Wenn die Frömmler sich gegen die Frommen wenden

Der Zeitgeist der Epigonen der Achtundsechziger überschreitet nach 45 Jahren der zunehmenden Deutungshegemonie seinen Höhepunkt.

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Oft kommt es nicht vor. Immer wieder mal aber doch. Ich spreche von jener Art von Aussage, deren Formulierung nicht verbessert werden kann, weil jedes Wort mehr oder weniger ihren Gehalt schmälern oder verwässern würde.

Der Anlass aus dem Jan Fleischhauer seinen Satz twitterte, ist ein unpassender, wie die Retweets unübersehbar zeigen. Dass die DUH, die mit ihrem Erfinder und Betreiber an der Spitze die heilige Kuh namens Umwelt skrupellos für ihre Geschäfte melkt, Beugehaft für den grünschwarzen Ministerpräsidenten Kretschmann und andere beantragt, gehört ja zu den deutschen Politikereignissen, welche die Branche Satire brotlos machen.

Fleischhauers Satz ist seinem politischen, philosophischen, kulturellen und historischen Gewicht nach viel zu schade, um an so eine Politposse verschwendet zu werden.

„Jede Glaubensbewegung gerät unweigerlich an den Punkt, an dem sich die Frömmler gegen die Frommen wenden, die ihnen nicht fromm genug erscheinen.”

Ob einen die Assoziation direkt zum Auftreten der Jakobiner in der Französischen Revolution führt oder zu Maos Roten Garden in seiner Kulturrevolution oder, oder, oder … der Satz beschreibt eine geschichtliche Wahrheit. Ich fasse ihn mal unvollkommener so: Jede Übertreibung überschlägt sich auf ihrem Höhepunkt in sich.

Die letzten Tage waren geprägt von dem bewussten Missverstehen der Aussage von Carsten Linnemann, dass vor dem Grundschulbesuch eine Vorschule zum Spracherwerb notwendig sei – von einem Grundschulverbot sprachen plötzlich der immerwirre CDU-Politiker wie Ruprecht Polenz, sein geistiger Kompagnon von der SPD, Karl Lauterbach und selbst nach der Richtigstellung der Fake-News durch dpa noch Politiker der Linken und SPD-Sawsan Chebli. Die übliche grün-rot-schwarze Erregungsmischung von gestern. Dann traf es für seinen Afrika-Vergleich Schalke-Chef Clemens Tönnies.  

Während Linnemann als erfahrener Politiker dpa zur Revision zwang, klappte Großschlachter Tönnies ein. Es hat ihm wenig genutzt; vorgeführte Schwäche führt nicht zum Einlenken, sondern zum Drauftreten. Unterstützer kamen eher aus der Mitte der Bevölkerung. Dabei sind Fanatiker irgendeiner Religion oder Glaubensüberzeugung allesamt gleich schlimm und eigentlich durch die Zivilisation in der Reihenfolge Aufklärung, Rechtsstaat, Demokratie überholt. Sie sind neuerdings als Wiedergänger aktiv – bevorzugt in Medien, Politik und NGOs. Das Publikum ist aber zunehmend verärgert. Der Krampf ist zu durchschaubar. Die Auflagen der Erregungsblätter und ihre Reichweiten im Netz sinken. Das Publikum wendet sich ab, die Stimmenanteile sinken, Mandate sind in Gefahr. Trotzdem drehen sie die Erregungsschraube ihrer gespielten Empörung immer weiter.

Sind alle Fleischesser Sünder, alle Dieselfahrer Bösewichte, fast alle Deutschen Rassisten, wie gerade Claudia Roth erklärte – immerhin Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags? „In Form eines mal lauten, mal leisen Grundrauschens war und ist kultureller, ethnischer, auch antimuslimischer Rassismus für viele Menschen in Deutschland schmerzhafte alltägliche Erfahrung”, behauptet sie im ZDF, wie sie selbst aus Mitteln finanziert, die von den Rassisten per Steuern und Abgaben zur Verfügung gestellt werden.

Geradezu verzweifelt jammert Panorama-Redaktionsleiter und Muster-Haltungsjournalist Georg Restle: „Der Ausbau der Windkraft in Deutschland gehört zum Kern der Energiewende … Doch der Ausbau stockt. Ein Grund sind zahlreiche Klagen von Windkraftgegnern. Die sind inzwischen bundesweit vernetzt und wenden sich häufig nicht gegen einzelne Windräder, sondern gegen die Energiewende insgesamt – auch mit sehr zweifelhaften Argumenten bis hin zum Bestreiten des menschengemachten Klimawandels. In der Politik finden die Gegner zunehmend Gehör.”

Auch die flächendeckende Zerstörung der Landschaft zu Lasten von Mensch und Tier klappt nicht mehr unwidersprochen. Sieh an …

Was mir eine Frage an mich selbst aufdrängt: Erreicht der Zeitgeist der Epigonen der Achtundsechziger nach 45 Jahren der zunehmenden Deutungshegemonie mit der Fusion von „Klimakatastrophe” und „Klimaflüchtlingen” zur Staatsreligion der  Volkserziehung seinen Höhepunkt der Übertreibung?

Meine Nase sagt: Der Höhepunkt ist überschritten. Sie haben begonnen sich lächerlich zu machen und gegen sich selbst zu wenden. Was meinen Sie, werte Leser?

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