht mehr so recht wohlfühlen bei uns.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 0 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

0 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen