Der Thüringer Brandmauerblock steht

Politische Arbeit im Hinterzimmer statt im Parlament: Mit dem Einheitsblock aus CDU, Linke, SPD und BSW bricht Mario Voigt den Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei. Eine offene Verhöhnung demokratischer Prozesse.

picture alliance/dpa | Martin Schutt
Mario Voigt (CDU) bei seiner Vereidigung zum neuen Ministerpräsidenten von Thüringen, Erfurt, 12.12.2024

Die Frage lautete in Thüringen nicht, ob Mario Voigt von der Brandmauerblockpartei CDU im ersten Wahlgang gewählt wird, sondern von wem, denn wir nähern uns in Deutschland einem neuen Zweiklassenwahlrecht. Gewählt wurde Mario Voigt von 51 Abgeordneten von einem Landtag mit 88 Mandatsträgern. Gegen Voigt stimmten 33 Landtagsabgeordnete, das heißt ein Abgeordneter mehr als die AfD Stimmen hat, denn die Verteilung im Landtag sieht wie folgt aus: AfD 32, CDU 23, BSW 15, Linke 12 und SPD 6 Sitze.

„Brombeer-Koalition“
Thüringen: Wie man den Wählerwillen wegregiert
Voigt hat seine Wahl vor allem der Missachtung der Demokratie zu verdanken, denn um Stimmen von den Linken zu bekommen, haben der neue „demokratische Block“ aus CDU, Linke, SPD und BSW eine schriftliche Vereinbarung getroffen, die Voigt ein „3 plus 1 Format“ nennt. Zwischen den vier Fraktionen soll auf der Ebene der Parlamentarischen Geschäftsführer einmal im Monat ein Gespräch stattfinden, bei der auch die Linke bei „wichtigen Reformvorhaben“ ihre Vorschläge einbringen kann.

Ziel der Vereinbarung, die nicht Vereinbarung heißen darf, die aber Voigt ein „Pflichtenheft“ nennt, ist es, die demokratische Mitwirkung der AfD im Parlament zu verhindern. Faktisch hat Voigt damit doppelt den Unvereinbarkeitsbeschluss gebrochen. Zum einen, weil er mit dem BSW koaliert, für den trotz aller Voigtscher Kasuistik inhaltlich der Unvereinbarkeitsbeschluss gilt wie für die Linke, und zum anderen, indem die CDU de facto doch eine Vereinbarung mit den Linken getroffen hat.

Dass die Arbeit der Thüringer Legislative vom Parlament in das Hinterzimmer verlegt wurde, lässt sich vielleicht mit Voigts Blockparteiennostalgie erklären. Faktisch macht Mario Voigt den Thüringer Landtag zur Volkskammer der DDR, die Abgeordneten des „demokratischen Blocks“ haben dann nur noch abzunicken, was Linke, BSW, CDU und SPD im Hinterzimmer ausbaldowert haben. Was die Sperrminorität der AfD betrifft, wird man sich seitens der neuen Regierung auf Tricksereien gefasst machen dürfen.

Reif für die Entlassung
Schwere Vorwürfe gegen Thüringens Verfassungsschützer Kramer
Gespannt darf man sein, wie die neue Regierung mit der Affäre Kramer, die letztlich eine Affäre Maier ist, umgeht. Maier, der in der Regierung Voigt wieder Innenminister sein wird, trägt die Verantwortung dafür, dass Stephan Kramer, der auch Mitglied des Stiftungsrates der Amadeu-Antonio-Stiftung ist, den Thüringer Verfassungsschutz zur politischen Polizei mit eindeutig parteipolitischen Präferenzen ausbaut. Im Grunde muss Voigt Maier entlassen, was er aber nicht machen wird, weil sonst seine linke Koalition platzt.

Fazit: In Thüringen herrscht eine linke Koalition, informell aus SPD, BSW und Linke, mit mandatsverliebten CDU-Leuten. Geändert hat sich nur der Name des Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow heißt jetzt Mario Voigt. Und mit Blick auf Voigts „Pflichtenheft“ dürfen Kabarettisten den Thüringer Landtag gelegentlich spöttisch die Erfurter Volkskammer nennen.

Eine Frage bleibt dennoch offen. Sollten unter die 51 Stimmen für Mario Voigt nicht doch die eine oder andere Stimme von einem AfD-Abgeordneten gekommen sein? Die Wahl müsste „rückgängig“ gemacht werden. Vielleicht aber auch nicht, denn in Brandenburg denkt ja auch niemand daran, Woidkes Wahl „rückgängig“ zu machen, obwohl es nicht unwahrscheinlich ist, dass Dietmar Woidke mit Stimmen der AfD zum brandenburgischen Ministerpräsidenten gewählt worden ist.


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Kommentare ( 198 )

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Sterling Heights
19 Tage her

Professor Dr. (plag.?) ist in meinem Ranking der unsympatischste MP aller Bundesländer. Ein Schwätzer ohne Rückgrat. 😩

Endlich Frei
28 Tage her

Was der Deal mit dem Linken zur Voigt-Wahl politisch wohl gekostet hat?
Die Grenzen noch offener? Bürgergeld für illegale Migranten noch großzügiger? Der Turbopass noch schneller?
Sicher ist: Das Thüringer Volk bekommt von der Union das Gegenteil dessen, was es bestellt hat.

Franjo
29 Tage her

Diese Politikergeneration ist einfach nur noch widerlich und nicht mehr zu ertragen. Am Besten man schaut nur noch Kochsendungen und liest nichts Politisches mehr. Aber selbst bei Kochsendungen hält der ein oder andere Politclown sein Gesicht in die Kamera. Diese Leute handeln schon lange nicht mehr zum Wohle des deutschen Volkes uns wenden Schaden davon ab!
Der Geist der französischen Revolution wittert europaweit Morgenluft.

November Man
29 Tage her

Das BSW hat seine Wähler verraten und die Wagenknecht hat genau das getan, was sie ihren Wählern versprochen hat, nicht zu tun, nämlich den Steigbügelhalter für die CDU abzugeben.
Aber auch für das BSW sind Posten, Macht, Geld und Dienstwagen wichtiger als die Zusagen gegenüber ihren Wählern einzuhalten. Es ist zwar schäbig, aber wahr. Die Stimmen des BSW gehen bei den nächsten Wahlen in Thüringen an die AfD. Und die werden bei so einem mühsam zusammengeschusterten Haufen von Regierung nicht lange auf sich warten lassen.

Peter Schewe
29 Tage her

Warum die Unvereinbarkeitserklärung der CDU nur die Linke, nicht aber das BSW betrifft, bleibt für mich fragwürdig. Das BSW ist doch linker als die Linke, Sarah W. ist die Inkarnation von Rosa L. bis Walter U., ihre Vorbilder. Also statt uns über die Zustimmung der Linken für Udo zu empören, ist doch der eigentliche Skandal für mich das offenbar geduldete Bündnis der CDU mit dem BSW. Die Mittelbayerische Zeitung titelt: „Landesvater von Ramelows Gnaden“. Wie wahr. Es zeigt, wie verlogen die CDU ist. Und da uns das gleiche im nächsten Bundestag blühen wird und die CDU schon jetzt nach links… Mehr

Phil
29 Tage her

Wer CDU wählt, kann ebenso gut grün, braun oder rot wählen, es macht keinen Unterschied. Was seit Merkel ideologisch zusammengewachsen ist, wächst nun auch regierungstechnisch zusammen. Die grosse „demokratische“ Einheitspartei SED 2.0, ist bereits vor der Ära Merkel entstanden und der Sozialismus hat uns wieder. Das öffentliche Recht, bzw. Verwaltungsrecht greift nach dem Rechtsstaat und ersetzt Stück für Stück das Privatrecht. Die Bürokratie ersetzt den gesunden Menschenverstand, Vorschriften und Normen ersetzen die Eigenverantwortung und der Staat ersetzt den Markt. Das Problem mit den Etatisten aller Parteien ist, dass sie dem Sozialismus näher stehen als dem Markt. Das Geschrei nach Demokratie… Mehr

November Man
29 Tage her

Ramelow war ein linker Ministerpräsident von Merkels Gnaden. Voigt ist jetzt ein linker Ministerpräsident Ramelows Gnaden. Es geht auch nicht nur darum, die AfD auszugrenzen, das ist nur vorgeschoben, es geht den Linksextremisten des Kartells darum sich die eigene Macht zu sichern. In dem Fall hat man sich das Ministerpräsidentenamt mit Stimmen der eigentlich ausgeschlossenen Linken „kaufen“ müssen. Posten, Macht, Geld und Dienstwagen sind denen wesentlich wichtiger als das Land und seine Thüringer. So eine schädliche linke Regierungskoalition geht nie gut. Bald dürfen die Thüringen wieder wählen.

LM978
29 Tage her

Mal abgesehen von der Ungeheuerlichkeit an sich, ein interessantes Demokratieproblem. Abgeordnete sollen ja das Volk vertreten bzw. Den Wählerinnen repräsentieren. Unser System mit den zweitwahlstimmen und Vertretung über die Parteilisten lässt ja nur eine ziemlich grobe Artikulation des Wählerwillens zu. Vielleicht wäre es doch mal interessant, ob es in der heutigen Zeit nicht möglich wäre, dem Wähler die Möglichkeit zu eröffnen, seine Parteiauswahl an eine Koalitionsausschluss-wahl zu koppeln, also dem Wähler die Möglichkeit zu geben, klar zu artikulieren: die Stimme kriegt ihr egal mit wem ihr koaliert, oder nur, wenn keine Koalition mit dieser oder jener Partei, sonst zählt sie… Mehr

Kontra
29 Tage her

Voigt, ein Unsympath vor dem Herrn! Die CDU dürfte für jeden konservativen Wähler nun endgültig Geschichte sein. Merz wird nie Kanzler.

Endlich Frei
29 Tage her

Der Chemiekonzern Eveonik entlässt 7.000 Mitarbeiter, das Deutschland-Haus brennt und die Union errichtet vor den Ausgängen eine Brandmauer. Innen brennt die Hütte und die Bürger sind verzweifelt, weil sie die Fluchtwege nicht nutzen dürfen.