Suhrkamp, heißt es, lehnt den neuen Roman von Uwe Tellkamp aus politischen Gründen ab. Das stimmt so nicht. In Wirklichkeit ist alles noch offen. Die Peinlichkeiten gehen weiter.
Uwe Tellkamps große Dresden-Dichtung war schon ein literarisches Ereignis, bevor sein Roman „Der Turm“ 2008 erschien. Mit seinem Text „Der Schlaf in den Uhren“, der in seiner Heimatstadt spielt, hatte der Schriftsteller 2004 den Bachmann-Preis in Klagenfurt gewonnen; den „Turm“, ein Familienroman und Dresden-Panorama der späten DDR-Zeit, lasen Hunderttausende als literarische Deutung eines historischen Umbruchs. Schon vor etlichen Jahren kündigte Tellkamp eine Fortsetzung des Romans an.
Am Wochenende meldete Richard Kämmerlings in der Welt am Sonntag, dieser Nachfolge-Band unter dem Titel „Lava“ werde nicht wie vorgesehen im Herbst 2020 bei Suhrkamp erscheinen – und zwar aus verlagspolitischen beziehungsweise politischen Gründen. Seit er sich kritisch zu Merkels Migrationspolitik äußerte und die „Erklärung 2018“ unterschrieb, weisen viele Medien dem Dresdner Autor eine Position am sogenannten rechten Rand zu. Dazu passt auch, dass der Verein des Dresdner Lingner-Schlosses Anfang Januar 2020 eine schon geplante Lesung aus dem unveröffentlichten Buch sechs Tage vorher absagte – mit der Begründung, die von der Zeitschrift TUMULT organisierte Veranstaltung hätte die „Neutralität“ des Vereins gefährdet. Der Mitteldeutsche Rundfunk raunte in einem bundespräsidialen Duktus, die vorgesehene (und dann verhinderte) TUMULT-Veranstaltungsreihe hätte sich „am Rand“ eines nicht näher beschriebenen „humanistischen Konsens“ bewegt. Mit Sicherheit unterscheidet sich Tellkamp mit seiner Sicht von großen Teilen des intellektuellen Juste Milieu in Deutschland.
Jetzt also, so suggeriert die Welt am Sonntag, soll auch das Urteil des Verlags über den Turm II feststehen. „Verzweifelt und ratlos“ sei Suhrkamp, „wie mit dem Buch grundsätzlich umzugehen ist“, schreibt Kämmerlings in der WamS. Und fragt, mit Blick auf den Roman wie auf den Autor: „Will Suhrkamp ihn noch?“
Eine Absage gleich des gesamten Romanprojekts würde angesichts der Vorgeschichte in die Kulturkampf-Szenerie passen. Trotzdem stimmt die WamS-Geschichte in wichtigen Teilen nicht. Mit Tellkamp hatte der WamS-Autor nicht gesprochen.
Tatsächlich wird „Lava“ in diesem Jahr bei Suhrkamp nicht herauskommen. Allerdings bedeutet das nicht – bisher jedenfalls – der Verlag hätte den Roman abgelehnt. Verlagssprecherin Tanja Postpischil antwortet auf entsprechende Anfragen im Einvernehmen mit Uwe Tellkamp: „Das Manuskript ist noch nicht ganz fertig und auch noch nicht lektoriert. Deshalb haben wir in Absprache mit Uwe Tellkamp einen Erscheinungstermin im Frühjahr 2021 avisiert.“
Der Dresdner Autor sieht die Entscheidung des Verlags, die Veröffentlichung zu verschieben, nicht als Affront. Bei einem Roman, an dem der Autor zehn Jahre lang gearbeitet hat, käme es auf ein halbes Jahr mehr bis zur Premiere auch kaum an.
Das heißt andererseits auch nicht, dass mit „Lava“ zwangsläufig alles reibungslos weitergehen muss. Zweimal hatte Tellkamp bisher Auszüge aus dem neuen Text öffentlich gelesen. Da der neue Roman nicht mehr in einem untergegangenen Staat spielt, sondern in der Bundesrepublik – beziehungsweise über einige Strecken in dem fiktiven Stadtstaat Treva – begibt er sich mitten in die Auseinandersetzung zwischen offiziöser Hochmoral der Eliten und der Skepsis vieler Bürger. Die Migrationspolitik spielt in dem Roman eine wichtige Rolle. Tellkamps literarische Analyse, die viele Kritiker am „Turm“ von 2008 lobten, könnten sie in „Lava“ möglicherweise verwerflich finden.
Denn der Roman, egal, welche endgültige Form er bekommt und wann er erscheint, handelt von einer Gegenwart, in der schon angekündigte Lesungen und unveröffentlichte Texte zu hochnervösen Reaktionen führen.
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Sollte der Suhrkamp Verlag , der ja sowieso skandalbehaftet ist ( wir erinnern uns an den skurrilen Eigentümerstreit) den Roman von Uwe Tellkamp aus politischen Gründen ablehnen, so steht es jedem frei, in Zukunft Bücher aus diesem Verlag nicht mehr zu kaufen. Wenn das genügend tun und ich würde das dann auch so handhaben, dann könnte doch wieder die Einsicht einkehren (oder der Pleitegeier), daß ein Verlag gut Bücher herausbringen sollte und nicht die politische Deutungshoheit über seine Autoren haben sollte, da dies ganz schnell in Zensur ausarten könnte
Die Atmosphäre in Deutschland wird zunehmend unerträglich und am Horizont zeigen sich drohend die rot-grünen Wolken der Diktatur. Ein erfrischendes Gewitter zur Reinigung der abgestandenen Luft ist unausweichlich.
Das wird ein schmerzhafter Spagat für Suhrkamp, wenn Tellkamp’s Buch bei ihnen erscheint. Sie verlegen auch die dünnen Werkchen des Poetiksimulanten Durs Grünbein, der wie ein wurmstichiger Korken auf der Welle der politischen Wohlgesinnung schwimmt. Jede Welle macht er freudig mit, er hält sich stets oben auf dem Wellenkamm. Für jemanden ohne Gewicht ist das auch nicht schwer. Tellkamp ist ein anderes Kaliber, sein Gewicht erlaubt es ihm nicht, auf jeder durch den Zeit(un)geist angetriebenen Welle zu surfen. Er fürchtet die Oberflächigkeit, er geht auf den Grund und schürft in Tiefen, die auf dem Wellenkamm Treibende sich gar nicht vorstellen… Mehr
Obwohl der „Bücherverbrenner“ der ARD, Dennis Scheck, diesen Roman auch lesen und ihn angewidert medial beerdigen wird? Man darf gespannt sein.
Ob wohl die ARD den neuen Roman auch wieder aufwändig verfilmen wird?
Als Zweiteiler mit bekanntermassen linksengagierten Schauspielern?
Einige bei Suhrkamp ziehen vielleicht Parallelen. Schreibverbote und Bücherverbrennungen, na das hatten wir doch schon mal … Wie könnten wir also nun Tellkamp unauffälliger kaltstellen.
Tellkamp dürfte nach wie vor sein Millionen-Publikum haben. Ich wage allerdings zu prognostizieren, dass Suhrkamp das Buch nicht verlegen wird. Der Autor wird mit Sicherheit einen anderen Verlag finden. Im Interesse der politischen Kultur sollte dieser nicht dem ganz rechten Spektrum angehören. Grundsätzlich ist auch an diesem Fall zu konstatieren, dass eine Debatte über selbige dringend notwendig ist. Die Hoheit über gesellschaftliche Themen darf nicht länger dem selbsternannten Mainstream gehören. Schon um der Wahrheit willen muss sich die bürgerliche konservative Seite stärken und selbstbewusster in der Öffentlichkeit gegenhalten.
Solche Literatur wird Nachfahren ein wertvolles Zeitzeugnis sein. Vergessen wir nicht, dass auch in der Nazizeit das Leben regierungskritischer Autoren alles andere als einfach war. Heute sind wir dankbar, dass wir sie haben. Und gerade ihre unbestechliche Schilderung der Epoche wie sie war, wird ihren unschätzbaren Wert ausmachen, während die Berufsjubler in wenigen Jahren vergessen sein werden, ein gnädiges Vergessen, das ihre Schande bedeckt.
Warten wir es ab, wie Rowohlt vorgeht. Wenn Autor und Verlag sagen, dass das Werk noch nicht vollendet ist und – natürlich – lektoriert werden muss, dürfte es schon stimmen. Ich traue Herrn Tellkamp zu, gegenüber Rowohlt nicht einzuknicken. Die Arbeit des Lektors ist auch für erfahrende Autoren unverzichtbar; der Text wird immer besser, wenn er sprachkritisch gelesen und auf logische Schlüssigkeit der Erzählung abgeklopft wird. Lektorieren heisst nicht zensurieren. Ob am Ende Rowohlt nicht doch zurückschreckt oder aber von Tellkamp inakzeptable Streichungen verlangen wird, das bleibt eine spannende Frage. Ich denke, de Verlag muss – gerade nach den Ausgaben… Mehr
Spannend wäre zu erfahren, wie Tellkamp es mit der Distanzierung seines Verlag von seiner Person anno 2018 hält. Das spielt ggf keine Rolle mehr, weil…?