Thüringens SPD-Spitzenkandidat nennt Frankreichs radikale Volksfront „linke Mitte“

Innenminister Georg Maier lobt das Wahlergebnis im Nachbarland. Dass es sich bei dem Volksfront-Tribun um einen Diktatoren-Fan und Antisemiten handelt, stört ihn offenbar nicht.

IMAGO

Nach dem relativen Wahlsieg der linken Volksfront unter Führung der Partei La France Insoumise (LFI) des linksradikalen Jean-Luc Mélenchon taten sich vor allem Grüne mit Glückwünschen hervor. SPD-Politiker reagierten vergleichsweise zurückhaltender, was den Alt-Grünen und früheren Maoisten Jürgen Trittin prompt empörte: Er tadelte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert auf X dafür, dass er die „Genossen in der neuen Volksfront“ nicht angemessen feiern würde.

Ein SPD-Politiker allerdings lobte die Volksfront ausdrücklich: Georg Maier, Innenminister von Thüringen und Spitzenkandidat seiner Partei zur Landtagswahl am 1. September 2024. Für ihn stellt das Volksfront-Bündnis aus LFI, Sozialistischer Partei und Grünen die „linke Mitte“ dar.

Was gleichzeitig bedeutet: Die Bewegung Ensemble von Präsident Emmanuel Macron, die in der zweiten Wahlrunde ihre Mehrheit im Parlament einbüßte, hält der deutsche Sozialdemokrat offenbar schon für eine Kraft rechts des Zentrums.

Die LFI ist die stärkste Partei der Volksfront, ihr Führer Mélenchon gilt auch als herausragender Kopf des Dreierbündnisses. Deshalb ist es interessant, sich mit den Ansichten des französischen Linken zu beschäftigen, den Maier für gemäßigt und einen Vertreter der Mitte hält. Der 1951 geborene Mélenchon begann seine politische Karriere in der Organisation communiste internationaliste, einer linksextremen Truppe, trat später der Sozialistischen Partei (PS) bei, verließ sie aber 2008, weil sie ihm als zu rechts erschien. Aus seiner Bewunderung für Kubas Diktator Fidel Castro und den linken Gewaltherrscher Venezuelas Nicolas Maduro macht er keinen Hehl. Nach Castros Tod organisierte Mélenchon in Paris eine Trauerkundgebung.

Der LFI-Chef zählt außerdem zu den wichtigsten Vertretern des Islamo-Gauchisme, also der taktischen Allianz aus Linksextremen und Islamisten, die beide im bürgerlichen Westen den Hauptfeind sehen. Als sich die britische Labour-Partei 2019 mehrheitlich gegen ihren offen antisemitischen Chef Jeremy Corbyn stellte, verteidigte ihn Mélenchon ausdrücklich, und warf ihm lediglich vor, dass er sich für bestimmte Äußerungen entschuldigt habe. Nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 versagte der LFI-Führer Israel jede Solidarität. Die LFI, erklärte er damals, nehme an einer Kundgebung zum Gedenken an die Opfer nicht teil. Er weigert sich außerdem, die Hamas als Terrororganisation zu bezeichnen.

Schon im Präsidentschaftswahlkampf 2017 verkündete Mélenchon, sollte er gewählt werden, wolle er sämtliche europäischen Verträge neu verhandeln, und, falls das Ergebnis nicht zu seiner Zufriedenheit ausfallen sollte, Frankreich aus der EU führen. Außerdem soll die EZB nach seinem Willen völlig politischen Vorgaben unterworfen werden.

Mélenchons gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vorstellungen sind nicht weit von denen der von ihm bewunderten Linksdiktaturen Kuba und Venezuela entfernt. So fordert der Volksfront-Tribun jetzt die staatliche Deckelung von Lebensmittelpreisen, die Anhebung des Mindestlohns auf 1700 Euro im Monat, die Senkung des Rentenalters auf 60 Jahre und die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien – trotz der bereits jetzt hohen französischen Staatsquote. Ab einem Einkommen von 400.000 Euro im Jahr soll außerdem eine Steuer von 90 Prozent gelten.

Zu seinem Programm gehört auch der Umbau des Staates – die Grundzüge erklärte er schon im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf. So will er 200.000 neue Beamtenposten schaffen, außerdem die Justiz weitgehend unter politische Vormundschaft stellen. Seine politische Position lässt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Errichtung einer sozialistischen Diktatur, verbunden mit antisemitischen Ideen und Nähe zum Islamismus. Dass sich der deutsche SPD-Minister und Spitzenkandidat für dieses ideologische Angebot begeistert, wirkt angesichts der sonstigen Äußerungen von Maier bemerkenswert. Als Chef des Thüringer Innenressorts untersteht ihm auch das Landesamt für Verfassungsschutz. Nach dessen Kriterien wäre ein Politiker, der in Deutschland Positionen wie Mélenchon vertritt, eigentlich ein Beobachtungsfall. Möglicherweise gelten allerdings in dem von einem Linkspartei-Ministerpräsidenten regierten Bundesland andere Maßstäbe. Maiers Aussage lässt sich auch so lesen: Selbst diktatorischer Linksextremismus, gemischt mit Antisemitismus, stellt kein Problem dar – solange er sich nur ‚gegen rechts‘ richtet.

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