Thüringer Landtag: CDU, BSW und Linke wollen Geschäftsordnung umgehen

Die konstituierende Sitzung des Parlaments in Erfurt endete ohne Wahl eines Landtagspräsidenten. Der Posten steht nämlich der AfD zu. Das wollen die anderen Parteien auf Biegen und Brechen verhindern

IMAGO / Funke Foto Services

Bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags geschah, womit viele Medienschaffende offenbar nicht gerechnet hatten: Der Alterspräsident des Parlaments Jürgen Treutler hielt sich an die Geschäftsordnung. Das hinderte den Geschäftsführer der CDU-Fraktion Andreas Bühl nicht daran, ihm und der AfD „Machtergreifung“ vorzuwerfen. Etliche Medien, darunter die ARD-Tagesschau, benutzen das Framing-Wort des Tages: „chaotische Landtagssitzung“. Dabei waren es die Parteien jenseits der AfD, die das Chaos provozierten.

Worum geht es? Nach der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags steht das Vorschlagsrecht für den Posten des Landtagspräsidenten der „stärksten Fraktion“ zu. Das ist mit deutlichem Abstand die AfD. Die CDU und andere Fraktionen erklärten schon im Vorfeld, einen Parlamentspräsidenten oder -präsidentin der AfD nicht zu akzeptieren, und brachten deshalb einen Geschäftsordnungsantrag ein: Danach soll der Posten „aus der Mitte des Parlaments“ gewählt werden. Der Haken dabei: Über einen Geschäftsordnungsantrag kann der Landtag erst abstimmen, wenn er arbeitsfähig ist. Und die Arbeitsfähigkeit besteht erst dann, wen er einen Landtagspräsidenten- beziehungsweise Präsidentin und die Stellvertreter gewählt hat. Bis dahin leitet der Alterspräsident die Sitzung. Und der hielt sich strikt an die bestehende Geschäftsordnung, die so lange gilt, bis eine neue in Kraft tritt.

Zwar gab es auch eine geänderte Tagesordnung, die vorsah – und zwar rechtlich wackelig – als erstes über die Geschäftsordnungsänderung abstimmen zu lassen. Nur: diese Tagesordnung stammte von der früheren Landtagspräsidentin von der Linkspartei, die ihren Landtagseinzug verpasste. Ihre Tagesordnung ist deshalb nichtig.

Die Sitzung ging mit vielen Unterbrechungen ohne eine Entscheidung zu Ende. Damit ist das Parlament auch am Ende des Donnerstags nicht arbeitsfähig. Auf Antrag der CDU-Fraktion muss sich jetzt der Thüringer Verfassungsgerichtshof mit dem blockierten Parlament befassen. Nur: viel Spielraum bei der Auslegung der Geschäftsordnung bleibt auch den Richtern nicht.

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Kommentare ( 135 )

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moorwald
1 Monat her

Der Verfassungsgerichtshof hat auch Anmerkungen zum Amt des Alterspräsidenten gemacht.
Vielleicht sollte man überhaupt wie in Bremen verfahren…nachzulesen in der Urteilsbegründung.
Denn bei allem Respekt: Herr Treutler war wohl doch teilweise überfordert.

brummibaer_hh
1 Monat her

Die alte Satzung der durch die Linke eingebrachten Fassung war jka möglicherweise ungültig, aber das war gar nicht die Fragestellung. Es ginbg darum, ob der Landtag seine Geschäftsordnung nach Konstitution ändern darf, bevor ein Landtagspräsident gewählt werden darf. Und die Abgeordneten dürfen – und durften nicht, weil der Alterspräsident sie nicht ließ. Und deshalb meint der Autor behaupten zu dürfen, dass die Parteien das dann einfach mal umgingen, weil sie vor das Verfassungsgericht zogen. Sie zogen, ja, aber sie haben die Abläufe nicht umgangen, denn der Alterspräsident hinderte sie ja an ihrem ureigenen Recht und ihrer Aufgabe zu entscheiden. Das… Mehr

brummibaer_hh
1 Monat her

Lieber Autor, Du machst es wie die AFD-Fraktion. Deren parlamentarischer Geschäftsführer erklärte heute morgen in der Aussprache zum Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung auch, die AFD habe eine andere Rechtsauffassung, dass das Parlament sich also an die alte Geshcäftsordnung zu halten habe. Nur ein paar Stunden, nachdem das thüringer Verfassungsgericht festgestellt hat, dass genau diese Rechtsauffassung nicht stimmt. Welches Recht soll denn nun gelten? Das nach der Rechtsauffassung von AFD und Tichys Einblich oder meines? Oder nicht viel mehr das, in diesem Fall vom zuständigen Gericht überprüfte? Denn danac ist es sehr wohl in Ordnung Änderungen an der Geschäftsordnung vorzunehmen,… Mehr

moorwald
1 Monat her

Urteils- und Richterschelte sind immer möglich.
Das entscheidende Manko eines Alterspräsidenten ist wohl, daß er nicht gewählt ist. So hat es das Verfassungsgericht gesehen, indem es auf die „dienende“ Rolle abstellte.

Wolfram_von_Wolkenkuckucksheim
1 Monat her

Die schleifen die parlamentarische Demokratie.

November Man
1 Monat her

„Schande für die Demokratie“. Der „Cicero“ wertet die Vorgänge im Thüringer Landtag als „Schande für die Demokratie“. Verursacht worden seien die Vorgänge allerdings nicht von der AfD, sondern von den „selbst ernannten demokratischen Kräften unter Führung der CDU“. Der „Cicero“ meint, der „eigentliche Zweck der Inszenierung“ sei es gewesen, „zu demonstrieren, dass die AfD keine legitime Partei ist und dass nur die anderen Parteien dies sind“. Aber: „Stattdessen zogen es die Sprecher der anderen Fraktionen vor, sich wie unerzogene Rotzlöffel zu benehmen und den Alterspräsidenten ständig zu unterbrechen. Wohl noch nie hat man in einem deutschen Parlament eine derart würdelose… Mehr

Spyderco
1 Monat her

Der Eklat war von der CDU geplant!

RA Sascha Schlösser hat heute auf X eine Prozessvollmacht geleakt.
Darin wird der RA Prof.Dr.Austermann bevollmächtigt für ,,Verfassungsstreitverfahren vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof anlässlich der Konstituierung des 8.Thüringer Landtages gemäß §17 ThürVerfGHG…
Erfurt ,den 25.09 2024
Prof.Dr.Mario Voigt“

Voigt wusste also einen Tag vor der Sitzung bereits,dass diese vor das Verfassungsgericht führen würde.

Last edited 1 Monat her by Spyderco
Deutscher
1 Monat her

Wenn man nach den Regeln nicht gewinnen kann, ändert man die Regeln. Erinnert mich stark an Kinder beim „Mensch, ärgere Dich nicht!“
Nur sind die Spielverderber hier alles andere als harmlos.

Eddie
1 Monat her

Sarah Wagenknecht ist gesichert links extrem, eine 150%ige Kommunistin, AktivistIn der kommunistischen Plattform, die sich nicht scheut festzustellen, daß „Stalin alles richtig gemacht hat oder daß der kommunistische bzw. antifaschistische Schutzwall ein notwendiges Übel war“ wird seitens der CDU offensichtlich als lupenreine Demokratin eingestuft, so wie Schröder das bei Putin ansieht. Man fragt sich, wer ist schlimmer das BSW oder die CDU.

Frank_78
1 Monat her

Die AfD sollte sich hüten, mit der CDU irgendeine Koalition anzustreben. Von allen „Deutschen Demokratischen Parteien“ ist die CDU die falscheste, hinterfotzigste und verachtenswerteste überhaupt!