Von der Leyens Fahrradwege für die Vereinigten Staaten von Europa

Von der Leyen hat erkannt, dass Chinas imperiale Strategie für Europa bedrohlich wird. Sie will dagegenhalten mit dem Primat der Moral und einem "europäischen Chip-Ökosystem" per Gesetz, also: einem Turbowachstumsprogramm für die Brüsseler Bürokratie

IMAGO / Xinhua
Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament, 15. September 2021

Heute morgen stellte Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament die Perspektive und die Pläne der EU-Kommission vor, wie es turnusmäßig einmal im Jahr geschieht,. Schließlich ist es wichtig für das Parlament zu wissen, wozu es zuzustimmen hat oder wozu es hätte zugestimmt haben sollen, wenn es gefragt worden wäre. Denn besäße die EU eine Verfassung, würde sie mit den Sätzen beginnen: „§1. Alle Macht geht von der EU-Kommission und von der Kommissionspräsidentin aus. §2. Weder Kommission, noch Kommissionspräsidentin werden vom Volk gewählt. §3 Jede Kritik an der Kommission oder der Kommissionspräsidentin gilt als europafeindlich.“

Inzwischen ist auch die Kommission in atemberaubender Geschwindigkeit zu der Erkenntnis gekommen, dass erstens Chips das Herz der Digitalisierung darstellen, denn digitale Produkte benötigen Chips. Also äußerte von der Leyen die überraschende Erkenntnis: „Wir hängen von Hochleistungschips aus Asien ab.“ Für die europäischen Wirtschaften reduzierte sich in diesem Bereich der Anteil an der Wertschöpfung, obwohl die Nachfrage steigt. Das heißt: Europäische Firmen verpassen den Anschluss an einen Zukunftsmarkt, auch Deutschland, auch Lindners „Land der Wissenschaftler und Ingenieure“. Geht die Entwicklung übrigens in der Wissenschaft so weiter, wird Deutschland nur noch in den Gender Studies führend sein und die Transformation vom Land der Wissenschaftler und Ingenieure zum Land der Genderforscher, Gleichstellungs- und Diversitäts- und Klimaschutzbeauftragten wird abgeschlossen sein. 

Von der Leyen hat richtig erkannt, dass Chinas imperialistische Strategie der Neuen Seidenstraße für Europa existenzbedrohend wird. Richtig ist auch, dagegen vorzugehen. Doch wie sehen von der Leyens Maßnahmen aus? 

Rede zur Lage der Union
Die Kommissionspräsidentin wünscht sich für die Kommission einen exorbitanten Machtzuwachs. Ein neues Chip-Gesetz soll die europäischen Forschungs-, Entwicklungs- und Testkapazitäten unter Kontrolle der EU-Administration konzentrieren. „Ziel ist es, gemeinsam ein hochklassiges europäisches Chip-Ökosystem zu schaffen, das die Produktion mit einschließt“ Was ist eigentlich ein Chip-Ökosystem? Chips, die nicht von Strom, sondern von kleinen Windmühlen angetrieben werden? Misstrauisch muss stimmen, wenn die Kommission ex cathedra einen europäischen Halbleitermarkt schaffen und Subventionen nach eigenem ökonomischen Sachverstand einsetzen will, dann wird das zuallererst ein Turbowachstumsprogramm für die Brüsseler Bürokratie werden, die für die Lenkung und Leitung und Überwachung des Chip-Gesetzes eine Art zentrale Planungs- und Lenkungsbehörde benötigt. 

Wieder wird von der Leyens Ansatz deutlich, alle Macht den Brüsseler Bürokraten zu sichern. Die Chipindustrie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Schwerindustrie. Ein Blick auf die Schaffung der Schwerindustrie in der Sowjetunion zeigt, zu welchen Misserfolgen und desaströsen Konsequenzen eine „teleologische“ Wirtschaftspolitik führt, eine Wirtschaftspolitik also, die von einer zentralen Planung ausgeht und die dem Mechanismus der Planung das dynamische Prinzip der kreativen Zerstörung, der Weiterentwicklung und des Fortschritts opfert. Von der Leyens Vorstellung von der Lenkung der Chipherstellung durch Subventionen und Schaffung von Einheiten durch Brüsseler Ukas, was zu befürchten steht, scheitert daran, dass sie den Kreativen, den Erfindern, den Unternehmern, die Chance zu scheitern raubt und den Weg des „trial and trror“ versperrt, obwohl das Scheitern Bedingung zum Erfolg, für das Bahnbrechende ist.

Rede zur Lage der Union
Notwendig wäre es hingegen, Bürokratie, hemmende Bestimmungen abzubauen, Maßnahmen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, einzuleiten, wie die Abschaffung von Quoten, von Diversitätsvorgaben und Berichtspflichten, die Entideologisierung der Universitäten, Hochschulen und Schulen, der Schutz europäischer Patente, bessere Finanzierung der Forschung und Entwicklung. Wir benötigen ein höheres Bildungsniveau, eine Stärkung der dualen Ausbildung. Firmen müssen von Beschränkungen und „Öko“-Vorgaben, von Klimaapokalyptik verschont werden. Am besten allerdings wäre es, wenn die Kommission gar nichts täte, es sparte viel Geld und würde die Firmen nicht gängeln. 

Was die Kommission tun könnte, ist eine klare Politik gegen die Übernahme europäischer Firmen durch chinesische Investoren zu verfolgen. Aufgabe der EU, vor allem der nationalen Regierungen entsprechend der Subsidarität ist es, Schutz und günstige Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Produktion und Verkauf von Chips zu schaffen, anstatt selbst in die Entwicklung, die Produktion und den Verkauf von Chips eingreifen zu wollen. Letzteres bedeutet Sozialismus – und das geht schief.

Recht hat die Kommissions-Präsidentin, wenn sie unter dem Stichwort „Global Gateway“ internationale Infrastrukturpartnerschaften schließen möchte, weil es „für Europa keinen Sinn“ macht, „eine perfekte Straße zwischen einer Kupfermine in chinesischem Besitz und einem Hafen in chinesischem Besitz zu bauen.“ Allerdings geht Europa hier nicht „klüger“, sondern blauäugig vor, wenn von der Leyen im hohen Ton einer abstrakten Moral deklariert: „Wir wollen Verbindungen schaffen, nicht Abhängigkeiten“, denn natürlich geht es um Abhängigkeiten, mit anderen Worten um Verlässlichkeit. 

Ohne „Abhängigkeiten“ zu schaffen, wird man am Ende des Tages doch „eine perfekte Straße zwischen einer Kupfermine in chinesischem Besitz und einem Hafen in chinesischem Besitz“ geschaffen haben. Die Welt befindet sich in einem Wandel, neue Mächte steigen auf, alte ab. Mit anderen Worten: Es geht „imperialistisch“ zu. Es wäre also die Aufgabe, auch wenn alle moralische Empörung auf dieses böse Wort fallen mag, im Kern über einen modernen Imperialismus als Selbstbehauptungs- und Entwicklungsstrategie im Rahmen einer geopolitischen Perspektive nachzudenken. Verabsäumen das die europäischen Staaten, dann wird es ihnen in der „Global Gateway“ Konzeption im Wettbewerb mit China ergehen wie dem Hasen im Märchen von „Hase und Igel“. 

Auch europäische Staaten haben Interessen – auch in ihren Verhältnissen untereinander. Es wäre die vornehmste Aufgabe der Kommission als Hüterin der Verträge durch einen kluge Diplomatie und Vermittlung, die Interessen der Länder der EU so auszugleichen, dass China keinen Keil zwischen größere und kleinere Länder der EU, zwischen mittel- und osteuropäische und westeuropäische Staaten zu treiben vermag. Gerade hier versagt die EU-Kommission aus eigenen Machtambitionen vollständig und spaltet Europa. 

Von der Leyen Vorstellung einer europäischen Verteidigungsunion gilt einzig und allein dem Ziel, die EU-Kommission zur europäischen Regierung zu erheben, nachdem sie vor kurzem schon das Projekt einer Gesundheitsunion skizziert hat. Damit würde nicht mehr demokratisch in Europa, sondern oligarchisch über Europa regiert. 

Die neue Linie der EU und Deutschlands, im Endeffekt die Taliban zu finanzieren, natürlich über hehre Hilfsprojekte, um angeblich die Migration der Afghanen zu verhindern, stellt eine Wiederauflage der verhängnisvollen Appeasement-Politik dar, die am Ende den Islamismus zu einer Großmacht im Weltmaßstab machen könnte. 

Rede zur Lage der Union
Statt günstige Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen, will von der Leyen die Wirtschaft dazu verpflichten, auch bei ausländischen Geschäftspartnern auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten. Was stellt sich von der Leyen vor? Dass die Wirtschaft Europas als internationaler Menschenrechtspolizist auftritt? EU-Vorschriften, die die Bestimmungen des deutschen Lieferkettengesetzes noch übertreffen, stellen eines der besten Konjunkturprogramme für die chinesische Wirtschaft auf Kosten der europäischen dar. Man wird die Bedingungen in der Welt, unter denen produziert wird, wenn man sich selbst wirtschaftlich aus dem Spiel nimmt und Platz für China macht, nicht verbessern, sondern verschlimmern. Schlimmer noch, man wird umso weniger Einfluss auf die Entwicklung von Freiheit, Demokratie, Menschen- und Bürgerrechten auf der Welt nehmen können, je schwächer man wirtschaftlich ist. Jedenfalls verdient diese Idee von der Leyens den großen Preis zur Förderung der chinesischen Wirtschaft und der politischen Macht Pekings. 

Im großen und ganzen spiegelt die Perspektive der Europäischen Kommission den unbedingten Willen zur Macht der Kommission in Europa wieder, der an Methoden der wirtschaftlichen Planung und Leitung erinnert, die man aus sozialistischen Systemen kennt. Es könnte den Anschein haben, dass man China mit China austreiben wollte, wenn man nicht den Primat der Moral vor der Wirtschaft setzen würde und damit sich letztlich von China austreiben lässt. Man will mit der Neuen Seidenstraße konkurrieren, indem man überall Fahrradwege baut. 


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Kommentare ( 36 )

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bfwied
11 Monate her

Es ist zwar billige Polemik, aber trifft genau den Nagel auf den Kopf: Fahrradwege in 3. Welt bauen anstatt Minen und Häfen zu kaufen/bauen, wie es die Chinesen tun. Der trampelig auftretende Feminismus, der den Wokeismus – mit forcierter Dummheit – in der Folge hervorbrachte, macht die europäischen Länder kaputt.
Aber was soll man mit Leuten anfangen, die 0 Ahnung von Naturwissenschaften, und d. h. 0 Ahnung von Geowissenschaften und Physik, haben? Sie müssen selbst erleben, am eigenen Körper, was für einen Schwachsinn sie als dickes Brett in die Stirn genagelt haben.

zweisteinke
3 Jahre her

Da fragen wir doch am besten bei den ach so wahrheitsliebenden „grünen“ nach! Verdächtig viele von dieser Hungertruppe haben sich heimlich, still, und leise aus den Parlamenten geschlichen, um plötzlich auf einem hochdotierten Wirtschaftsposten aufzutauchen. Ohne Abschlüsse, ohne Erfahrung, ohne Kenntnisse der Materie. Wer denn auch noch glaubt, daß mit den „Klimazertifikaten“ und anderem kompletten Unsinn alles koscher läuft, dem ist nicht mehr zu helfen.

zweisteinke
3 Jahre her

Also nur ein Beispiel hier aus Peking. Am Beginn der Coronakriese, als hier auf Schlag alles dicht war, wurde den Belegschaften die deutschen Firmen freigestellt entweder nach Hause zu fahren, mit der Gewissheit, auf unbestimmte Zeit nicht mehr durch das Werktor zu kommen oder auf unbestimmte Zeit IM Werk, bei keinerlei persönlichen Aussenkontakt, zu bleiben. Die Arbeiter haben entschieden, raten Sie bitte wofür und wie die selbe Entscheidung mit deutscher Belegschaft ausgesehen hätte.

Last edited 3 Jahre her by zweisteinke
zweisteinke
3 Jahre her

So seltsam sich das anhören mag, wenn ich die Wahl hätte würde ich mich immer wieder für China entscheiden. Ich lebe jetzt 4,5 Jahre hier und es ist einfach Klasse. Lasst EUCH in de doch nicht von den Qualitätsmedien und der sog. Regierung am Ring durch die Manege ziehen und Schulter endlich das HIRN ein !!! Auf die Chinesen sowohl als auch auf die Russen konnten und können wir uns verlassen. Das sieht bei den „Partnern“, die wir aufgedrückt bekamen und erst Recht bei denen jenseits des Teiches ganz ganz anders aus.

Last edited 3 Jahre her by zweisteinke
Aboriginal
3 Jahre her

Obwohl es immer wieder Berichte über leere Regale im UK gibt, ist die Versorgung gesichert. Was zeitweise aus ist, sind sehr spezielle einzelne Artikel.

Maja Schneider
3 Jahre her

Diesem vorgezeichneten Ziel einer Zentralmacht in Brüssel hat in erster Linie Angela Merkel Vorschub geleistet, nachdem Juncker den Weg bereitet hat. Allein deshalb ist die krankhaft ehrgeizige U.v.d.Leyen und Vertraute Merkels als Kommissionsvorsitzende aus dem Hut gezaubert worden, und sie funktioniert, wenn auch nicht so, wie sich das die naiv Europabegeisterten vorgestellt haben. Ein Staatenverbund unter Beibehaltung der Souveränität der Nationalstaaten war ursprünglich mal der Plan, stattdessen haben wir eine gespaltene EU, die die geringsten Ansätze von Demokratieverständnis vermissen lässt. Kohl hatte schon Recht, als er sinngemäß in seinen späteren Jahren bemerkte, dass Merkel seine EU zerstöre. Der Mann hatte… Mehr

zweisteinke
3 Jahre her

Warum schreiben Sie im Futur, Deutschland würde ausser beim gendern den Abschluss verpassen?
Den Anschluss hat Deutschland schon vor 30 Jahren verpasst, als Wissenschaft plötzlich iiiiiiiiiiii wurde und nur noch „Lehramt, Sozial oder irgendwas mit Medien“ das Ziel der Brut der 68ger war.
Jetzt haben wir die Quittung!

Kuno.2
3 Jahre her

Ich frage mich, ob die Leyen unter Helmut Schmidt jemals ein Amt erreicht hätte! Bei Merkel aber alles kein Problem.

F.Peter
3 Jahre her

So wie sich diese Zeitgenossin gebärdet, wird die sicher der nächste Pabst…….

H. Hoffmeister
3 Jahre her

Herr Mai, der EU-Bürokratiemoloch lässt alles zu Stein(zeit) erstarren, was er anfasst. So geschehen mit Medizinprodukten, Arzneimitteln, Chemieindustrie, Energieerzeugung, Mobilität, Stahlindustrie, Agrarindustrie etc. pp. Die in Europa vorhandenen Industrie- und damit Fortschrittspotenziale sind allesamt totreguliert und können gar nichts mehr tun, ausser Tonnagen an sinnfrei beschriebenem Papier an Bürokraten zu versenden, um überhaupt die Erlaubnis zum Inverkehrbringen von Altprodukten zu behalten. VdL ist eine grandiose Stellvertreterin dieser alles erstickenden Mischpoke, wenn die von Fortschritt faselt, gibts wieder nur haufenweise Verordnungen, die von weiteren zehntausenden neu einzustellenden Bürokraten exekutiert werden, mit dem Ziel, die wertschöpfenden Akteure zu „Klimaneutralität“ und korrektem Gendern… Mehr