Und die Party geht weiter

Am Ende sucht Deutschland in der Politik wie in den anderen Sparten der Unterhaltung überall nur den Superstar. In einem Volk, in dem das Leben nicht nur für dessen Jüngere sowieso hauptsächlich aus Party besteht, passt das perfekt.

© Thomas Lohnes/Getty Images

Die Grünen mit 4 Prozent nicht im Landtag und die FDP mit nahe dran 3,3% auch nicht, finde ich für die Verschiebung der tektonischen Linien in der Parteienlandschaft spannender als den Sieg der Amtsinhaberin von der CDU. Die Partei Die Linke wäre im Saarland auch nicht in den Landtag gekommen ohne Oskar Lafontaine – oder mit einem Ergebnis wie die 6,2% AfD.

Parteiensystem Ost und West?
Wiedervereinigung Linke und SPD?
Vom Saarlandergebnis werden manche auf das Wiedererstarken der früheren Volksparteien CDU und SPD schließen. Das ist Wunschdenken. Nach der Saarwahl sind die Grünen in 14 Landtagen, die AfD in 11, Die Linke in 10 und  die FDP in 9. Nach den nächsten Wahlrunden dürften CDU, SPD und AfD in allen Landtagen vertreten sein – Bayern kommt ja erst nach der Bundestagswahl. Dreiparteien-Parlamente als Muster im Osten und Fünf-Parteien-Parlamente im Westen sind die mittelfristige Perspektive, schrieb ich im November 2016. Die Wahrscheinlichkeit dafür hat weiter zugenommen. Im Bundestag dürfen wir im September mit einem Sieben-Parteien-Parlament rechnen. Aber danach werden es weniger.

Die Partei Die Linke lebt vom Osten und dort von den Traditionswählern der SED. Sie werden aus biologischen Gründen weniger. Als erstes fliegt die Partei im Westen raus und der Schrumpfungsprozess im Osten beginnt.

Die Grünen haben mit dem eher zufälligen Zenit Winfried Kretschmann denselben auch schon überschritten. Ihr Schrumpfungsprozess ist unübersehbar. Sie haben das grüne Thema verloren. Wie die SPD das rote.

Kommt die FDP diesmal in den Bundestag, dann nur dank jener, die zwar gegen Merkel stimmen wollen, aber es nicht fertig bringen, ihr Kreuz bei der AfD zu machen.

Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit
Parteien im Grundgesetz streichen
Bei der AfD zeigt das Saarergebnis zweierlei. Selbst ein Landesverband, den die Bundespartei wegen politischer Abwege und umstrittener Personen auflösen wollte, wird von der Anti-CDU-Welle ins Parlament getragen. Die Negativwirkung von Auseinandersetzungen innerhalb der AfD ist begrenzt. Die Vermutung oder Hoffnung, dass die AfD viel besser abschneidet, als die Umfragen andeuten, weil viele Befragte nicht die Wahrheit sagen, bewahrheitete sich nicht.

Unabhängig davon beginnt der Wiederabstieg der AfD mit dem Abgang von Angela Merkel (in der Mitte der nächsten Legislaturperiode?) und der Kurskorrekturen der CDU danach. Kurskorrekturen unter der Ägide Merkel bewirken nichts, weil sie ihr fast niemand abnimmt, selbst wenn sie stattfinden.

Dass Rot-Rot noch immer als Schreckgespenst wirkt, habe ich fast nicht mehr erwartet. Wahrscheinlich weil ich das Bewusstsein der Masse von der inhaltlichen Verwechselbarkeit aller sozialdemokratischen Parteien des Landes überschätzte. Davon bin ich nun geheilt.

Inhaltlich gibt es bei Lichte besehen keine wichtigen Unterschiede zwischen den Parteien, die Medien lieben ohnedies die Reduktion auf Personen und deren Skandale und Skandälchen über alles. Am Ende sucht Deutschland in der Politik wie in den anderen Sparten der Unterhaltung überall nur den Superstar. In einem Volk, in dem das Leben nicht nur für dessen Jüngere sowieso hauptsächlich aus Party besteht, passt das perfekt.

Bevor sich das ändert, müssen offenbar viel „gewaltigere“ Dinge geschehen als die Krisen Einwanderung, Euro, EU und Terror. Erstaunlich, welch robustes Kostüm derart viele unserer Zeitgenossen haben – oder handelt es sich einfach nur um Ignoranz?

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Kommentare ( 102 )

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Dieter Doerr
7 Jahre her

Unter potenzieller Selbstzerlegung verstehe ich u.a. Dinge wie das Ausschlussverfahren gegen Höcke oder die üble Episode im BW-Landtag mit vorübergehend zwei Fraktionen – derartige offensichtliche Spaltungstendenzen zwischen den zwei Parteiflügeln sind nun einmal nicht wegzudiskutieren, und das können Sie hier auch nicht so einfach unter den Teppich kehren oder gar als öffentlich-rechtliche Fake-News darstellen! Und wenn die AfD die Machtspiele und Grabenkämpfe zwischen Petry/Pretzell einerseits und dem Höcke/Gauland-Lager andererseits nicht in den Griff bekommt, droht unweigerlich eine neue Spaltung mit unabsehbaren Folgen!

Kommentare-zuerst-Leser
7 Jahre her

Klasse, mit diesem wunderbar elaborierten und herrlich fein austarierten Diskussionbeitrag qualifizieren Sie sich möglicherweise für deutlich höhere Weihen. Vielleicht sollten Sie sich im Forum von z.B. Epochtimes verstärkt beteiligen? ;->

Kommentare-zuerst-Leser
7 Jahre her

Das sehe ich, mit Verlaub, ebenfalls anders: Ich bin der Auffassung, dass ein nicht ganz unerheblicher Teil dieser Wählerschaft, trotz der gefühlten Zugehörigkeit zum konservativ-liberalen Spektrum, eben NICHT so nolens-volens diese Partei (afd) wählt, sondern aus tiefer Ablehnung, um nicht zu schreiben tiefer Verachtung, der früher mal jeweils präferierten etablierten Parteien. Ich kann jedenfalls für meinen Teil versichern, daß ich mich lieber in Saud’s Arabien des mehrfachen Taschendiebstahls überführen ließe ( gleichbeutend mit Hand-ab), als dass ich auch nur noch ein einziges Mal eine dieser etablierten Parteien, wie z.B. namentlich CDU oder Fdp, wählen würde. Dieser Wunschtraum und zaghaft geäußerte… Mehr

UngebildeterWutbürger
7 Jahre her

Was am Ende rauskommt, wird die Zeit zeigen.

„Dieser Wunschtraum und zaghaft geäußerte Hoffnung von Leuten wie Altmaier/Tauber/Kauder usw. wird sich verflüchtigen.“

Dass Altmaier/Tauber/Kauder (und Typen wie diese) nichts mehr zu melden haben, das setze ich mal voraus.

Jedediah
7 Jahre her

Ich seh’s weniger aggressiv. Ich muss immer an die fragend-leeren oder abschweifend-desinteressierten Blicke denken, wenn ich (vorsichtig) versuchen, etwas kritisch abseits des Mainstreams zu argumentieren. Es geht nicht. Aber eigentlich offensichtlich. Mainstream-Medien gibt es nur weil es Mainstream-Menschen gibt. Beides bedingt einander.

Jedediah
7 Jahre her

Das ist ein guter Punkt: Die Politiker und Medien kommen wieder durch mit ihrer Unfähigkeit, weil der einfältige Wähler gar kein Bewusstsein davon hat, was angemessene Kompetenz sein könnte.

Sören Hader
7 Jahre her

Wieso glauben Sie, dass diese Menschen nichts wissen? Es kann genauso sein, dass sie Mitten im Leben stehen, die Zustände wahrnehmen, aber eben zu ganz anderen Schlüssen kommen. Halte ich für normal. Warum sollten alle Menschen dieselbe Einschätzung einer Situation haben? Der anderen Seite vorzuwerfen, man würde nichts wissen, ist letztendlich elitäres Gehabe. Egal aus welcher Richtung das kommt.

Jedediah
7 Jahre her
Antworten an  Sören Hader

Es gibt nun mal so etwas wie Elite und Könner, auf jedem Gebiet. Auch beim Thema Politik. Die Mehrheit kann vielleicht im Unterricht mitkommen, um so ein Bild zu gebrauchen, hinterfragen auf einer höheren Ebene kann sie den Unterricht aber nicht.

Sören Hader
7 Jahre her

Die Mehrheit der Wähler als dumm zu bezeichnen, ist der Anfang des elitären Denkens.

Sören Hader
7 Jahre her

*Ironie an*
Man stelle sich mal vor, es gebe in den kommenden 4 Jahren keine Anschläge. Wie furchtbar!
*Ironie aus*
Schon ziemlich merkwürdig, wie sehr man politische Entscheidungen von solchen Fällen abhängig machen will. Als wenn man sich sowas schon herbeisehnt.

Sören Hader
7 Jahre her

„und also auch die AfD, wenn sie nicht von der Schwärmerabteilung Höcke übernommen wird.“
Danach sieht es aber aus, wenn man sich mal die Listenplätze 2 und 3 nach Petry in Sachsen anschaut. Grusel.

ioeides
7 Jahre her

Die 6,2% der AfD im Saarland grenzen an ein Wunder, denn die Partei hat so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann: Kaperung durch einen Familien/Freundes-Clan, darauf beruhend von den Saar-Medien hoch gejubelte Austritte auch von Funktionsträgern bis wenige Tage vor der Wahl, unfähiger Spitzenkandidat, schlechte Presse Dazu keine Migrantenprobleme (auch infolge eines überdurchschnittlich guten CDU-Innenministers).
Wer dennoch AfD gewählt hat, gehört zu einem von lokalem Kleinklein wenig beeinflussbaren Kern von Bürgern, die überzeugt sind, dass ohne Alternative unser Staatswesen zugrunde gehen wird.