Trusted Flagger: Die Staatsnähe der Nichtstaatlichen

Während medial Kritiker des Systems der Trusted Flagger als Rechte diffamiert werden, häufen sich Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Bundesnetzagentur, sowie der Unabhängigkeit staatlich geförderter „privater“ Meldestellen wie „REspect!“.

IMAGO / Hanno Bode

Die Diskussion um Trusted Flagger, die neuen Blogwarte des Internets, lässt die Fronten verhärten und fördert neue, unerwartete Allianzen zu Tage. Denn während Klaus Müller von vielen Seiten unter Beschuss steht, ließ es sich die ZEIT nicht nehmen, all jene, die Kritik am System der Trusted Flagger äußern, als Rechtspopulisten zu diffamieren – und schloss dabei womöglich unwissend sogar eigene Kollegen mit ein.

Vor allem sind es aber, wie selbst die Süddeutsche Zeitung zugab, Verfassungsrechtler, Rechtsanwälte und sogar grüne Politiker, die Kritik an der deutschen Umsetzung des DSA äußerten. Da diese nun aber die Kritik aus dem rechten Lager bestätigen, müssen sie naturwüchsig über denselben Kamm geschert werden.

Denn, so ein Politiker der Grünen laut Süddeutsche: Die Konstellation, in der ein grüner Politiker wie Klaus Müller Leiter der Bundesnetzagentur, die weisungsgebunden an das grüne Wirtschaftsministerium ist, und zugleich auch noch Chefkoordinator der Umsetzung des DSA in Deutschland ist, sei “unglücklich” und entspräche nur bedingt der Forderung nach politischer Neutralität für diese zentrale Funktion. No shit, Sherlock. Da hilft es auch nur wenig, darauf zu verweisen, dass die Meldestelle REspect! auch unter Kanzlerin Merkel bereits auf Staatskosten durchgefüttert wurde.

Verfassungsrechtler, FDPler, ZEIT-Redakteure: Alles Rechte

Es drängen sich in Folge der Berichterstattung der SZ auch beiläufig andere Fragen auf. Dass die Meldestelle REspect! alleine keine Löschung einfordern könne, ist nur ein geringer Trost angesichts eines real existierenden, stillschweigenden Abkommens zwischen den Meldern und Internetplattformen, die im Falle des Zweifels lieber zu viel löschen, anstatt es auf eine Klage ankommen zu lassen. Wenn dann aber die Prüfung der Meldungen nicht nur von juristisch geschulten Mitarbeitern erfolgt, sondern auch von Religions- und Sozialpädagogen, dann dürften mehr als leise Zweifel an dem System angebracht sein.

Solche äußerte auch der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki, der die Meldestelle als „grüne Zensuranstalt, die den Meinungskorridor einseitg einschränkt“ bezeichnete. Geht es nach der ZEIT, ist Kubicki also ein klassischer Rechter. Aber gut, das war er wohl bereits ab dem Zeitpunkt, an dem er sich erstmals skeptisch gegenüber der Impfpflicht geäußert hatte. Da hätte er sich die Umfallerei nach der Wahl dann auch sparen können.

Aber auch der Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner darf sich fortan mit seiner Kritik am Leitfaden der Bundesnetzagentur zu den Trusted Flaggern ins rechte Eck stellen. Der von Lindner exemplarisch auf X angeführte Anhang dieses Leitfadens, in dem eine „Liste der Bereiche mit unzulässigen Inhalten“ aufgeführt wird, umfasst nicht nur den beliebten Gummibegriff „Hassrede“, sondern führt in allen Kategorien auch noch den Unterpunkt „Andere“ auf, sodass einer jederzeitigen Verschiebung der Diskursgrenzen Tür und Tor geöffnet werden.

Schlechte Absprachen herrschen in diesen wirren Zeiten aber scheinbar bei der ZEIT, denn während in einem Artikel Stimmung gegen die Rechtspopulisten gemacht wurde, die lediglich alle weiter im Internet behelligen wollen, äußerte sich selbst der ZEIT-Redakteur Jochen Bittner kritisch zur Aussage von Klaus Müller, man könne mit Hilfe der Trusted Flagger „illegale Inhalte, Hass und Fake News […] sehr schnell und ohne bürokratische Hürde“ entfernen, da diese Aussage „offenkundig verfassungswidrig“ sei. Denn sie impliziere, so Bittner, „dass neben illegalen Inhalten auch legale Inhalte entfernt werden können“. Nebenbei kann sich Müller dabei auch nicht auf den DSA ausreden, denn die irische Medienaufsicht, die für die großen Plattformen in der EU zuständig ist, trifft die Unterscheidung in legale und illegale Inhalte sehr wohl.

Die Staatsnähe der Nichtstaatlichen

Der Elefant im Raum bleibt aber die, von Verfassungsrechtlern wie Laien deutlich erkennbare, Verschleierung der Staatsnähe der Meldestelle REspect!. Damit ist diese Meldestelle auch nicht alleine, denn es gibt sowohl staatliche als auch private Meldestellen, die sich auf den ersten Blick (und manchmal auch auf den zweiten, oder dritten …) nur kaum von ihren jeweiligen Pendants unterscheiden. Auch scheinen sie immer wieder in den gleichen Netzwerken auf. So war die Meldestelle REspect! (privat) schon vor ihrer Beförderung zum Trusted Flagger ein offizieller Kooperationspartner der Zentralen Meldestelle (staatlich) für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) des Bundeskriminalamtes (BKA). Wie effizient sich dies gestaltet, erfährt man vom BKA selbst. So schreibt das ZMI BKA auf seiner eigenen Website, dass man sich erst, als von den „Telemediendienstanbietern keine entsprechenden Meldungen“ kamen, dazu entschloss, mit privaten Meldestellen wie REspect! zusammenzuarbeiten.

Nicht ohne den gewünschten Erfolg, wie es scheint, denn andernorts prahlt man wiederum damit, dass laut BKA-Statistik von den 30.000 im Zeitraum Juni 2021 bis Juni 2024 eingegangenen Meldungen durch Meldestellen wie REspect! 84 Prozent strafrechtlich relevant wären. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 16 Prozent der Meldungen – oder anders gesagt: jede sechste Meldung (sic!) – strafrechtlich nicht relevant sind. Aufgrund der vorherrschenden Praxis von Internetplattformen aber, im Zweifel vorsorglich zu löschen, dürfte dieser Wert auch im Zeitalter der DSA-Blogwarte wohl kaum absinken.

Im Gegenteil, es ist zu befürchten, dass sich mit der Einführung der Trusted Flagger dieses Phänomen noch steigert. Wie anfällig Deutschland dafür ist, zeigt eine einfache, aber traurige Statistik, die im Rahmen des DSA-Transparenzreports für Facebook veröffentlicht wurde. Denn im Zeitraum vom 25. April 2023 bis zum 30. September 2023 stellten deutsche Behörden alleine 604 der insgesamt 666 Auskunftsanfragen an Facebook, gefolgt von lediglich 37 solcher Anfragen aus Litauen. Es offenbart sich damit eine in Deutschland vorherrschende, beklemmende Lust an der Kontrolle Anderer, eine Freude an der Denunziation, die noch vor wenigen Jahren der Vergangenheit anzugehören schien, die aber nicht erst seit der Einführung der Trusted Flagger quicklebendig zu sein scheint.

Anzeige

Unterstützung
oder